Auf dem Ticket der Linkspartei-Stiftung sollten ursprünglich zwei besonders antisemitische BDS-Referenten auf dem etablierten christlichen Kongress reden. 

Von Stefan Frank (Redaktion Audiatur)

Auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEK), der kürzlich in Dortmund stattfand, sollten am Freitag, 21. Juni, zwei „umstrittene Referenten“ auftreten: Ulrich Duchrow und Farid Esack, eingeladen von der Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linkspartei.

Am Donnerstagnachmittag gab die Leitung des DEK bekannt, dass die Veranstaltung nicht stattfindet. In einem Tweet erläutert sie:

„Wir haben als Kirchentag eine klare Haltung und haben deshalb die Rosa-Luxemburg-Stiftung aufgefordert, die umstrittenen Referenten auszuladen oder die Veranstaltung abzusagen. Die Stiftung hat die für Freitag geplante Veranstaltung abgesagt.“

Das ist eine gute Nachricht – und sicherlich dem Blog „Ruhrbarone“ mitzuverdanken. Dieser hatte am Dienstag gemeldet:

„Auf dem evangelischen Kirchentag … werden gleich zwei prominente Aktivisten der antisemitischen BDS-Kampagne auftreten, deren Ziel die Vernichtung Israels ist. Im Rahmen einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Stiftung der Linkspartei, treten der evangelische Theologe Ulrich Duchrow und Farid Esack, der ,Guru der Boykottbewegung’ auf.“

Vom Twitter-Account des DEK wurden die „Ruhrbarone“ daraufhin der Lüge bezichtigt – die besagte Veranstaltung gebe es gar nicht. Am Donnerstagmorgen schob der DEK einen Tweet nach – der aber inzwischen gelöscht wurde. Er lautete:

„Die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist auf dem ,Markt der Möglichkeiten’ als Aussteller zugelassen. Als solcher führt die Stiftung einen Workshop mit dem Titel ‚Imperien des Mammons oder Wege der Gerechtigkeit’ durch. In unserem Kirchentagsprogramm ist das als ,ein Angebot der Rosa-Luxemburg-Stiftung’ gekennzeichnet. Die genannten Aktivisten sind nicht Teil des vom Kirchentag selbst organisierten Programms. Wir verstehen aber, dass es diesen Eindruck erweckt, da die Veranstaltung – ohne weitere Namensnennung – im Programm auftaucht.“

Die Leitung des DEK schien zu diesem Zeitpunkt noch zu meinen, es so allen recht machen zu können: Die Veranstaltung mit Duchrow und Esack sollte auf dem Gelände des Kirchentags stattfinden, aber dieser wollte dafür nicht verantwortlich sein. Der „Markt der Möglichkeiten“, eine Art moralische Quarantänestation.

Wer sind Ulrich Duchrow und Farid Esack, die auf dem „Workshop“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung („Zugang nur mit Eintrittskarte zum Evang. Kirchentag“, heisst es in einem Flugblatt der Rosa-Luxemburg-Stiftung) über „Imperien des Mammons oder Wege der Gerechtigkeit“ reden sollten, jetzt aber doch nicht dürfen?

Farid Esack: „Israel schlimmer als Apartheid“

Farid Esack machte 2017 in Deutschland Schlagzeilen, als er im Islamischen Zentrum Hamburg (IZH), das als verlängerter Arm des iranischen Regimes gilt, sagte: „Die Idee eines islamischen Staates in Deutschland muss vertreten werden dürfen.“ Das macht ihn offenbar zum idealen Redner auf dem Evangelischen Kirchentag. Einen Spitzenplatz unter denen, die Israel verleumden, hat sich Esack dadurch erarbeitet, dass er Israel nicht bloß mit der Apartheids-Lüge diffamiert – nein, sagt Esack: Israel sei schlimmer. In einem auf YouTube gesprochenen „offenen Brief an das palästinensische Volk“ vergleicht Esack den Staat Israel mit dem Nationalsozialismus:

„Für diejenigen von uns, die unter der südafrikanischen Apartheid gelebt und für die Befreiung von ihr und allem, was sie repräsentiert gekämpft haben, spiegelt Palästina in vielerlei Hinsicht das unvollendete Unternehmen unseres eigenen Kampfes wider. … Warum ist unser Gedächtnis so kurz? Haben unsere jüdischen Brüder und Schwestern vergessen, wie sie selbst gedemütigt wurden?“

Das südafrikanische Apartheidsregime sei viel humaner gewesen als Israel, findet Esack:

„In mehr als einer Hinsicht sehen wir hier in [Israel] etwas, das viel brutaler, erbarmungsloser und unmenschlicher ist als was wir je unter der Apartheid erlebt haben. … Weiße Südafrikaner haben natürlich versucht, Schwarze zu kontrollieren.  Jedoch haben sie nie versucht, die schiere Existenz schwarzer Menschen zu negieren oder sie sich ganz wegzuwünschen, wie wir es hier [in Israel] sehen. Es gab [in Südafrika] keine militärische Besatzung ohne jegliche Rechte für die Besetzten. Uns blieben die barbarischen und diversen Formen kollektiver Bestrafung erspart, in Form von Hauszerstörungen, Verschleppung, der Zerstörung von Obstgärten, die Verwandten von Leuten gehören, die verdächtigt werden, Freiheitskämpfer zu sein. … Die Apartheidsgerichte in Südafrika haben nie Folter legitimiert. Weißen Südafrikanern wurde nie eine Freikarte gegeben, schwarze Südafrikaner zu demütigen, wie sie die Siedler hier offenbar haben. … In Südafrika waren die Weißen eine stabile Gemeinschaft, und mussten sich nach Jahrhunderten einfach mit den Schwarzen arrangieren. … Die zionistische Idee von Israel als einem Platz, wo sich alle Juden versammeln … ist zutiefst problematisch. Es gibt keinen Zwang, sich dem Nachbarn zuzuwenden, die Idee scheint zu sein, die alten Nachbarn loszuwerden, ethnische Säuberung, und die ganze Zeit über neue [Juden] ins Land zu bringen.“

Esack lässt keinen Zweifel daran, dass er die bloße Idee ablehnt, dass die Juden einen eigenen Staat haben sollen.

Duchrow: „Israel ist die Speerspitze des imperialistischen Systems“

Ulrich Duchrow wiederum hat sich zur Teilnahme an dem „Mammon“-Workshop qualifiziert, indem er ein Buch geschrieben hat, das weithin Anerkennung fand als „zutiefst israelfeindliches Machwerk“. Der Verfasser konnte dieses Machwerk (im Unterschied zu zwei anderen, aus denen wir zitieren werden) leider nicht lesen, weil der Verleger Wilhelm Hopf – der das Buch offenbar erst nach Erscheinen gelesen hatte – von dem Inhalt so schockiert war, dass er die Auslieferung gestoppt hat. Was der Deutschlandfunk über Hopfs Reaktion berichtete, sagt allerdings mehr als genug über das Buch:

„Verleger Wilhelm Hopf stört sich vor allem an Passagen aus dem Buch, in dem der BDS-Boykott Israels unterstützt wird und die Hamas als eine ‚seriöse politische Kraft mit großer sozialer Tiefe’ bezeichnet wird.“

Alle folgenden Zitate Duchrows entstammen seinem Aufsatz „Unterdrückung über Ausbeutung hinaus. Das Beispiel Israel/Palästina in theologischer Perspektive“ (der in dem von der Evangelischen Verlagsanstalt mit Förderung der Diakonie Hessen herausgegebenen Sammelband „Armut und Ausgrenzung überwinden“ publiziert wurde) sowie einem Vortrag, den Duchrow am 3. April 2019 in der Evangelisch-Reformierten Kirche Bremen gehalten hat. Duchrow macht Israels Existenz für alle Übel verantwortlich: Für ihn nahm das Unglück bereits mit der Einwanderung von Juden nach Palästina im 19. Jahrhundert seinen Anfang, diese hätten von Anfang an nichts als Raub im Sinn gehabt:

„Die Kolonisten kamen nicht, um Gastfreundschaft und friedliches Zusammenleben zu erbitten. Vielmehr kamen sie mit einer terroristischen Untergrundarmee und auf den Flügeln kolonialistischer Mächte, um die Bewohner aus dem Land zu treiben und sich später mit der einzig verbliebenen Supermacht zu verbinden, um auch weiterhin der schwächeren Gruppe das Land zu stehlen.“

In Duchrows Texten finden sich viele Bilder des klassischen Antisemitismus – etwa Juden als Kriegs- und Krisenprofiteure, Unterdrücker und Ausbeuter:

„Die Wirtschaft Israels braucht keinen Frieden. Das Land kann mehr Gewinne machen, wenn es Güter und Dienstleistungen verkauft, die Menschen unterdrücken und überwachen. Und diese Sicherheitstechnologie wird desto mehr benötigt, je mehr sich der Katastrophenkapitalismus in der Welt ausbreitet, der Massen von Menschen verarmt, den sozialen Zusammenhalt zerstört, und es auf diese Weise notwendig macht, dass sich reiche Individuen, Länder und Gesellschaftsstrukturen bewaffnen und sich durch Waffen, Wälle, Zäune und elektronische Überwachung schützen wie die Festung Europa oder die USA an der Grenze zu Mexiko. So ist Israel die Speerspitze der gegenwärtigen Phase des globalen imperialistischen kapitalistischen Systems.“  (…)

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