Regelmäßig berichten die Medien in Deutsch- land und anderswo über den Verlauf der Atom- verhandlungen mit dem Iran, die mal als aus- sichtslos und mal als positiv eingestuft werden. Selbst im Kampf gegen dschihadistische Ver- bände im Irak wird nun überlegt, eng mit dem Iran zu kooperieren, oder sogar gemeinsam mit ihm zu kämpfen. Fragen, die sich mit den permanenten Menschenrechtsverletzungen im Iran beschäftigen, sind dabei auffällig in den Hintergrund getreten.
Dabei bleibt gerade die Menschenrechtslage im Iran erschreckend. Dort werden auch unter der Präsidentschaft von Hassan Rohani im Ver- hältnis zur Bevölkerungszahl mehr Menschen hingerichtet als sonst irgendwo auf dieser Welt. 2013 wurden nach den Angaben der Borou- mand-Stiftung 739 Menschen hingerichtet, und im laufenden Jahr sind es bereits 362.
Laut dem Bericht des UN-Menschenrechts- rats vom März 2014 werden die Mitglieder der im Iran anerkannten Religionen, Juden, Christen und Zoroastrier im juristischen Sys- tem diskriminiert, indem sie härtere Strafen für dieselbe Straftat bekommen als Muslime. Noch alarmierender ist jedoch die Situation für die Anhänger der Bahai-Religion. Sie scheint der Lage der Juden in den 30er Jahren im nati- onalsozialistischen Deutschland nicht unähn- lich. Seit 2004 wurden mindestens 734 Bahai verhaftet, und 136 von ihnen sind gegenwärtig in Haft. In dem besagten UN-Bericht heißt es, dass den Bahai vorgeworfen werde, einer «hä- retischen Sekte» anzugehören, mit «Verbin- dungen zu den ausländischen Feinden.» Sie würden meist wegen «Spionage und Propagan- da gegen das herrschende System» verurteilt werden. Und sie würden als «ungeschützte Un- gläubige» eingestuft.
Tatsächlich ist die systematische Verfolgung der Bahai zu einem signifikanten Merkmal der neuen totalitären Herrschaft der iranischen Is- lamisten geworden, und sie hat eine lange Vor- geschichte. Die Babi-Religion, die theologisch als die Vorläuferbewegung der Bahai-Religion gilt, wurde im 19. Jahrhundert auf Befehl des schiitischen Klerus gänzlich vernichtet. In ei- nem vergessenen Genozid wurden rund 20.000 Babi getötet. Den Bahai wird heute vorgewor- fen, «Spione Israels» zu sein. Dabei begann die Geschichte der Bahai auf dem Boden des heutigen Israel im Jahr 1868. In Orten in der Umgebung von Haifa und Akko verbrachte der Religionsstifter Baha’u’llah (1817–1892) viele Jahre seines Lebens im Gefängnis. Er ist in Bahji bei Akko begraben. Die sterblichen Überreste von Bab wurden erst am 21. März 1909 auf dem Berg Karmel in Haifa beigesetzt.
Israel gilt neben dem Iran als eines der beiden «heiligen» Länder für die Bahai. Die Pilgerorte gelten als Gedächtnisstätte, und in Israel sind die heiligen Stätten der Bahai, im Gegensatz zu jenen im Iran, entsprechend geschützt. Dort existiert jedoch keine lokale Gemeinde. Dies ist auf eine Entscheidung des Religionsstifters zu- rückzuführen. Er sagte, dass eine Bevölkerungs- konzentration an einem Ort nicht mit dem uni- versellen Anspruch der Religion vereinbar sei. Der Aufenthalt der im Weltzentrum der Bahai arbeitenden Bahai wurde 1948 mit dem Staat Is- rael offiziell vereinbart. Da einige Hundert Bahai jedoch in Israel wohnen, wird ihnen von Teheran vorgeworfen, Spione Israels zu sein.
In der Pahlavi-Ära (1925-1979) setzte sich die Verfolgung der Bahai fort, auf Druck des Klerus. Gerade in jener Zeit gründeten die Bahai ihre ersten modernen Schulen, die auch von Mädchen besucht werden konnten. Die Bahai glauben, dass im Zweifelsfall Mädchen eine bessere Schulausbildung als Jungen erhalten sollen, falls es finanzielle Probleme gäbe.
Gegen die Bahai wurden und werden stereo- typisch ähnliche Verschwörungstheorien kon- struiert, wie gegen die Juden. Die «Memoiren von Dolguruki» sind ähnlich wie die «Proto- kolle der Weisen von Zion» Fälschungen. Dort enthaltene Lügen, die beispielsweise unterstel- len, dass die Babi russische Agenten gewesen seien, werden bis heute im Iran verbreitet. Un- ter Mohammad Reza Schah Pahlavi wurde eine Gruppe, die sich «Hojatiye» nannte, aktiv. Diese islamische Gruppe arbeitete mit SAVAK, dem berüchtigten Geheimdienst des Schahs zusammen. Der berühmte Ajatollah Borujerdi war sehr gegen die Bahai. Schon dieser Ajatol- lah verbot den Handel mit den Bahai. Die Mus- lime sollten alle ihre Kontakte mit den Bahai abbrechen. Ajatollah Borujerdi erachtete sogar das Töten von Bahai als legitim. Ein anderer Ajatollah namens Rabbani Schirasi nahm das wörtlich: Er tötete persönlich einen bekannten Bahai, Habibollah Huschmand, mit Messer- stichen. Durch persönliche Intervention von zwei anderen Ajatollahs wurde der Mörder, der einen der höchsten geistlichen Ränge besaß, sogar wieder nach einigen Tagen aus dem Ge- fängnis des Schahs entlassen. Der Mord hatte sich im Dezember 1948 ereignet.
Von Wahied WAHDAT-HAGH
Komplett zu lesen in der Druckausgabe der Zeitung.
Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier abonnieren oder hier einen Kennenlernen-Exemplar bestellen.