Oktober 6, 2018 – 27 Tishri 5779
Wie die SPD die Grenzen des Sagbaren verschob

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Die Genossen von Schulz bis Gabriel bereiten der anti-israelischen Stimmung in Deutschland den Boden  

Von Gerd Buurmann

In der ARD-Talkshow „Anne Will“ vom 16. September war auch Martin Schulz (SPD, Mitglied des Bundestages) zu Gast.

Zum Thema Antisemitismus erklärte der ehemalige Bundeskanzlerkandidat Martin Schulz am 16. September 2018 bei „Anne Will“:

„Wir müssen konsequenter werden im Alltag. Ich will Ihnen eine Erfahrung, die ich auf europäischer Ebene gemacht habe, nochmal schildern, weil ich glaube, dass man daraus für Deutschland Konsequenzen ziehen kann. Eine Strategie der extremen Rechten, auch der Antisemiten ist die tägliche Provokation, jeden Tag eine. Und jeden Tag austesten, wie kann ich die rote Linie einen kleinen Schritt weiter nach vorne schieben. Das erleben wir im deutschen Bundestag jeden Tag. Und ein Stück der Strategie besteht darin, einen Verschleißprozess herzustellen. Bei der ersten Provokation reagieren noch alle, bei der zweiten Provokation auch noch, bei der dritten geht schon die Debatte los, wir können nicht jedes Mal reagieren. Bei der vierten Provokation verschleißt es sich. Bei der fünften ist die rote Linie nach vorne geschoben. Deshalb glaube ich, dass man im Bundestag, am Arbeitsplatz, im Bus, auf der Straße, im Fußballstadion, egal wo, viel energischer werden muss, also im Alltag, als wir es sind.“

Mit diesen Worten hat Martin Schulz sich selber überführt, denn wenn es um das Verschieben der roten Linie in Sachen Antisemitismus geht, hat er eifrig auf europäischer Ebene mitgeschoben.

Am 23. Juni 2016 war Machmud Abbas zu Gast im Parlament der Europäischen Union. Er nutzte seine Rede, um zu schauen, wie sehr er die rote Linie nach vorne verschieben konnte. Er verbreitete offen im Parlament die aus dem Mittelalter bekannte Lüge vom brunnenvergiftenden Juden. Er behauptete, es gäbe gewisse Rabbiner, die beauftragt hätten, Brunnen zu vergiften.

All das war gelogen. Es gab diese Rabbiner nicht. Juden vergiften heute so wenig die Brunnen wie im Mittelalter. Am Ende der Rede gab es dennoch stehenden Applaus vom Parlament. Am 23. Juni 2016 applaudierte sich die Europäische Union zurück ins Mittelalter.

Die Juden als Brunnenvergifter
Der Brunnenvergiftervorwurf von Abbas war eine derart offensichtliche Lüge, dass selbst Abbas sie nicht lange aufrechterhalten konnte. Nur zwei Tage später, am 25. Juni 2016, veröffentlichte die Presseabteilung von Machmud Abbas eine Stellungnahme, in der eingeräumt wurde, dass es die Brunnenvergiftung nie gegeben hatte. Martin Schulz hatte die Rede vom brunnenvergiftenden Juden jedoch bereits öffentlich als „inspirierend“ gelobt.

So gelang es Abbas im Jahr 2016, die rote Linie erfolgreich nach vorne zu verschieben. Martin Schulz stellte sich damals nicht gegen diese Provokation, nicht am Arbeitsplatz, nicht im Bus, nicht auf der Straße, nicht im Fußballstadion, im Gegenteil: Er lobte die antisemitische Provokation sogar als inspirierend.

Als im Mittelalter die Pest wütete und viele Christen daran starben, erhoben sie den Vorwurf der Brunnenvergiftung gegen Juden. Der Vorwurf fiel nicht zufällig auf Juden, denn lange zuvor waren in ganz Europa sogenannte Judenbilder verbreitet worden, die den sozial ausgegrenzten Juden Heimtücke, Schadenzauber und Verschwörungen gegen die Christenheit zugeschrieben hatten. Außerdem wurden Juden aufgrund ihrer religiös verankerten Hygienevorschriften oft weniger von Epidemien getroffen als die übrige Stadtbevölkerung. Statt aber die Schuld bei sich selbst zu suchen und dem Versäumnis, sauberes Wasser zu erschließen, verfolgten Christen Juden.

Das war das Mittelalter. Heute ist es nicht viel anders!

Die Juden als Wasserdiebe
In Israel haben Juden ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl moderner Wasseranlagen gebaut. Statt das zu bewundern, wird Israel heute dafür kritisiert, weil Araber keine modernen Wasseranlagen gebaut haben, ganz so als sei es die Schuld der Juden, wenn Araber heute kein sauberes Wasser erschließen wie Christen im Mittelalter. Am 12. Februar 2014 sprach der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, vor dem israelischen Parlament diese Worte:

„Wie kann es sein, dass Israelis 70 Liter Wasser am Tag benutzen dürfen und Palästinenser nur 17?“

Die Zahlen von Martin Schulz waren ein Gerücht, wie er später zugeben musste. Sie entsprangen wie im Mittelalter einer langen Tradition der Verbreitung von Judenbildern, die heute Israelbilder genannt werden müssen. Alex Feuerherdt zeigt in seinem Aufsatz „Israel, die Palästinenser und das Wasser“, dass Martin Schulz‘ Ausführungen reine Lügen und Gerüchte über Juden und Israel sind und beweist zudem, dass Israel nicht nur kein Wasser gestohlen hat, sondern vielmehr Wasser verschenkt hat und zwar an Feinde, die die Vernichtung aller Juden weltweit fordern, wie die Hamas in ihrer Gründungscharta (Artikel 7).

Wenn es um Antisemitismus geht, hat Martin Schulz die rote Linie bereits selbst mehrmals nach vorne verschoben.

Die rote Linie wird immer dann nach vorne verschoben, wenn Israel für etwas kritisiert wird, dass bei allen anderen Ländern nicht kritisiert wird. Sie wird bei Lügen und Gerüchten über Israel nach vorne verschoben, jedes Mal, wenn Israel ein Apartheidsstaat genannt oder mit dem Nationalsozialismus verglichen wird. Mit jeder Aufforderung, Israel zu boykottieren, wird die Linie so sicher nach vorne verschoben wie mit der Aussage, Israel sei die größte Gefahr für den Weltfrieden.

Für diese Verschiebungen der roten Linie braucht es aber keine Rechtsextremen. Diese Arbeit leisten leider teilweise auch Sozialdemokraten wie Martin Schulz und Sigmar Gabriel. Letzterer warf Israel sogar schon Apartheid vor und nannte einen Judenhasser stolz „meinen Freund“, wie man in dem Artikel „Sigmar Gabriel, die Apartheid und ein Lob von der Hamas“ nachlesen kann. Er war mal Außenminister. Martin Schulz hat somit Recht, wenn er sagt:

„Das erleben wir im deutschen Bundestag jeden Tag.“

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