September 6, 2018 – 26 Elul 5778
Verstehen wir T’schuwa, Tefila und Tzdaka richtig?

image

Einige Begriffe zu Jom Kippur und Rosch Haschana sind sehr ungenau ins Deutsche übersetzt worden  

Von Rabbiner Elischa Portnoy

Verstehen wir wirklich, was die Wörter „Tfila“, „T‘schuwa“ und „Tzdaka“ tatsächlich bedeuten?
An den Hohen Feiertagen Rosch Haschana und Jom Kippur sind die Gebete lang und abwechslungsreich. Nicht allen Gebeten können wir folgen, nicht immer können wir uns auf die Bedeutung der Wörter in den Gebetsbüchern konzentrieren.

Wenn jedoch der Chasan bei der Wiederholung des Amida-Gebets im Mussaf zum berühmten Abschnitt „Unetane Tokef“ („Wie wollen die Heiligkeit des Tages verkünden“) kommt, sind alle Beter wieder wach. Es ist nicht nur die wunderschöne und herzzerreißende Melodie dieses Abschnitts, die die Menschen aufmerken lassen, sondern sehr spezielle und tief ergreifende Worte, die keinen Menschen kaltlassen können: „Am Rosch Haschana wird man eingeschrieben und am Jom Kippur besiegelt: wie viele hinübergehen und wie viele geboren werden, wer leben wird und wer sterben, wer zu seiner Zeit und wer vor seiner Zeit…“.

Beim Lesen dieses Abschnitts ist es unmöglich gleichgültig zu bleiben und nicht an sein Schicksal und an das Schicksal seiner Verwanden und Liebsten zu denken. Wird es ein gutes Jahr für mich und meine Familie sein? Werden uns Leiden, Rückschläge und Enttäuschungen erspart bleiben? Was, wenn für uns im Himmel schon etwas Schlechtes vorbestimmt wurde? In diesen Minuten würden die Betenden Vieles geben, um das möglicherweise ungünstige Urteil G’ttes für das kommende Jahr doch noch abzuwenden.

Und tatsächlich – am Ende dieses Abschnittes werden uns mehre Möglichkeiten offenbart, um uns doch noch ein gutes Jahr zu verdienen: „Doch T’schuwa (Reue), Tefila (Gebet) und Tzdaka (Wohltätigkeit) wenden das böse Verhängnis ab!“
Ist es tatsächlich so einfach? Und vor allem: verstehen wir die Bedeutung dieser Worte richtig? Ist die Übersetzung dieser Begriffe aus dem Hebräischen optimal und können wir die Tragweite dieser Begriffen tatsächlich nachvollziehen?

Der 7. Ljubawitscher Rebbe Rabbi Menachem Mendel Schneerson (1902-1994) bemerkt, dass gerade diese drei Wörter nicht nur fehlerhaft, sondern oft falsch übersetzt werden und eigentlich das Gegenteil bedeuten!

Betrachtet wir zuerst den wichtigsten Begriff dieser Zeit, „T’schuwa“, der oft als „Reue“ übersetzt wird. Bedeutet „T’schuwa“ aber tatsächlich Reue? Nein, sagt der Rebbe, die Reue ist auf Hebräisch „Harata“ und ist nicht einmal ein Synonym für „T’schuwa“. Denn die Reue wird durch Gewissensbisse verursacht, weil man vor G’tt gesündigt hat oder seine Mitmenschen schlecht behandelt hat. Durch sie möchte man es in Zukunft besser machen, und diese Fehler nicht mehr wiederholen.

Rückkehr statt Reue
Beim „T’schuwa“ ist es ganz anders: dieses Wort bedeutet eigentlich „Rückkehr zu Anfang“, zum Punkt „Null“. Im Chassidismus wird erklärt, dass der Mensch mit einer reinen G’ttlichen Seele geboren wird und dadurch ein positives Wesen ist. Und nur unter den Umständen des Lebens in dieser groben materiellen Welt, mit all seinen Herausforderungen, beginnt man Fehler zu machen und vom geraden Wege abzukommen. Deshalb kehrt man, wenn man „T’schuwa“ macht, einfach zu seinem ursprünglichen „Positiv-Sein“, auf den geraden Weg, den G’tt vorgegeben hat, zum eigenen echten „Ich“ zurück.

Auch der Begriff „Tfilla“, der allgemein als „Gebet“ übersetzt wird, wird laut dem Ljubawitscher Rebben missverstanden. Für das, was wir unter „Gebet“ verstehen, gibt es im Hebräischem das Wort „Bakascha“. Das Wort „Tfilla“ bedeutet eher „sich anschließen“, „näher zu kommen“. Wenn uns etwas fehlt, sagen wir „Bakascha“, um das Nötige zu bekommen. Wenn wir nichts mehr brauchen, dann gibt es kein Bedarf eine Bakascha zu sagen. Bei der Tfilla nähern wir uns G’tt an, und das ist eigentlich unser Ziel und immer aktuell.

Auch wenn uns scheinbar nichts fehlt, braucht unsere Seele eine ständige Verbindung zu G’tt, um nicht vom materiellen Leben „verschluckt“ zu werden. Und die Tfila gibt uns die Möglichkeit diese Verbindung herzustellen und permanent aufrechtzuerhalten.

Der größte Fehler wird aber beim Begriff „Tzdaka“ gemacht, der als „Spende“ oder „Almosen“ übersetzt wird. Auch für die Wohltätigkeit gibt es in der hebräischen Sprache ein eigenes Wort, nämlich „Chessed“. Dabei setzt der Begriff „Wohltätigkeit“ voraus, dass der Geber nicht verpflichtet ist zu geben und der Empfänger kein Recht auf die Gabe hat. Der Arme bekommt eine Spende als Geschenk, das der Reiche ihm aus seiner Großzügigkeit heraus macht. (…)

Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.


Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" hier online mit der Lieferung direkt an Sie per Post bestellen oder jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke