Juli 7, 2017 – 13 Tammuz 5777
Die neue Israelfeindlichkeit Venezuelas

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Die „DDR tropical“ auf dem Weg in Chaos und Armut  

Von Tobias Käufer

US-Präsident Donald Trump fällt in Venezuela bislang vor allem als Sündenbock aus. „Mr. Trump, lassen sie die Hände von unserem Land“, schimpfte Venezuelas Präsident Nicolas Maduro vor einigen Wochen in Richtung Washington. Die USA, einer der wichtigsten Abnehmer des venezolanischen Öls, führten einen imperialistischen Wirtschaftskrieg gegen sein Land, behauptete der ehemalige Busfahrer Maduro. Washington sei in Wahrheit für die katastrophale Wirtschaftslage im Land verantwortlich, versicherte der Kommunist seinen Landsleuten.

Keine Medikamente, keine Lebensmittel – nicht die venezolanische Regierung, sondern das Ausland ist schuld. Doch Donald Trump, ansonsten um keinen auch noch so unpassenden Spruch verlegen, ignoriert Venezuela bislang konsequent. Keine noch so gezielte Provokation aus Caracas kann Trump aus der Reserve locken, ihn scheint die dramatische innenpolitische Krise in dem südamerikanischen Land bislang nur einmal wirklich interessiert zu haben. Als Lilian Tintori, die attraktive Ehefrau des inhaftierten Oppositionspolitikers Leopoldo Lopez, in Washington um Unterstützung im Kampf um die Freilassung ihres Mannes warb. Immerhin ein gemeinsames Foto rang Tintori dem neuen US-Präsidenten ab. Ansonsten aber zeigt Trump allen Anwürfen aus dem Präsidentenpalast Miraflores in Caracas die kalte Schulter.

Vor ein paar Tagen sorgte ein Hubschrauberflug in der venezolanischen Hauptstadt für Aufregung. Ein Schauspieler und Polizist namens Oscar Perez mit dubiosem Hintergrund hatte einen Helikopter der Polizei entführt und war über einige Regierungsgebäude geflogen. Nach offiziellen Angaben sollen dabei aus dem Hubschrauber Schüsse abgegeben und Granaten abgeworfen sein. Maduro verurteilte sofort den spektakulären, aber letztendlich vergleichsweise harmlosen Überflug als „terroristischen Putschversuch“. Internationale Medien zweifeln diese Version an. Es gäbe Widersprüche, schreibt das in Miami erscheinende Venezuela-kritische Blatt „El nuevo Herald“. Die Opposition wittert eine Inszenierung, um den weiteren Einsatz militärischer Gewalt zu rechtfertigen. Wieder einmal gibt es höchst unterschiedliche Interpretationen des gleichen Vorfalls.

Noch während im Staatsfernsehen die Ermittlungsbehörden dabei waren die Spuren zu sichern, hatte Maduro schon sein Urteil gefällt. Schuld sei die Opposition. In Rekordzeit präsentierte die Regierung „Beweise“ und Indizien. Wenig später erweiterte die Regierung das Täterprofil. Inzwischen war nicht nur die Opposition schuld, nun hängen noch zwei andere Länder mit drin: Israel und Kolumbien.

Zumindest beim Nachbarland Kolumbien überrascht diese These, hatte Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos doch nahezu zeitgleich etwas anderes Historisches zu tun: Es galt nach vierjährigen erfolgreichen Verhandlungen die Entwaffnung der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC zu feiern, die ehemaligen Feinde reichten sich die Hand. Auch mit der marxistischen ELN-Guerilla plant Santos einen ähnlichen Coup. Sowohl FARC als auch ELN sind Venezuela eng verbunden.

Kommunikationsminister Ernesto Villegas ließ derweil die Nation wissen, dass bei dem „Putschversuch“ vier Granaten „Made in Israel“ kolumbianischer Herkunft verwendet worden seien. Das reichte, um zumindest in einigen lateinamerikanischen Medien, Israel in den Fokus zu rücken. „Maduro verwickelt Israel und Kolumbien in Attacke der Putschisten“, vermeldete Bogotas populärer Radiosender Santa Fe anschließend erschrocken. Schon machte die Nachricht in den sozialen Netzwerken die Runde.

Ein arabischstämmiger Vize-Präsident in Südamerika
Israel blickt seit einigen Monaten ohnehin mit einiger Sorge nach Caracas. Dort ist mit Vize-Präsident Tareck El Aissami ein Mann in die Führungsspitze des Staates aufgerückt, dem beste Kontakte zur Drogenmafia und zur Hisbollah nachgesagt werden. Erst vor wenigen Tagen wurden Vorwürfe laut, El Aissami würde bei Lebensmittelimportanten durch einen Strohmann kräftig mitverdienen. El Aissami selbst weist die Vorwürfe vehement als „Lügen des Imperiums“ zurück. Genau dieses Imperium, in diesem Fall ist die CIA gemeint, soll auch in den angeblichen Putschversuch mit dem Hubschrauber verwickelt sein. Maduro folgt offenbar einer altbekannten innenpolitischen Weisheit: Gibt es im eigenen Land Probleme, so zettele einen außenpolitischen Konflikt an!

Auch ansonsten blickt Maduro gerne in Richtung Tel Aviv und Jerusalem, denn nach seiner Lesart verbindet Venezuela mit Israel offenbar das gleiche Schicksal. „Wir sind die Juden des 21. Jahrhunderts“, verkündete Maduro jüngst seiner verblüfften Zuhörerschaft im Staatsfernsehen. Gemeint waren damit jüngste Protestaktionen von Exil-Venezolanern, die im Ausland lebende Funktionäre und Unterstützer der venezolanischen Regierung in der Öffentlichkeit immer wieder kritisieren und auf die schweren Menschenrechtsverletzungen im Land hinweisen. Auch ansonsten fühlt sich Maduro vom Rest der Welt ungerecht behandelt. Die internationalen Medien berichteten falsch, Lügen würden verbreitet. Die jüdische Gemeinde in Venezuela war fassungslos und wies in einer Stellungnahme die Aussagen Maduros entrüstet zurück. Venezuelas jüdische Gemeinde zählte vor Jahren noch 25.000 Mitglieder, allerdings soll fast die Hälfte das Land in Folge der wirtschaftlichen und politischen Krise verlassen haben. Maduros Vorgänger, der 2013 an Krebs verstorbene Revolutionsführer Hugo Chavez, hatte gegenüber Israel stets einen harten Kurs gefahren. Der israelischen Regierung warf Chavez vor, einen Völkermord an „Palästinensern“ verübt zu haben. Im Zuge der Vorwürfe verschlechterte sich das Klima in Venezuela gegenüber der jüdischen Gemeinde. Im Jahr 2009 wurde die Synagoge in Caracas Opfer von Vandalen.

„Wenn wir es nicht mit den Stimmen schaffen, dann machen wir es mit Waffen.“
In Venezuela bleibt die aktuelle Situation bisweilen dramatisch. Die Nichtregierungsorganisation „Foro Penal“ listet nahezu täglich die Folgen der Massenproteste auf. Bislang wurden seit April mehr als 80 Menschen getötet, rund 1.400 Menschen verletzt. Insgesamt wurden fast 4.000 Menschen verhaftet, derzeit gibt es derzeit 391 politische Gefangene. Inzwischen stehen hunderte Demonstranten von Militärgerichten. Und der Kampf um die Revolution hat laut Maduro gerade erst richtig begonnen. Bevor es zu dem spektakulären Hubschrauberflug kam, hatte er eine unmissverständliche Warnung an die Opposition gerichtet. „Wenn Venezuela in Chaos und Gewalt gestürzt und die bolivarische Revolution zerstört werden soll, werden wir in den Kampf ziehen“, sagte Maduro und erklärte sogleich der Demokratie in seinem Land ganz offen den Krieg: „Wenn wir es nicht mit den Stimmen schaffen, dann machen wir es mit Waffen.“

Die Proteste gegen die Regierung Maduro brachen aus als die Justiz Anfang April versuchte das Parlament, in dem die Opposition seit den Wahlen 2015 die Mehrheit hat, auf juristischem Wege zu entmachten. Maduro regiert seit Jahren mit Hilfe von Sonderdekreten und Ausnahmezustand gegen die Parlamentsmehrheit. Zudem sind seitdem keine Regional- und Kommunalwahlen mehr durchgeführt worden, obwohl diese längst überfällig sind. Stattdessen ordnete Maduro die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung an. Dies lehnt die Mehrheit der Venezolaner nach Umfragen ab.

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