Deutsche Politiker stolpern von einer Blamage in die andere  

Von Michael Guttmann

Dies ist eine Fortsetzung des Artikels „Niemand hat die Absicht eine Atombombe zu bauen“ (JR November 2017). Darin berichtete ich über die verlogenen Aussagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel vor der UNO: Der JCPOA-Vertrag könne als Beispiel für Verhandlungen mit Nordkorea dienen; die Bundesregierung wünsche zwar ein anderes Verhalten des Irans im Syrienkrieg, seine Verpflichtungen im Atomdeal aber halte der Iran ein. Wir in der EU seien uns in Sachen JCPOA einig. Nur Trump bemängele diesen Deal.

Mittlerweile hat der Iran selbst die Öffentlichkeit informiert, dass Präsident Macron im Gegensatz zu Deutschland forderte, den Vertrag um den Bereich der ballistischen Trägerraketen zu ergänzen. Iran stellt damit seine deutschen Unterstützer, die der UNO Einheitlichkeit innerhalb der EU vorgegaukelt haben, als Lügner bloß. Indessen hat sich auch im Nahen Osten einiges getan, was führenden Politikern der gescheiterten Groko peinlich sein dürfte.

Zuckerbrot und Peitsche
Zunächst zum Iran. Führende Regimevertreter wenden sich an Europa: „Unsere ballistischen Raketen sind nicht auf Sie gerichtet. Beschäftigen Sie sich nicht mit unserem Raketenprogramm. Das geht Sie nichts an.“ Was anderes kann daraus geschlossen werden als eine kategorische Ablehnung jeglicher Mitwirkung von außen?
Anlass für die öffentliche Verweigerung waren die Forderungen des französischen Präsidenten vom 29. August 2017. Diese wurde in Form einer „doppelten Klarstellung“ veröffentlicht:

1. der offiziellen staatlichen Position, vorgetragen vom persönlichen Berater des Ober-Ayatollah Chamenei.

2. Verlockungen und Versuchungen, vorgetragen vom Vorsitzenden des Parlamentausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik.

Der erste Sprecher droht Frankreich direkt mit einem Anschlag auf seine nationalen Interessen im Nahen Osten, sollte es den Kurs der Einmischung fortsetzen.

„Es ist nicht vorteilhaft für Macron und für Frankreich, sich in die strategischen Angelegenheiten des Irans einzumischen. Der Iran bittet nicht um die Erlaubnis Fremder, die Reichweite seiner Raketen zu bestimmen. Wer ist dieser Macron, dass er sich einmischt?“

Der zweite Sprecher schmeichelt mehr um Verständnis:

„Iran hat die Reichweite seiner Raketen schon auf 2000 Kilometer reduziert, so dass Europa keinesfalls bedroht ist. Diese Reichweite genügt, um die US-Streitkräfte im Nahen Osten abzuschrecken, was ebenfalls Europas Interessen vor Übergriffen durch die USA schützt. Irans ballistische Raketen sind nur gegen Israel und die Interessen der USA im Nahen Osten gerichtet. Iran kann auch Raketen mit größerer Reichweite herstellen, um Militärbasen der USA und ihrer Verbündeten anzugreifen. Iran unterscheidet nicht zwischen USA und seinem zionistischen Verbündeten, ergo können wir außer US-Militärbasen auch die besetzten Gebiete attackieren. Iran kann das zionistische Regime auch mit konventionellen Waffen auslöschen. Iran braucht gar keine Atombomben. Sie besitzt die Technologie, ballistische Raketen auch mit über 2000 Kilometer Reichweite herzustellen, aber es ist nicht unsere Strategie. Unsere Raketen dienen nur der Verteidigung und nicht dem Angriff. Sie sind nicht geeignet für den Transport von nuklearen Waffen. Eine Flotte von Transportflugzeugen besitzt der Iran nicht. Wenn es gelingt, den Europäern diese Strategie klarzumachen, werden sie unsere Raketen akzeptieren und sogar verteidigen, wie sie es bei JCPOA praktiziert haben. Europa wird erkennen, dass seine Kooperation mit dem Iran sich nicht nur für seine Wirtschaft, sondern auch auf militärischem Gebiet lohnt. Und schließlich werden sie die Interessen des Iran in Irak, Syrien, Libanon, Afghanistan und Jemen offiziell anerkennen. Schon heute haben sie die Entmachtung Assads als Vorbedingungen für Friedensverhandlungen fallenlassen. Umgekehrt gilt, wenn wir uns Europa verweigern, hätten sie es leichter, sich der extremem US-Politik zu nähern…“

Wenn solche Verlockungen Politiker der abgestraften Groko erreichen, könnten sie neue Konfliktfronten (USA – Europa) eröffnen. Vielleicht wird Merkels Erkenntnis, „dass die EU sich nicht länger auf die USA verlassen können“ bei den Ayatollahs auf offene Ohren stoßen.

Der Fall Hariri
Der gemäß dem religiösem Proporz des libanesischen Staatssystems amtierende sunnitische Ministerpräsident Saad Hariri suchte das Weite. Naheliegend ist die Lebensbedrohung Hariris durch die schiitische Hisbollah. Er selbst hat diese Erklärung der Presse und später Präsident Macron gegeben. Hariris Vater bezahlte seine Distanz-Politik zu Syrien und zur Hisbollah mit dem Leben (er wurde 2005 bei einem Bombenanschlag getötet). Die Hisbollah ist längst ein Staat im Staate. Dass die Saudis Hariri gefangenhalten, wurde gemutmaßt. Saudi-Arabien, der Förderer des islamischen Terrors, rief empört seinen Botschafter aus Berlin zurück – ein „Geschenk“ für die Ayatollahs im Iran, den konkurrierenden Förderern des islamischen Terrors.

Indessen wird die Welt Zeuge eines Angriffes auf Saudi-Arabien mit iranischen Raketen (Anfang November 2017 flog eine Rakete aus dem Jemen auf die saudische Hauptstadt Riad zu, sie kam mutmaßlich von den vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen). Hat man je gehört, dass die Saudis das iranische Territorium terrorisieren? Ob die Raketen aus Richtung Iran oder Jemen in Riad einschlugen – die Verantwortung für diese Kriegshandlung ist doch in beiden Fällen klar – nur unseren Politikern nicht.

Was der Iran bisher im Nahen Osten angerichtet hat, übertrifft alle Kriterien der Aggression und Expansion unserer Zeit. Wir sehen heute, dass der JCPOA-Deal mit dem Iran der Ayatollahs ein Flop war, dass er dem Wettrüsten im Nahen Osten einen enormen Vorschub leistet und die Verbreitung der Nuklearwaffe nicht eindämmen kann. Deutsche Außen- und Sicherheitspolitik leidet zunehmend an Illusionen und mangelnden diplomatischen Grundsätzen. Vor lauter falscher Parteinahme und Einseitigkeit ist den taumelnden Politikern aus der Groko-Ära ihr Gleichgewicht verlorengegangen.

Noch sondiert und sondiert sich diese gescheiterte und von den Wählern abgestrafte Groko, denn es sind viele Fehler auch in der Sicherheits- und Außenpolitik aufzuarbeiten. Parteien, die keine Alternativen für politisch überholte Sichtweisen und alte Führungskräften sehen, erinnern an die Argumentationsweisen aus der Propaganda des Politbüros der DDR. Gelingen wird ein Neuanfang in Deutschland erst wenn die alten Bruchpiloten, die für das Menetekel Verantwortung tragen, ebenfalls aussondiert werden.
Von alleine werden sie nicht gehen.

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