Juli 7, 2017 – 13 Tammuz 5777
Erst die Samstagsleute, dann die Sonntagsleute

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Nachdem Vertreibung und Morden an den Juden in arabischen Ländern, ereilt die Christen nun ein ähnliches Schicksal  

Von Stefan Frank

Über 30 Christen wurden am Himmelfahrtstag in Ägypten bestialisch ermordet. Wie viele solcher Massaker wird es noch geben, bis die Menschheit begreift, dass das, was da passiert, nicht einfach „Terrorismus“ ist, sondern Völkermord?

Ein Buskonvoi von Christen war unterwegs zum Kloster St. Samuel in al-Minyia, 250 km südlich von Kairo. Bewaffnete hielten die Busse an und forderten die Insassen auf, auszusteigen. Dann forderten sie die Herausgabe von Schmuck, Geld und Mobiltelefonen und verlangten von den Christen, zum Islam überzutreten, also die Schahada zu sprechen: „Ich bezeuge: Es gibt keinen Gott außer Allah und ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist.“ Alle Christen hätten sich geweigert und gesagt: „Wir sind Christen“, berichtet Bruder Azra Fakhry, der Vikar der Erzdiözese Maghagha und El-Idwa gegenüber World Watch Monitor. Die Christen wurden dann der Reihe nach durch einen Schuss in den Kopf oder den Hals getötet, auch die Kinder.

Im Februar hatte die Gruppe „Islamischer Staat in Ägypten“ ein Video veröffentlicht, in dem sie verkündete, ihre Angriffe auf Christen verstärken zu wollen. Ein Maskierter mit Kalaschnikow sagt darin: „Allah hat uns Befehl gegeben, jeden Ungläubigen zu töten.“ „Anbeter des Kreuzes, die Soldaten des Staates haben euch im Blick“, sagt ein anderer.

Bis vor kurzem nannte sich die Organisation „Islamischer Staat Provinz Sinai“; bevor sie im November 2014 dem Islamischen Staat ihre Gefolgschaft schwor, firmierte sie als „Ansar Beit al-Maqdis“ („Unterstützer des Heiligen Hauses“). Der Sinai ist seit langem eine Hochburg des Terrorismus; die Halbinsel ist anderthalbmal so groß wie die Schweiz, aber nur sehr dünn besiedelt. Aufgrund des Friedensvertrags mit Israel ist sie demilitarisiert. Während des Umsturzes von 2011 wurde die Polizei vertrieben, Terrorgruppen nisteten sich ein.

„Sie wollen alle Christen ausrotten“
Nur von den größeren Massakern erlangt die Weltöffentlichkeit Kenntnis; die regelmäßig an einzelnen Christen verübten Morde bleiben weitgehend unbeachtet. Raymond Ibrahim hat dieser Tage auf der Website des Gatestone Institute die Morde an Christen aufgelistet, die allein im Januar und Februar 2017 in al-Arisch – einer 70 km westlich des Gazastreifens gelegenen Großstadt mit 150.000 Einwohnern – verübt wurden. Die Mordwelle geht in eine ethnische Säuberung über, die Christen fliehen in Scharen aus der Stadt, meistens die gesamte Familie. „Sie verbrennen uns bei lebendigem Leib. Sie wollen alle Christen ausrotten“, sagt eine Frau in einem Video.

Es ist dasselbe, was den Juden in den arabischen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg widerfahren ist. Während der Welle von Pogromen und Vertreibungen, die in einigen Ländern zur offiziellen Politik erhoben wurde, wurden Juden ermordet, Wohnhäuser, Geschäfte und Synagogen in Brand gesetzt. 850.000 Juden verließen in einem Massenexodus die arabischen Länder. Heute leben nur noch ein paar wenige Juden in Tunesien und Marokko, die anderen arabischen Staaten sind „judenrein“, wie es die Nazis nannten. Anders als oft dargestellt, begann diese Gewalt vor der Staatsgründung Israels: Pogrome fanden etwa 1941 im Irak statt (der sogenannte Farhud mit 175 ermordeten Juden) und im November 1945 in Tripolitanien (175 Ermordete) und auch in Ägypten (fünf Ermordete).

Der einzige Grund, warum heutzutage in arabischen Staaten keine Juden mehr ermordet werden, ist, dass es dort keine mehr gibt. So furchtbar die Gewalt, die die Juden in Israel vonseiten der Terroristen erdulden müssen, ist, so gibt es doch nicht den geringsten Zweifel daran, dass ohne die Gründung Israels weitaus mehr Juden ermordet worden wären. Wer weiß, wie viele der Vertriebenen und ihrer Nachkommen noch am Leben wären?

Es ist Völkermord
Juden werden nicht deshalb immer wieder Ziel von Anschlägen, weil ein paar Leute mit der israelischen Politik nicht einverstanden wären, sondern weil sie Juden sind. Es ist ein Völkermord. Das ist völlig klar, wenn man die UN-Völkermordkonvention zugrunde legt. Merkmale eines Genozids sind demnach:

eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:

a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;
b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;
c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;
d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;
e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Es ist wichtig zu beachten, dass es für den Begriff des Völkermords keine Rolle spielt, wie viele Menschenleben ausgelöscht werden. Er misst sich nicht anhand der Zahl der Leichen, sondern an der Absicht. Wenn jemand Menschen nur deshalb ermordet, weil sie Juden sind, ist es Völkermord. Dasselbe gilt für Morde an Christen wie in Ägypten, Syrien oder dem Irak. Die Täter sind dieselben: Diejenigen, die Juden töten, weil sie keine Muslime sind, töten auch Christen, weil sie keine Muslime sind.

Der Begriff Völkermord tauchte im Sommer 2014 in der Debatte auf, als es um die Ermordung von Christen und Jesiden in Syrien und dem Irak ging. Er wird hingegen kaum oder gar nicht gebraucht, wenn von den Morden an Christen in Ägypten (oder Juden in Israel) die Rede ist. Das ergibt offensichtlich keinen Sinn. Warum ist die Ermordung von Christen in Mossul ein Völkermord, die in Kairo aber nicht? Einige scheinen zu denken, dass zu einem Völkermord die militärische Kontrolle über ein Gebiet gehöre, welche der IS in Teilen des Irak und Syriens hat, in Ägypten hingegen nicht. Das ist nicht logisch. Sowohl die Zielsetzung als auch die Folge sind in beiden Fällen dieselbe: Wenn jemand Christen oder Juden tötet, weil er meint, dass sie kein Recht hätten, zu leben – nicht in einem bestimmten Gebiet oder überhaupt –, dann ist das ein Völkermord, auch wenn er nicht von einer staatlichen oder staatsähnlichen Entität wie dem IS angeordnet und organisiert ist.
„Die Ermordung von Christen in Ägypten oder von Juden in Israel dient keinem Zweck, sie ist der Zweck.“ (…)

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