Wird Abbas jetzt seine politischen Gegner im Ausland verhaften können?  

Von Leonid Rosenthal

Vor einigen Tagen eröffnete der chinesische Präsident Xi Jinping in Peking feierlich eine viertägige Jahreshauptversammlung der unter der Bezeichnung „Interpol“ weltweit bekannten Internationalen kriminalpolizeilichen Organisation mit 1.000 hochrangigen Delegierten und Ministern aus 156 Staaten.

Die jedes Jahr an einem anderen Ort der Welt stattfindende Veranstaltung erweckte auch diesmal trotz ihrer strengen Sicherheitsvorkehrungen und der hohen Dienstgrade ihrer Teilnehmer kein besonderes Medieninteresse, zumal die Mehrheit der aus aller Welt angereisten Beamten die Öffentlichkeit zu scheuen scheint.

Das diesjährige 86. Treffen der Interpol-Vertreter ist indes geeignet, ernstzunehmende Auswirkungen auf den israelisch-„palästinensischen“ Konflikt und schwerwiegende Folgen für Israel und seine Unterstützer zu haben.

Versteckte Gefahr
Unter der auf den ersten Blick nichtssagenden behördlichen Bezeichnung „Resolution No. 13 - GA-2017-86-RES-13“ verbirgt sich die latente Gefahr einer weltweiten Verfolgung von Verteidigern israelischer Interessen, die bei der „palästinensischen“ Führung in Ungnade gefallen sind. Die Generalversammlung von Interpol verabschiedete nämlich unter diesem Aktenzeichen einen Beschluss, nach dessen Wortlaut „der Staat Palästina“ vollständiges Mitglied von Interpol geworden ist. Als zweites neues Mitglied wurde der seit 1978 unabhängige Südsee-Inselstaat Salomonen aufgenommen, so dass die Zahl der Interpol-Mitglieder nunmehr auf 192 gewachsen ist.

Der Entscheidung der Generalversammlung ist eine schriftliche Erklärung der „palästinensischen“ Führung vorangegangen, wonach „Palästina“ die verfassungsmäßigen Ziele von Interpol teilt und sich verpflichtet, die Organisation nicht für politische, militärische, rassische oder religiöse Eingriffe zu missbrauchen. Dieses Versprechen wurde begleitet von einem persönlichen Treffen zwischen dem „palästinensischen“ Polizeichef Hasem Atallah und dem deutschen Generalsekretär von Interpol, Jürgen Stock, im August dieses Jahres.

Die Warnung Israels und seiner 23 Unterstützer innerhalb der Generalversammlung ist im Verhältnis zu den Stimmen der anderen 75 Interpol-Mitglieder ungehört verhallt.

Die bisherige Kritik an den „palästinensischen“ Sicherheitsdiensten lässt jedoch befürchten, dass eine schriftliche Zusicherung keine Garantie für die Einhaltung von Menschenrechtsstandards ist. Zumal seit Jahrzehnten kritisiert wird, dass „palästinensische“ Behörden sich von Clans und Terrororganisationen nicht loslösen können. Die „palästinensische“ Polizei wird regelmäßig mit Korruption, Folter und anderen schwersten Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht.

Die jahrelangen Bemühungen „Palästinas“ haben mit dieser Entscheidung der Generalversammlung zu einem wichtigen Erfolg geführt. Nunmehr haben es die „palästinensischen“ Führer in der Hand, missliebige Gegner zu einer weltweiten Fahndung über das Interpol-System auszuschreiben.

Die Veröffentlichung einer sogenannten Red Notice, die in der Regel ohne weitere Prüfungen automatisch erfolgt, führt für die Betroffenen zu der Gefahr der sofortigen Verhaftung an jedem noch so abgeschiedenen Ort der Erde. Das Instrument Red Notice ist entwickelt worden, um gesuchte Verbrecher zu lokalisieren und ihre Festnahme zu ermöglichen, so dass sie an den Ort des für sie zuständigen Gerichts ausgeliefert werden können. Die Folgen des Freiheitsentzuges, der auch bei einer nur wenige Tage andauernden Inhaftierung mit familiärem Leid einhergeht und existenzbedrohlich sein kann, bleiben üblicherweise irreversibel.

Nationale und internationale Gerichte dieser Welt sind aufgrund der Immunität von Interpol für Streitigkeiten mit der Organisation über die Rechtmäßigkeit von Fahndungsersuchen und ihre Folgen nicht zuständig. Die Betroffenen sind auf die interne Überprüfung ihrer Beschwerden durch die sogenannte Kommission für die Kontrolle von Interpol-Akten verwiesen. Die juristische Form der weltweit größten Polizeiorganisation ist dabei die eines klassischen, im französischen Lyon eingetragenen privatrechtlichen Vereins, so dass die Gegner der „palästinensischen“ Führung nur hoffen können, dass der Verein bzw. seine unabhängige Kommission ihre Rechte ausreichend zu schützen in der Lage ist.

Vorbild Erdogan?
Auch wenn Interpol das Risiko einer rechtswidrigen Instrumentalisierung durch diktatorische Regime schon vor mehreren Jahren erkannt hat und an der Ausarbeitung und Verbesserung von Mechanismen gegen eine Manipulation arbeitet, werden immer wieder Beschwerden betroffener Oppositioneller und Regimekritiker laut, wonach Unrechtsstaaten und Despoten das Interpol-System als ein Instrument der politischen Verfolgung missliebiger Gegner missbrauchen. Ein jüngstes prominentes Beispiel war dabei die Festnahme des in Köln lebenden Schriftstellers Dogan Akhanli im August dieses Jahres. Erst die Intervention der internationalen Gemeinschaft führte zu der Freilassung des türkischstämmigen Autors und Löschung der Red Notice.

In einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung vom 22. August 2017 machte beispielsweise die ehemalige Justizministerin Däubler-Gmelin auf das Risiko aufmerksam, dass autoritäre Regime durch den Missbrauch des Interpol-Systems in der Lage sind, ihre politischen Gegner im Ausland festzusetzen und der Freiheit zu berauben. Vorangegangen war eine entsprechende Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zur Notwendigkeit der Einführung geeigneter Mechanismen zur Verhinderung eines solchen Missbrauchs des Interpol-Fahndungssystems. Denn auch der Europarat hat erkannt, dass Interpol und sein Red Notice System von einigen Mitgliedstaaten dazu missbraucht werden, Meinungsfreiheit und die politische Opposition auch außerhalb ihrer Landesgrenzen zu unterdrücken. (…)

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