April 2, 2015 – 13 Nisan 5775
Unerwartete Bekanntschaften

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Die Kippa kann in Deutschland auch ein Türöffner sein  

Von Chaim Noll

Keine dieser Begegnungen werde ich vergessen. Sie waren vollkommen überraschend. In Israel, in der Negev-Wüste lebe ich unter Muslimen, meine Nachbarn sind Beduinen (so heißen sie auf unserer Seite des „Zauns“) oder Palästinenser (so werden ihre Vettern auf der anderen Seite genannt), Begegnungen mit ihnen sind alltäglich. Doch erst hier, in einem anderen Land, gehen sie auf mich zu und sprechen aus, was sie zu Hause niemals sagen würden.

Ich reise seit zehn Jahren zweimal im Jahr nach Deutschland zu Lesungen und Vorträgen, und in all diesen Jahren trug ich die Kipa offen. Tue es immer noch. Obwohl jüdische Funktionäre die deutschen Juden vor einiger Zeit aufgefordert haben, ihre Kipot besser zu verbergen. Unter einer Baseball-Mütze oder anderen Kopfbedeckung. In Frankreich, so berichteten israelische Zeitungen, hätte ein findiger Kopf Kipot erfunden, die mit künstlichem Haar bedeckt sind, in Farbe und Struktur der natürlichen Haare des Trägers angepasst, weshalb sie sich übelwollender Wahrnehmung entziehen und trotzdem ihre traditionelle Funktion erfüllen.

Für mich keine Versuchung. Ich lebe nicht in Europa. Wenn die Kipa in Frankreich oder Deutschland kein geduldetes, allgemein respektiertes Accessoire mehr ist – nun, dann komme ich halt nicht mehr. Ich trage sie zu Hause in Israel, setze sie morgens auf wie meine Brille, jeden Tag, wie Hunderttausende Israelis, und wo ich sie nicht tragen darf, da ist nicht mehr mein Zuhause. Doch das ist nur ein Grund, warum ich der gut gemeinten Empfehlung der deutschen Gemeindefunktionäre bisher nicht folge. Der andere Grund ist Neugier. Weil mir, wenn ich die Kipa versteckt tragen würde, unheimlich viel entginge. Was? Nur, wer die Kipa offen trägt, wird in dieses Geheimnis eingeweiht.
(…)
Ich erzählte dem Veranstalter davon. Er kannte die junge Frau vom Sehen, wusste, woher sie kam. „Sunniten“, sagte er. „Ihr schlimmster Feind ist die schiitische Hisbollah. Die hat den Iran hinter sich, gewinnt an Einfluss. Nun, und wer gibt der Hisbollah ab und zu eins drauf? Eure Armee.“

Vielleicht haben mich solche Erlebnisse in meinem Entschluss bestärkt, die Kipa in Deutschland offen zu tragen. Die Reaktionen von Muslimen auf diese Kopfbedeckung haben mein Bild von der Situation im Nahen Osten verändert. Ich erfahre von Rissen und Brüchen, von inner-islamischem Hass. Von verstohlener Solidarität mit Israel, die nach außen verborgen werden muss, weil gute Muslime Juden verachten sollen. So steht es in ihrem Heiligen Buch, so lernen sie in der Koran-Schule. Doch das Leben ist anders. Im realen Leben kann ein anderer Muslim Tod und Verderben sein und ein Jude die Rettung.

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