Dezember 8, 2017 – 20 Kislev 5778
Der iranische Eroberungszug im Nahen Osten

image

Nach dem Untergang des IS unterstützen Deutschland und die EU den Iran beim Auffüllen des entstandenen Machtvakuums  

Von Ulrich Jakov Becker

Vor ein paar Jahren gab es hier in Israel eine Zeit, wo ein großer Krieg in der Luft lag. Man bekam neue Gasmasken, machte mehr Sirenen-Übungen, die Damen mussten noch mehr als sonst die Familien alleine bewältigen, weil die Herren öfter im Reservedienst für den Krieg üben mussten, und in den Nachrichten konnte man sich die Analysen der Spezialisten anhören, wann es denn nun soweit sein könnte und wie viele Tote es wohl geben werde.

Das Gute ist: Der Krieg ist nicht ausgebrochen.
Das Schlechte ist: Diese Zeiten scheinen jetzt zurückzukommen.

Man könnte sagen, dass der sich der damals anbahnende iranisch-israelische Krieg (einschließlich Hisb’Allah, Hamas und Co.) vom arabischen „Frühling“ unterbrochen wurde und man eine allgemeine „IS-Pause“ einlegte.
Israel war damit beschäftigt die diffusen Entwicklungen im blutrünstigen „Dschungel“ um es herum genau zu verfolgen und nicht in einen kleinen Grenzkrieg abzurutschen oder von großen IS-Terroranschlägen überrascht zu werden, während der Islamische Staat sich im Sinai und im Golan festsetzte, und auch zunehmend Herzen, Messer und Maschinenpistolen bei den „Palästinensern“ und israelischen Arabern für sich gewann.

Der Iran und die Hisb’Allah hatten alle Hände voll zu tun, die zwar absolut grausame, aber militärisch nicht strategisch starke Terrormiliz – im Irak mit Hilfe der amerikanischen Luftwaffe und westlichen Spezialeinheiten, und in Syrien mit Hilfe der russischen Luftwaffe und russischen Spezialeinheiten – abzubremsen, um sich dann Stück für Stück den zusammenfallenden IS-Kuchen einzuverleiben.

Was bleibt vom IS?
Der IS besteht heute nur noch aus einem Zipfel seines vorübergehenden Flächenstaates – eingekeilt zwischen Irak und Syrien, umzingelt von Assads und der irakischen Armee, schiitischen und kurdischen Milizen, iranischen, russischen, amerikanischen, israelischen und anderen Beratern oder Spezialtruppen.

„Der Böse ist tot, wir können nach Hause gehen!“ Sollten jetzt nicht die „Nachkriegsjahre“ anfangen, Schluss mit dem Blutvergießen, Sehnsucht nach Ruhe und Banalität? Wiederaufbau und Wirtschaftswunder im Nahen Osten? Nicht in diesem Winkel der Erde!

Je mehr der IS als wirklich oder herbeigeredeter ernstzunehmender Faktor von der nahöstlichen Bildfläche verschwindet, desto mehr drängeln sich regionale Machtinteressen mit gezückten Säbeln in den Raum.

Rakka, die Hauptstadt des Islamischen Staates, fiel nach fünf Monaten von Kämpfen offiziell am 16. Oktober 2017. Kein Tag verging danach bevor die großen Machtverschiebungen und sichtbaren Interessenskämpfe losgingen, bei denen momentan ein Ereignis das nächste jagt.

Iran-treue Truppen nahmen das kurdisch beherrschte Kirkuk ein
Am 16. Oktober fiel nämlich nicht nur Rakka, sondern auch Kirkuk.
Iran-geführte Truppen mit „schiitischen Milizen“ und irakischer Armee eroberten in einem Blitzschlag die zentrale und ölreiche kurdisch kontrollierte Kirkuk-Region samt ihrer Hauptstadt mit fast einer Million Einwohnern. Die Kurden hatten in jahrelangen Kämpfen den IS Stadt für Stadt und Dorf für Dorf zurückgedrängt – als „Partner“ der irakischen Regierung, welche wiederum stark vom Iran beeinflusst ist.

Jetzt – sobald der IS besiegt war, und man die Kurden nicht mehr brauchte – wendete sich die iranische Militärmaschine gegen seine Bündnispartner von gestern. Für die Kurden und ihre Unabhängigkeitsbestrebungen war dieser Tag ein Schock, eine Katastrophe, ein Trauma. Die Iraner hatten die Kurden mit großer Geschwindigkeit und Masse überwältigt und sie auch durch interne Intrigen verschiedener kurdischer Gruppen gegeneinander ausgespielt und geschwächt.

Das Referendum der Kurden Ende September hatte Hoffnungen auf einen greifbar nahestehenden Staat Kurdistan geweckt. Die Kurden hatte es in ihrem langen, verlustreichen Kampf geschafft ein territorial verbundenes Gebiet von Nordsyrien bis Nordirak zu schaffen. Israel war der erste Staat, der seine Unterstützung für einen kurdischen Staat im Nordirak betonte und unterstützte die Kurden auch konkret, während viele Kurden wiederum Israel bewundern – als ein Vorbild nationaler Selbstbestimmung in dieser schroffen Gegend.

Kurdisches Öl für Israel
Aber die Beziehungen gehen über nette Worte hinaus. Nach einem Bericht der „Financial Times“ kamen 2015 ca. 80 % der israelischen Erdölimporte aus Kurdistan. Und das meiste Öl in Kurdistan kommt aus der Gegend von Kirkuk.

Der Iran nahm dem möglichen zukünftigen Kurdistan mit seinem Schlag am 16. Oktober nicht nur eine bevölkerungsreiche und strategisch wichtige Region, sondern kappte eine milliardenschwere Einnahmequelle der aufstrebenden Nation, versetzte ihr einen moralischen Bauchschlag, schadete dabei auch Israel, und – kaum bemerkt – übernahm zur gleichen Zeit auch fast alle kurdischen Gebiete im so wichtigen, verbindenden Grenzgebiet zwischen Syrien und Irak. Jetzt werden die „zwei Hälften von Kurdistan“, die syrischen und die irakischen Gebiete, nur noch durch ein paar Kilometer Land, und einen Grenzübergang über den Tigris zusammengehalten, während das Gebiet vom Süden iranisch-irakischer und vom Norden türkischer Gnade ausgesetzt ist.

Die Iraner und die Iraker machen erstmals seit 1979 gemeinsame Manöver
Die irakische und die iranische Armee hatten Anfang Oktober im syrisch-irakisch-türkischen Grenzgebiet eine große gemeinsame „Übung“ als Zeichen gegen die Kurden abgehalten. Zwei Wochen später wehte dort keine kurdische Fahne mehr.
Übrigens – was macht der Irak jetzt mit dem Öl von Kirkuk? Es dauerte nur wenige Wochen, bis Iran und Irak feierlich verkündeten, dass das Öl aus der Kirkuk-Region jetzt nach Iran verkauft wird.

Die USA griffen nicht ein und blieben still. Der Iran kam der Verwirklichung seines Plans vom schiitischen Halbmond vom Libanon, über Syrien, Irak, Iran bis nach Afghanistan also noch einen Schritt näher.

Die Syrer sind plötzlich angriffslustiger geworden
Israels wurde strategisch getroffen. Und noch etwas passierte am 16. Oktober: Israelische Aufklärungsflugzeuge auf Routinemission über dem Libanon wurden von syrischen Luftabwehrraketen beschossen. Israel hielt nicht still und zerstörte die Luftabwehrbatterie in Syrien: Das waren Kampfhandlungen zwischen Israel und Syrien, wie es sie seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hatte. Woher hatte Syrien plötzlich die Angriffslust, die es seit Beginn seines Bürgerkrieges nicht gezeigt hat?

Der Krieg gilt als gewonnen und der große Iran und auch Russland stehen hinter Syrien. Es scheint der Iran wolle auch versuchen Israel mit Hilfe von Russland davon abzuschrecken, regelmäßig sein Raketenprogramm in Syrien zu bombardieren. Anfang November hat Israel offenbar eine große Raketenfabrik bei Homs vernichtet. Nach dem israelischen Fernsehen, war gleichzeitig fast die gesamte israelische Luftwaffe in der Luft und große Truppenverbände waren kampfbereit (bei einer „Übung“) im Golan. Es gibt mehr Provokationen auf der syrischen Seite und erst in den letzten Tagen hat Israel mehrmals mit Panzern verbotene, neu errichtete, syrische Armeestützpunkte in der entmilitarisierten Zone beschossen. (…)

Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.


Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" hier online mit der Lieferung direkt an Sie per Post bestellen oder jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke