Februar 2, 2017 – 6 Shevat 5777
Rote Karte für den Salafistenfreund

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Der deutsch-tunesische Fußballprofi Änis Ben-Hatira unterstützt eine islamistische Organisation  

Von Alex Feuerherdt

Seit einigen Monaten ist der deutsch-tunesische Fußballprofi Änis Ben-Hatira als Projektpate für eine Vereinigung aktiv, die sich zwar als humanitäre Hilfsorganisation ausgibt, aber eindeutig islamistische Ziele verfolgt. Die zunehmende Kritik von Politik, Medien und Fans an diesem Engagement weist der Spieler als „Hetze“ zurück, während sein Klub Darmstadt 98 die Angelegenheit auszusitzen versucht. Nun ist es doch noch zu Konsequenzen gekommen.

Am Ende stand die Trennung – nach nicht einmal einem halben Jahr. „Nach Analyse der Gesamtsituation macht eine weitere Zusammenarbeit für beide Seiten keinen Sinn mehr“, begründete der Präsident des Fußball-Bundesligisten Darmstadt 98, Rüdiger Fritsch, in einer kurzen Erklärung, warum der Klub und sein Spieler Änis Ben-Hatira ihr Vertragsverhältnis, das erst im vergangenen Sommer begonnen hatte, mit sofortiger, vorzeitiger Wirkung beendet haben.

Man beurteile Ben-Hatiras „privates humanitäres Hilfsengagement wegen der Organisation, der er sich dabei bedient, als falsch“, heißt es in der Stellungnahme weiter. Mit der Organisation – für die der Deutsch-Tunesier sich seit Monaten öffentlichkeitswirksam einsetzt – ist „Ansaar International“ gemeint, eine 2012 gegründete islamistische Vereinigung mit Sitz in Düsseldorf. Sie wird in mehreren Verfassungsschutzberichten erwähnt, darunter ist auch jener des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2015.

Dort steht zu lesen, Ansaar sei „fest mit der deutschen Salafisten-Szene verwoben“, es gebe „keinerlei Distanzierungen zu extremistisch-salafistischen Predigern oder den Inhalten ihrer Predigten“, und die Distanzierung vom „Islamischen Staat“ gehe einher „mit der grundsätzlichen Bejahung der vom IS abgespaltenen und heute El-Kaida-nahen Gruppierung Jabhat al-Nusra“.

Auch in den Medien finden sich zahlreiche kritische Berichte über Ansaar. Der Verein spiele in der Salafistenszene eine Schlüsselrolle, schrieb beispielsweise die „taz“ im Februar 2015. Auf seinen Benefizgalas träten „radikale Prediger auf, die dort ihre ultraislamistische Propaganda verbreiten“, etwa Muhamed Seyfudin Ciftci alias Shaik Abu Anas und Ahmad Armih alias Ahmahd Abul Baraa. Letzterer habe unter anderem auf der Internetseite des salafistischen Al-Sunna-Verlags verkündet, dass Allah die „Kuffar“, die Ungläubigen, „wie ein Viehherde in das Feuer treiben lassen wird“. Auf der Webseite der von einem IS-Dschihadisten aufgebauten und vor allem von Salafisten frequentierten Berliner As-Sahaba-Moschee habe Armih zudem erklärt, es sei einer Frau verboten, ihrem Ehemann den Geschlechtsverkehr zu verweigern, und die Beschneidung von Frauen sei „Gottes Wunsch“. Ciftci wiederum – der eine salafistische Islamschule in Braunschweig gründete und Vorsitzender des vom Verfassungsschutz beobachteten, inzwischen aufgelösten islamistischen Vereins „Einladung zum Paradies“ war – wird beispielsweise in der „Basler Zeitung“ mit den Worten zitiert, die „Steinigung als Strafe für Ehebruch“ sei „gerechtfertigt“. Überdies wird ihm immer wieder vorgeworfen, maßgeblich zur Radikalisierung muslimischer Jugendlicher beizutragen.
 
Warum Ben-Hatira für Ansaar wie gerufen kam
Die Behörden gehen davon aus, dass Ansaar International einen nicht unerheblichen Teil seiner in Millionenhöhe akquirierten Spendengelder zur Finanzierung von Terrorismus verwendet, zum Beispiel indem der Verein die Ausreise von Dschihadisten nach Syrien monetär unterstützt oder Terroristen gleich vor Ort unter die Arme greift. Das humanitäre Gewand, in dem er daherkommt, ist demnach nur ein Deckmantel für ganz andere, inhumane Ziele. Ansaar hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen, sich wortreich über die „Lügenpresse“ beklagt und ihr antiislamische Stimmungsmache vorgeworfen. Zugleich suchte die Organisation stets den Schulterschluss mit allerlei einschlägigen Verbündeten, etwa dem antisemitischen Islam-Konvertiten Martin Lejeune, dem Pegida-Aktivisten Curd Schumacher und dem antisemitischen Verschwörungstheoretiker Hendra Kremzow. Das hat ihr, um es zurückhaltend zu formulieren, in der Öffentlichkeit nicht nur Sympathiepunkte eingebracht.

Wie könnte sich der ramponierte Ruf da besser aufpolieren lassen als mit der Unterstützung durch einen vermeintlich seriösen Prominenten? Änis Ben-Hatira kam für Ansaar deshalb wie gerufen. Ein bekannter Bundesligaprofi, geboren und aufgewachsen in Berlin, tunesischer Nationalspieler, im Sommer von Eintracht Frankfurt zum Underdog Darmstadt 98 gewechselt. Ansaar setzte Ben-Hatira medienwirksam in Szene, machte ihn zum Paten für Trinkwasserprojekte in Ghana und dem Gazastreifen, produzierte ein Werbevideo mit ihm. Der Spieler selbst verbreitete vor allem auf Facebook und Instagram immer wieder Fotos von seinen Aktivitäten für die salafistische Vereinigung.

Als Ende des vergangenen Jahres erstmals Kritik an seiner Kooperation mit Ansaar laut wurde, gab sich Ben-Hatira in einem Interview auf der Website seines Fußballklubs als reiner Wohltäter: „Mit Hilfe dieser Organisation komme ich an Orte, an denen ich dann mit meiner eigenen Foundation helfe. Zuletzt war das bei einem Brunnen in Ghana oder mit einem Wassertank in Gaza der Fall. Ich sehe jedes Mal genau, wie meine Hilfe dort ankommt, wo sie unbedingt gebraucht wird. Das ist für mich entscheidend.“ Die Kritik an Ansaar wies er zurück: „Die Behauptungen stehen in komplettem Widerspruch zu dem, für was sich Ansaar einsetzt. Wenn das anders wäre, würde ich nicht mit dieser Organisation zusammenarbeiten.“
 
Facebook-„Likes“ für antisemitische Äußerungen
Doch mit dieser Schönfärberei kam der 28-Jährige nicht durch, zumal sich bald auch die Politik der Sache annahm. Als Mitte Januar der Platz vor dem Darmstädter Stadion im Rahmen einer Gedenkfeier nach Karl Heß benannt wurde – einem früheren jüdischen Präsidenten des Klubs, der vor den Nazis fliehen musste –, fand der Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch von den Grünen deutliche Worte. „Es gibt einen neuen Antisemitismus, der aus islamistischen und salafistischen Organisationen kommt“, sagte er in seiner Rede, um später im Interview des Hessischen Rundfunks mit Blick auf Ben-Hatira zu ergänzen: „Dass ein Profispieler für den Verein Ansaar tätig ist, der im Umfeld mindestens des Salafismus zu verorten ist, halte ich für extrem kritisch, und deswegen ist es auf jeden Fall notwendig, das aufzuklären.“

Ben-Hatira hatte da bereits für neuen Gesprächsstoff gesorgt, weil einige Anhänger auf seiner Facebook-Seite antisemitische Kommentare hinterlassen hatten, die in zwei Fällen vom Account des Fußballers aus mit einem „Like“ versehen worden waren. Konkret ging es dabei um die Beschimpfung von Kritikern des Engagements von Ben-Hatira für Ansaar mit Worten wie „dreckiger Zionisten-Hund“ und „Ratten von der Zionisten-Presse“. Der Spieler selbst behauptete gegenüber seinem Klub, er habe die „Likes“ nicht getätigt, und distanziere sich von den Verunglimpfungen. Das rief einen der Hauptsponsoren des Vereins, einen Energieversorger, auf den Plan, der eine Aufklärung durch Verein und Spieler forderte und deutlich machte, keine rassistischen oder antisemitischen Positionen zu tolerieren. Die Klubführung selbst mochte sich zu diesem Zeitpunkt lediglich zu der allgemeinen Beteuerung durchringen, „dass wir jedwede Form extremistischer, rassistischer Handlungen und Gedankenguts von uns weisen und missbilligen“. Von Sanktionen gegenüber Ben-Hatira war hingegen noch nicht die Rede.

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