Mai 13, 2015 – 24 Iyyar 5775
100 Jahre Völkermord an den Armeniern 1915

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Jüdische Autoren retteten die Ermordeten vor dem Vergessen  

Von Manuel Gogos

„Alle haben die Todeskolonnen gesehen. Und trotzdem wollen sie nichts begreifen. – Sie glauben nicht, dass ihr imstande seid, ein ganzes Volk auszurotten. Sie wissen nicht, dass es nur der Vorgeschmack ist von dem, was sie wirklich erwartet. – Du sprichst von der endgültigen Lösung? – Davon spreche ich.“

Es scheint eindeutig, von welchem Volk hier die Rede ist, denn welches andere Volk wäre jemals Ziel eines totalen Auslöschungs-Wahns geworden, als das jüdische? Und doch handelt Edgar Hilsenraths großes Epos „Das Märchen vom letzten Gedanken“ nicht, wie seine anderen berühmten Werke „Nacht“ und „Der Nazi und der Friseur“, von seiner eigenen Verfolgungserfahrung unter den Nationalsozialisten, die ihn, 1926 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Leipzig geboren, dazu zwang, 1938 mit seiner Mutter und dem Bruder zu den Großeltern in die Bukowina fliehen. Vielmehr handelt „Das Märchen vom letzten Gedanken“ vom Schicksal der Armenier um 1915, als die nationalistische Bewegung der Jungtürken versuchte, das ehemalige osmanische Vielvölkerreich aus Armeniern, Pontosgriechen und Juden in einen ethnisch homogenen türkischen Nationalstaat mit pantürkischer Ideologie umzuschmelzen. Edgar Hilsenrath hat selbst erklärt, welches das zentrale Anliegen seines Romanwerks sei: „Es ist sehr viel geschrieben worden über die Verbrechen der Deutschen während des Nazireiches. Es ist aber gar nicht geschrieben worden über die Verbrechen der Türken während des Ersten Weltkriegs. Während des Ersten Weltkriegs haben sie ein ganzes Volk ausgerottet, und zwar die Armenier. Das ist ziemlich unbekannt. Die Türkei leugnet bis heute und sagt, es wäre nie geschehen. Das ist der totgeschwiegene Völkermord.“

20 Jahre lang hat der Autor Edgar Hilsenrath die armenischen Quellen studiert, in San Francisco, oder der Berliner Staatsbibliothek. Ausgangspunkt von Hilsenraths Recherchen war Franz Werfels berühmter Roman „Die 40 Tagen des Musah Dag“, ebenfalls verfasst von einem jüdischen Autor im Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933, bereits 1934 aufgrund von § 7 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz des Deutschen Volkes wegen „Gefährdung öffentlicher Sicherheit und Ordnung“ verboten. Werfels Roman kann wie eine vorweggenommene Antwort gelesen werden kann auf Adolf Hitlers gut dokumentierte Geheimrede auf dem Obersalzberg am 22. August 1939, in der es ihm darum ging, die Wehrmachtssoldaten wenige Tage vor dem Überfall auf Polen von allen zivilisatorischen Skrupeln zu befreien: „Wer spricht denn heute noch von der Vernichtung der Armenier?“

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