Warum die maßlose Eigendämonisierung mit vernünftiger Selbstkritik nichts zu tun hat  

Von Melissa Kaiser

Es gibt zahlreiche Gründe, die Ursachen für einschneidende politische Geschehnisse nicht nur einseitig bei der „anderen Seite“ zu suchen. Allerdings verfällt die westliche Gesellschaft nun schon seit einigen Jahren in eine fast schön religiöse Selbstkasteiung, wenn es sich um das Ringen nach Erklärungen von extremistischen Strömungen im Nahen und Mittleren Osten handelt. Konflikte und ihre Ursprünge, die schon seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten bestehen, werden eindimensional mit Waffenlieferungen aus dem Ausland erklärt. Auch militärische Interventionen des Westens und insbesondere der USA werden von den selbsternannten Rettern des Weltfriedens ohne jede Differenzierung dämonisiert.

Ersichtlich wurde dies aktuell an den zahlreichen Mobilisierungen der Wohlstandspazifisten, die nach zahlreichen Jahren des barbarischen Gemetzels in Syrien behaupteten, der Krieg hätte mit der militärischen Intervention Trumps erst begonnen. Die selektive Wahrnehmung der Meaculpisten scheint mit jedem Jahr eine neue Dimension zu erreichen. Angeführt und aufgestachelt von Experten vom Geiste eines Jürgen Todenhöfers, welche die komplizierte Lage und das Geflecht unterschiedlichster Konflikte bestimmter Regionen in ein simplifiziertes Weltbild kanalisieren, dominieren diese nach und nach die Diskussions- und Dämonisierungskultur.
Dabei gibt es zahlreiche populäre historische Beispiele, welche den „Bauchgefühl-Theorien“ widersprechen, wonach sich der kriegslüsterne Westen besser aus allen Krisen dieser Welt heraushalten solle.

Hierzu zählt der aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit fast verschwundene Völkermord in Ruanda im Jahre 1994. Diesem fielen binnen drei Monaten knapp eine Million Menschen zum Opfer. Ein erheblicher Teil der Opfer wurde nicht mit Panzern oder Bomben getötet, sondern mit Machten, Keulen und Knüppeln. Diese Grausamkeit war unter anderem durch eine jahrelange Ignoranzpolitik der westlichen Staaten dem unmenschlichen Treiben verschiedener Konfliktparteien wie zum Beispiel der ruandischen Armee oder der Gendarmerie gegenüber ermöglicht worden. Ein eindrückliches Beispiel, dass auch Pazifismus indirekt tötet und nicht der propagierte goldene Schlüssel zum Weltfrieden ist.

Die arabischen Regionen werden von Konflikten dominiert, welche wesentlich auf die fehlende Aussöhnung zwischen den verschiedenen Strömungen des Islams und der ungeklärten Frage um Mohammeds Nachfolger zurückzuführen sind, und nicht auf westliche Beeinflussung. Als diese Konflikte entstanden, hatte Columbus seinen Fuß noch nicht auf amerikanischen Boden gesetzt, ebenso wenig wie US-Soldaten auf die betroffenen Regionen. Und Europa (vor allem der Balkan) war zu dieser Zeit eher moslemischen Invasionen ausgesetzt, als dass der islamische Raum Ziel europäischer Invasionen war.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die schon fast gleichermaßen in der westlichen und islamischen Gesellschaft undifferenziert verurteilten „regime changes“ der USA oft nicht das gewünschte Ergebnis erreichen konnten. Dabei wird jedoch die für den Frieden Europas wohl wichtigste Intervention, die Befreiung von den Nationalsozialisten, gerne ausgeblendet. Ebenso die parlamentarische Demokratie Südkoreas, welche im direkten Vergleich zu Nordkorea nicht in Vergessenheit geraten darf. Wie sich das südkoreanische System nach einem Sieg Nordkoreas und seiner Verbündeten gestaltet hätte, kann man sich lebhaft ausmalen. Woher kommt also dieser westliche Selbsthass, welcher sich mit der Krisenverschärfung weltweit permanent zu vermehren scheint? Warum ist es im Laufe der Zeit schon fast unmöglich geworden, rational über berechtigte Kritikpunkte zu debattieren? (…)

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