Mark Twain zeichnete 1867 ein trauriges Bild vom Palästina vor der israelischen Unabhängigkeit  

Mark Twain dürfte den meisten durch seine Romane „Tom Sawyers Abenteuer“ und „Huckleberry Finns Abenteuer“ bekannt sein. Der amerikanische Autor, der mit richtigem Namen Samuel Langhorne Clemens hieß, war auch ein begeisterter Reisender. 1867 unternahm eine Reise nach Europa und in den Nahen Osten, die ihn auch nach Palästina führte. In seinem Reisebuch „Die Arglosen im Ausland“ (Original: „The Innocents abroad“) beschreibt er seine Eindrücke. Demnach war Palästina ein karges, ödes und für den Autor überraschend kleines Land, das von Armut und Schmutz beherrscht war.

Palästina: Reisen für Fortgeschrittene
Im Sommer 1867 startet Twain von New York aus mit der „Gesellschaftsreise nach dem Heiligen Land, Ägypten, der Krim, Griechenland und weiteren auf dem Wege liegenden interessanten Zielen“. Nach verschiedenen Stationen im Mittelmeerraum reist die Gruppe über Syrien und den Libanon nach Palästina. Schon im Vorfeld warnen andere Reisende sie über die Bedingungen im Land: „Wir wussten sehr gut, dass Palästina ein Land ist, das keinen großen Reiseverkehr besitzt, und jeder, dem wir begegneten und der etwas darüber wusste, gab uns zu verstehen, dass nicht einmal die Hälfte unserer Gesellschaft imstande sein würde, Dragomane und Beförderungsmittel zu bekommen.“ Dennoch ist die Vorfreude bei der Reisegruppe groß – das Heilige Land soll einer der Höhepunkte der Reise sein.

Dort angekommen, stellt sich bei Twain eine erste Ernüchterung ein. Der Autor, an die Weiten Nordamerikas gewöhnt, hatte sich Palästina größer vorgestellt: „Das Wort Palästina gab meinem Sinn immer die verschwommene Vorstellung eines Landes ein, dass so groß wie die Vereinigten Staaten wäre. […] Ich nehme an, das kam daher, dass ich nicht imstande war, mir vorzustellen, ein kleines Land könnte eine so große Geschichte haben.“ Später monierte er mit ironischem Unterton, dass alle wichtigen Orte so nah beieinander lägen – es sei erschöpfend, alle paar Meilen
hundert Seiten Geschichte nachlesen zu müssen.

Hitze und Ödnis
Auch die Hitze macht den Reisenden zu schaffen. Insbesondere, da die karge Landschaft kaum Schatten und Wasser bietet. In seinem mit Witz und Ironie gespickten Bericht verweist Twain immer wieder darauf, wie trocken und öde das Land sei. So auch bei Kapernaum (Kafarnaum) im Norden Israels: „Kapernaum liegt dicht am Rande des kleinen Sees in einer kleinen, etwa fünf Meilen langen und eine oder zwei Meilen breiten Ebene, die zurückhaltend mit Oleandern geschmückt ist. Diese wirken umso vorteilhafter, als sie gegen die sie umgebenden kahlen Berge und die fürchterliche Wüste abstechen, aber sie sind nicht so wahnsinnig schön, wie die Bücher sie beschreiben. Wenn man ruhig und entschlossen ist, kann man ihr anmutiges Bild betrachten, ohne dabei kaputtzugehen.“ Nur bei Sternenlicht, wenn die Nacht alle Ungereimtheiten verberge, bilde Galiläa einen angemessenen Schauplatz für große Ereignisse.

„Schmutzig, ungemütlich und voller Unrat“
Nicht nur seine Beschreibungen der Landschaft lassen jede romantische Verklärung vermissen. Offen berichtet Twain auch von negativen Eindrücken von Städten und Dörfern, beispielsweise von Magdala. Es sei kein schöner Ort, schreibt er. „Er ist durch und durch syrisch, und das heißt, dass es ganz und gar hässlich und eng, schmutzig, ungemütlich und voller Unrat ist.“ Ähnlich negativ äußert er sich über Tiberias. Es gebe dort besonders hässliche Juden, Araber und Neger, so Twain, und Schmutz und Armut seien der Stolz von Tiberias.

Insgesamt findet Twain sein romantisches Bild vom Orient auf der Reise nicht bestätigt. Auf den Stahlstichen, die er gesehen habe, sehe der Orient ganz anders, viel idyllischer aus – mit weniger Schmutz, Einöde und Flöhen: „Orientalische Szenen sehen am besten auf Stahlstichen aus. Mich kann man nicht mehr mit dem Bild betrügen, auf dem die Königin von Saba Salomo besucht. Ich werde mir sagen: ´Ihr seht gut aus, Madam, aber Eure Füße sind nicht sauber, und Ihr riecht wie ein Kamel.´“

Möchte in Jerusalem nicht wohnen
In seinen unterhaltsamen Reisebericht lässt Twain auch Beschreibungen anderer Autoren einfließen und stellt deren Berichte seinen eigenen Eindrücken gegenüber. Immer wieder liefert er den Lesern auch die zu den besuchten Orten passende Bibelstelle. Meist ergänzt die Bibelzitate auf informative Art und erklärt, warum ein Ort besonders wichtig ist. Teilweise bindet er die biblische Geschichte allerdings auch mit Augenzwinkern ein, und liefert gleich eine Beschreibung mit: „Das alte Jericho ist als Ruine nicht sehr malerisch. Als Josua es vor etwa dreitausend Jahren siebenmal umschritt und es mit seiner Posaune niederblies, verrichtete er seine Arbeit so gut und so gründlich, dass er kaum etwas von der Stadt übrigließ, das auch nur einen Schatten werfen könnte.“

Gipfel von allen Ländern mit öder Landschaft
Auch in Jerusalem muss er seine Erwartungen, was die Größe der Stadt betrifft, wieder einmal an die Realität anpassen. Er hatte sich Jerusalem deutlich größer vorgestellt. In den engen Straßen begegnen den Reisenden, schreibt er, Schmutz und viele Bettler: „Elend, Armut und Schmutz, diese Zeichen und Symbole, welche die Gegenwart moslemischer Herrschaft sicherer anzeigen als die Halbmondflagge selbst, sind im Überfluss vorhanden.“ Er schließt den Absatz mit: „Jerusalem ist traurig und trostlos und ohne Leben. Ich möchte hier nicht wohnen.“

Twains Fazit zu Palästina fällt folglich insgesamt negativ aus. Er gesteht zwar, dass es womöglich nicht die beste Jahreszeit war, das Land zu besuchen. Am Ende des Palästinakapitels resümiert er dennoch: „Von allen Ländern mit öder Landschaft muss Palästina, glaube ich, der Gipfel sein. [...]
Palästina ist verlassen und hässlich. Und warum sollte es anders sein? Kann der Fluch der Gottheit ein Land verschönern? Palästina gehört nicht mehr dieser Alltagswelt an. Es ist der Poesie und der Überlieferung geheiligt – es ist ein Traumland.“

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