August 7, 2014 – 11 Av 5774
Fünf vor Zwölf?

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Charlotte Knobloch, die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist eigentlich ein bedächtiger Mensch. Sie neigt nicht zu lauten Tönen, nicht zu Übertreibungen und auch nicht zum Alarmismus. Wenn sie also einmal deutlich wird, darf man davon ausgehen, dass es einen besonderen Grund dafür gibt. Und vor wenigen Tagen ist sie überaus deutlich geworden. Die «hemmungslose Judenhet- ze» habe «eine neue Qualität erreicht», sagte sie in einem Interview dem «Kölner Stadt-Anzeiger». Und weiter: «Was wir derzeit erleben, ist die kummervollste und bedrohlichste Zeit seit 1945. Bei uns stehen die Telefone nicht still, die Mail-Postfächer quellen über – wir sind konfrontiert mit Beleidigungen und Hassparolen.» Allen in Deutschland lebenden Juden riet sie, sich derzeit «nicht als Jude erkennbar zu machen». Das Risiko, zum Ziel eines Angriffs zu werden, sei sonst zu groß.

Das sind erschütternde Worte, und das Schlimme ist: Charlotte Knobloch hat damit Recht. «Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein», riefen beispielsweise mehrere Dutzend Teilnehmer einer antiisraelischen Demonstration Ende Juli in Berlin. Ein Ehepaar aus Jerusalem, das vor den Raketen der Hamas in die deutsche Hauptstadt geflüchtet war und dort zufällig den Weg einer weiteren israelfeindlichen Manifestation kreuzte, wurde von Demonstran- ten massiv bedroht: Als diese den Kippa tragenden Israeli sahen, riefen sie Parolen wie «Nazimörder Israel!», «Scheißjuden, wir kriegen euch!» und «Wir bringen euch um!»; zudem versuchten sie, den Mann und seine Ehefrau körperlich zu attackieren. In Essen grölten antiisraelische Demonstranten «Adolf Hitler! Adolf Hitler!» und «Scheißjuden, brennt!», in Gelsenkirchen brüllten sie «Hamas, Hamas, Juden ins Gas!». In Hannover wurde ein Mann, der eine Israelflagge gezeigt hatte, tätlich angegriffen, in Bremen versuchten Teilnehmer einer Kundgebung gegen Israel, einem Journalisten die Kamera zu entreißen. Mehrere jüdische Einrichtungen wurden mit antisemitischen Parolen beschmiert, auf die Synagoge in Wuppertal gab es gar einen Brandanschlag. Und das sind nur einige Beispiele von vielen.

Alex Feuerherdt

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Alex Feuerherdt ist freier Autor und lebt in Köln. Er schreibt regelmäßig für verschiedene Medien zu den Themen Antisemitismus, Nahost und Fußball, unter anderem für die Jüdische Allgemeine, Konkret, den Tagesspiegel und die Jungle World.

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