Die „Klima-Schüler“ leben ebenso wenig nach ihren eigenen ökologischen Maximen wie der Vielflieger F.W. Steinmeier, der sogar zur Klima-Demo per Flugzeug anreist und auch bei anderen Inlandsreisen wie viele seiner Kollegen nicht aufs Fliegen verzichtet. 

Von Roger Letsch

Was genau beklatschte Präsident Steinmeier eigentlich, als er in Berlin in den Flieger stieg, nach Neumünster jettete, nur um dort die Freitagsschulschwänzer unter schwedischer Flagge zu besuchen? Und was genau findet die Kanzlerin gut, wenn sie die Jugendlichen für ihr Engagement lobt? Ganz einfach: die Jugendlichen protestieren ja nicht gegen die aktuelle Politik, sie feuern sie wie Cheerleader vom Spielfeldrand an! Demonstrationen gegen die Politik unserer Regierung treffen nicht auf derart viel Wohlwollen. Das fast einhellige Politikerlob für „Fridays for Future” steht in starkem Kontrast zu den spöttischen Bemerkungen der Kritiker, deren praktische Vernunft vor den Folgen des Schuleschwänzens warnt und die negativen Effekte höher gewichtet als den praktischen Nutzen der Demonstrationen.

Die anerzogene deutsche Sensibilität in Bezug auf den Umweltschutz – einer der wenigen begrüßenswerten Folgen grüner Politik längst vergangener Zeiten – erkennt die Brüche im Handeln der Klimaretter von heute sehr klar. Denn unterstellen wir für einen Moment, dass Klimaschutz als ins Gigantomanische übersteigerter Umweltschutz tatsächlich machbar wäre, dann sind doch letztlich fast alle in diesem Sinne getroffenen Maßnahmen aus der Werkzeugkiste der alten, grünen Umweltschützer entlehnt: Konsumverzicht, Industrieumbau, Verbote, Grenzwerte, Strafen. Konsumverzicht jedoch ist, wie der Name schon verrät, eine individuelle Entscheidung, die keiner staatlichen Regularien bedarf. Zur Diät bei Flugreisen, Klamotten, Kommunikationstechnik und anderen liebgewonnenen und selbstverständlichen Kommoditäten mit großer CO2-Affinität ist jedoch offenbar niemand bereit – auch die freitags demonstrierenden Schüler nicht.

Ist es da ein Wunder, dass die Kritiker genüsslich die Worte der selbsternannten Klimaretter neben deren Taten legen, und hohnlachend darauf verweisen, dass Grüne Weltretter wie Katharina Schulze um die Welt jetten, dass es nur so kracht oder die Freitagsdemos der Schüler eine breite Müllspur in den Städten hinterlassen, die lieben Kleinen von den Eltern mit dem Auto zur Klimarettung chauffiert werden und anschließend die McDonalds-Filialen der Innenstädte leerfuttern? Zur Erinnerung: die Idee, die Heizung am „Warmer-Pulli-Tag“ herunterzuregeln, um das Klima zu retten, wurde in den Schulen initiiert, nicht in den eigenen behaglichen heimischen Zimmern der Jugendlichen. Dort brennt munter das Licht und wartet die PlayStation im Standby auf den „Fridays for Future”-Heimkehrer. Diese Inkonsequenz ist jedoch nur ein oberflächliches Zeichen dafür, dass hier gerade etwas gewaltig aus dem Ruder läuft. Entscheidender ist, an wen sich die Handlungsaufforderung von „Fridays for Future” tatsächlich richtet. Diese Bewegung ist nämlich nur die Simulation einer Grasroots-Bewegung, vielmehr fordert sie ein gnadenloses Top-Down-Durchgreifen der Macht.

Handlungsaufforderung an die Politik, nicht an den Bürger

Die Flagellanten, die im Hochmittelalter durch deutsche Städte zogen, um das vorgeblich sündige Volk zu Reue, Buße und Umkehr zu gemahnen, schlugen sich noch selbst. Nur Reflektion und innere Einkehr überließen sie dem Publikum. Die moralische Peitsche der Klimakids richtet sich nur mittelbar gegen sich selbst, der Adressat ist die Politik. Die soll „endlich handeln“, Verbote erlassen, CO2-Emissionen verbieten, die Industrie umbauen und den Verkehr gleich mit. Es handelt sich also zu 100 % um die Be- und Verstärkung genau jener Agenda, die seit Jahren auf der politischen Tagesordnung steht. Die Kinder sind also gewissermaßen die Cheerleader und Herolde jener Politiker, die seit Jahren von Klimagipfel zu Klimagipfel tingeln und dort nichts erreichen, weil nichts zu erreichen ist. Das Phänomen, dass Demonstrationen, statt Regierungskritik zu üben, im Grunde ihre Anhänglichkeit an die Agenda der Obrigkeit bekunden und die Regierung in ihrem Handeln noch bestärken und anfeuern, kennt man sonst vor allem aus Despotien.

Kommunistischer Systemwechsel als Endziel

Im Gegensatz zur Politik, die uns seit Jahren das Märchen vom ökologischen Wandel in ein emissionsfreies Utopia bei gleichzeitiger Bewahrung des westlichen Wohlstandes erzählt, zählen die Jugendlichen eins und eins zusammen und sind längst konsequent auf dem Marsch in den totalen Systemwechsel. Sie haben erkannt – und das ist womöglich das größte Verdienst der Freitagsmärsche – dass ihre Ziele sich nur umsetzen lassen, wenn der regulierende Staat Zugriff auch noch in die letzten und privatesten Winkel des Lebens seiner Bürger erlangt – und die Politik würde nur zu gern liefern, bedeutet jede Regulierung, jede Initiative und jedes neue Ministerium doch einen Machtzuwachs, neue Steuern und neue Ämter-Pfründe für die Parteien und ihre Apparate.

In einer freiheitlichen, von Individualismus und unveräußerlichen Bürgerrechten geprägten Gesellschaft ist dies nicht zu erreichen. Der „totale Systemwechsel“, hinter dessen Plakaten die Jugend folgerichtig marschiert, ist nichts anderes als die „Überwindung des Kapitalismus“ und der Wechsel zum Sozialismus. Verbunden mit der geforderten Decarbonisierung wäre aber sicher nicht ein venezolanischer oder sowjetischer Weg denkbar, denn die können oder konnten sich überhaupt nur aufgrund des Verkaufs böser fossiler Energie über Wasser halten. Die logische Konsequenz gliche am Ende wohl eher dem Kambodscha Pol Pots, also einer steinzeitlich-agrarischen Gesellschaft der absoluten Gleichheit mit kleinem, aber blutigem CO2-Fußabdruck. (…)

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