November 3, 2017 – 14 Heshvan 5778
„Ich mag dich nicht, weil du jüdisch bist“

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Wird der Antisemitismus an deutschen Schulen schon bald auf das Niveau Frankreichs anwachsen?
  

Von Stefan Frank

An einer Pariser Schule wurde am 21. September 2017 ein zehnjähriges jüdisches Mädchen von einem muslimischen Mitschüler so schwer verletzt, dass es mit inneren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. „Ich mag dich nicht, weil du jüdisch bist“, sagte der Junge, bevor er das Mädchen schlug. Und: „Sprich meinen Namen Ismael nicht aus, denn das ist der Name eines Propheten.“

Audiatur-Online wollte wissen, wie häufig solche antisemitischen Angriffe an französischen Schulen sind und fragte Jean Patrick Grumberg, einen aus Frankreich stammenden und heute in Tel Aviv lebenden Journalisten. „Ein Fall wie der des Mädchens ist extrem selten“, sagt Grumberg. „Sie denken, das sei eine gute Nachricht, stimmt`s? Leider ist es genau das Gegenteil.“ Wie Grumberg erklärt, schicken jüdische Eltern ihre Kinder kaum noch auf öffentliche Schulen. Obwohl die öffentlichen Schulen kostenlos seien, die privaten hingegen ziemlich teuer, entschieden sich jüdische Eltern meist für private, da die öffentlichen für jüdische Schüler zu gefährlich seien – „so gefährlich, dass sogar die Schulleiter den Eltern davon abraten“. Er verweist auf eine Studie der Bildungsbehörde Education nationale (EN) aus dem Jahr 2004 und auf das gerade erschienene Buch eines pensionierten Schulleiters aus Marseille, in dem dieser Erfahrungen aus seinem Berufsleben schildert.

„Unzählige Hakenkreuze“
„Medien und Institutionen“, heißt es in dem Bericht der EN, hätten „in letzter Zeit oft über den wachsenden Antisemitismus im gesellschaftlichen Leben und an Schulen“ berichtet; die „Schwere“ dieses Problems könne „nur bestätigt werden“. „Jude“ (juif, feuj) sei ein „gebräuchliches Schimpfwort“, welches beliebig benutzt werde, auch gegen Nichtjuden. Der Bericht erwähnt den Fall eines aus der Türkei stammenden Schülers, der in der Klasse schweren Anfeindungen ausgesetzt gewesen sei, weil ihm vorgeworfen wurde, sein Land sei „ein Verbündeter Israels“. Dass sowohl Mitschüler als auch Lehrer nach ihrer Religionszugehörigkeit gefragt würden, sei an der Tagesordnung. Gegenüber jüdischen Schülern würden sich die Aggressionen und Drohungen noch einmal „vervielfachen“ – sowohl „innerhalb als auch außerhalb des Schulgebäudes“. Die Angriffe kämen von Schülern „aus dem Maghreb“, die ihren Hass sowohl mit „Entwicklungen im Nahen Osten“ rechtfertigten als auch mit Koranzitaten. Die Aggression reiche bis zum „Befürworten der Verfolgung und Vernichtung der Juden“. Bewunderung für den Nationalsozialismus sei „keine Ausnahme“: „Sie zeigt sich massiv in unzähligen Graffiti, vor allem Hakenkreuzen, und sogar in entsprechenden Äußerungen, die gegenüber Lehrern, Grundschullehrern und anderem Lehrpersonal gemacht werden.“

Gewalt gegen Juden nicht zu stoppen
Dieser Bericht, sagt Grumberg, sei „so verheerend“ gewesen, dass das Ministerium ihn habe geheim halten wollen; erst, nachdem er dennoch nach außen gedrungen sei, habe die Regierung ihn öffentlich gemacht. „Damals wurde uns vorgeworfen, islamophob zu sein“, sagt der für die Studie verantwortliche damalige EN-Chef Jean Pierre Obin. „Heute“, so Obin, „gibt es in einigen urbanen Ghettos kein jüdisches Kind mehr, das eine öffentliche Schule besucht. Und wenn man den Lehrkörper fragt, wie er die Situation deutet, antworten einige, dass die jüdischen Schüler nicht mehr zahlreich genug seien, um sich zu verteidigen.“ Aus den Schulen höre man, dass die Gewalt auf dem Schulweg auch durch harsche Strafen wie den Ausschluss von der Schule nicht unterbunden werden könne, so Obin.

Schulleiter warnte jüdische Eltern
Das bezeugt auch der pensionierte Lehrer Bernard Ravet in seinem gerade erschienen Buch „Principal de collège ou imam de la République?“. Darin schildert er Szenen aus seinem Alltag als Schulleiter an verschiedenen Schulen in Marseille. Er erzählt, wie das offensive Zurschaustellen islamischer Überzeugungen seit der Jahrtausendwende immer mehr um sich gegriffen hat: Schüler verließen den Unterricht, wenn Rousseau oder Molière gelesen wird; lehnten Geschichtsunterricht ab, wenn es dort um Christen, Juden oder Muslime geht; weigerten sich, mit geometrischen Figuren zu arbeiten, die Kreuzen entfernt ähnlich sehen; lehnten es ab, in der Schulkantine Fleisch zu essen, dass nicht „halal“ ist und verlangten von Lehrern nordafrikanischer Herkunft, den Ramadan zu halten und nicht zu rauchen – selbst wenn diese nicht gläubig seien. Dazu geselle sich ein unbändiger Hass auf Juden; wenn die Schoah thematisiert werde, fielen oft Sätze wie: „Das geschieht den Juden recht“ oder „Das hat Hitler gut gemacht“.

Ravet gibt offen zu, dass er jüdischen Eltern davon abgeraten habe, ihr Kind in seine Schule zu schicken:

„Als ich Direktor des Collège Versailles war, kam eine Frau zu mir. Sie war gerade aus Israel kommend neu in der Nachbarschaft und wollte ihren Sohn am Collège einschreiben. Ich traf sie. So gut das Französisch der Mutter war, so stockend war das des Sohnes, der in Israel aufgewachsen war und dort auf Hebräisch unterrichtet worden war. Ich hätte ihn in einem Kurs für Neuankömmlinge einschreiben müssen, damit er Französisch als Fremdsprache lernt. Kaum hätte er mit seinem scharfen Akzent zwei Worte gesprochen, würden die anderen fragen, woher er komme. Würde er die Wahrheit sagen, würde man ihn zusammenschlagen. Daran hatte ich keine Zweifel: Ein paar Monaten zuvor war Edouard Zambeaux, ein Reporter von RFI, in die Schule gekommen und hatte sich nach den Beziehungen zu Juden erkundigt. Die Schüler hatten geantwortet: ‚Es gibt hier keine. Wenn es sie gäbe, müssten sie sich verstecken.’ Ich wollte kein Risiko eingehen und diesen Jungen annehmen. Ohne die Gründe für meine Verlegenheit zu verbergen, fragte ich die Mutter: ‚Haben Sie darüber nachgedacht, ihn an der jüdischen Privatschule anzumelden?’ – ‚In Yavne? Ja. Aber es gibt dort keinen Platz mehr.“ (…)

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