Februar 7, 2019 – 2 Adar I 5779
Jung, weiblich, bunt! 

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Wie weiße Alt-68er junge Multikulti-Frauen auf die Bühne schicken 

Von Jaklin Chatschadorian 

Diskriminiert. Unterbezahlt. Unterschätzt. Geschlagen. Vor mehr als 150 Jahren hatten Frauen in Deutschland weder das Wahlrecht, noch das Recht, einer  Erwerbstätigkeit nachzugehen oder über Eigentum zu verfügen. Sie waren als Töchter und Ehefrauen wirtschaftlich und sozial von ihren Vätern bzw. Ehemännern abhängig.

Seitdem hat sich viel verändert. Schon der erste große Etappensieg auf dem Weg in die vollständige Gleichberechtigung war fulminant: das Frauenwahlrecht. Am 19. Januar 1919 fand im Deutschland der Weimarer Republik die Wahl zur verfassungsgebenden Nationalversammlung statt – erstmalig unter der Beteiligung von Frauen als Wählerinnen und Gewählte.

Helene Lange, eine der wichtigsten Akteurinnen der bürgerlichen Frauenbewegung, trat für gleiche Bildungs- und Berufschancen ein. Rosa Luxemburg führte die Frauenbewegung mit der Arbeiterbewegung zusammen. 1977 wurde ein neues Eherecht gesetzt, dass die Verpflichtung der Ehefrau zur Haushaltsführung abschaffte. Das Scheidungsrecht wurde unter anderem mit der Abschaffung des Schuldprinzips reformiert. In den 80er Jahren ging es um die Gleichbehandlung der Frau am Arbeitslatz. Auch im Bereich Sexualität wurde die Freiheit der Frau errungen. Heute darf jede Frau vorehelich mit Männern in Kontakt treten, gar mit anderen Frauen, ohne dass sich der Staat oder die Gesellschaft einzumischen hat. Die Vergewaltigung in der Ehe ist seit über 20 Jahren strafbar. Die Frau darf selbst entscheiden, ob und wen sie heiraten will; was sie anziehen, essen und trinken, denken und sagen will.

Die Errungenschaften der Frauenbewegung sind ebenso vielfältig wie bedeutend. Sie sind unverzichtbarer Teil unserer westlichen Zivilisation, prägen unsere Wertvorstellungen und unseren Alltag.

Und just an diesem Glanzpunkt zeigt der zeitgenössische Feminismus eine erstaunliche Verwirrtheit. Plötzlich geht es nicht mehr um die Gleichberechtigung der Frauen gegenüber den Männern. Obgleich noch so viele Fragen zu Ende bearbeitet werden müssen, geht es eher um eine Neuordnung der Gesellschaft anhand von absurden Ideen, zwischen Dekadenz und Demenz!

Die Gender-Bewegung ist die Dekadenz der Frauen-Bewegung

Über die Genderbewegung wird das generische Maskulinum völlig frei von seiner eigentlichen Bedeutung zum Angriff auf die Frau erklärt. Wissenschaftler zählen, wie viele Sternchen wann einem Wort hinzuzufügen sind, um niemandes Herz zu verletzen, während sexistische Kleidung unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit nicht einmal bei Mädchen im Kleinkindalter deutliche Empörung hervorruft. Grüne Politikerinnen, die sich auf konkrete Nachfrage als feministisch qualifizieren, relativieren die sexuellen Belästigungen und Vergewaltigungen der Kölner Silvesternacht 2015/2016 durch Gruppen islamischer Männer. Nicht die Biologie, sondern das Geschlechtsgefühl soll bei der Feststellung der Geschlechtsidentität entscheidend sein. So reden  wir von schwangeren Männern oder von stillenden Müttern, die keine Frau sein sollen, weil sie die eigene Brust ablehnen. Menschen mit männlichem Geschlechtsteil sollen in Frauentoiletten dürfen und aktuell geht es um Toiletten für das dritte Geschlecht unter Grundschulkindern.

West-Patriarchat böse – Islam-Patriarchat gut

Gleichzeitig demonstrieren hochdotierte Politikerinnen, Schauspielerinnen und Journalistinnen mit anderen Frauen in rosa Puschelmützen oder Vagina-Kostümen auf den Straßen. Das Patriarchat existiert in unserer westlich geprägten Gesellschaft eher marginal, wird aber dem politisch rechts positionierten Lager überdimensional an die Stirn geheftet, während das sich radikal durchsetzende Patriarchat des Islam nicht gesehen oder schöngeredet wird. Die Zwangsehe und die Frühverheiratung von Mädchen bestimmt zwar einen Schwerpunkt der Arbeit in deutschen Frauenhäusern, aber wehe dem, der in einer parlamentarischen Anhörung explizit auf den Islam hinweist oder gar das islamische Recht zur Züchtigung der ungehorsamen Frau anspricht.

Junge „bunte“ Frauen gegen alte weiße Männer

Die eigentlichen Baustellen unserer Zeit werden vom Feminismus ignoriert und verklärt, vor allem, wenn es um die Rolle der Frau im Islam geht. Der neue Feminismus sieht in Frauen wie Linda Sarsour und Kübra Gümüsay, die ihr sexistisches Kleidungsstück zur selbst  gewählten Krone umdeuten und ihre Verachtung gegenüber Nichtmuslimen mittels Religionsfreiheit mehr oder weniger geschickt als Nächstenliebe verkaufen, ihre Mitstreiter. Auch Ilhan Omar und Rashida Tlaib aus den USA gelten als jene, die den weißen Rassismus durch ihre Wahl in das Repräsentantenhaus  besiegt haben. Dass beide Frauen sich weit mehr als Muslima definieren, und erst an zweiter Stelle als US-Bürgerin, dass beide eine antisemitische Grundeinstellung an den Tag legen, wird zu leise, und mitnichten von feministischer Seite auf die Tagesordnung gebracht.

Das Kopftuch, welches die Muslima als solche gegenüber jedem Mann kennzeichnen soll, damit sie nicht belästigt werde, wird nicht als sexistisch-rassistische Markierung eines sich selbst überhöhenden Kollektivs erkannt, sondern zum Ausdruck der individuellen Freiheit verklärt. Postwendend wird der Kritiker angegriffen und verurteilt.

Übertragen auf das Bild der „geschlagenen Ehefrau“ relativiert die von ihrem Mann  misshandelte Frau nicht mehr nur selbst ihre Misshandlung. Vielmehr gewinnt sie Mitstreiterinnen, um jeden, der die Misshandlung als solche erkennt, zu verfemen. Sie und ihre neu-feministischen Mitstreiterinnen erteilen der Misshandlung die Absolution und erhöhen diese zum Heilsversprechen.

Weil die islamische Frau für sich selbst und ihr Menschenrecht auf Religionsfreiheit einzutreten scheint, wirkt ihr Beitrag sakrosankt. Die westliche Debattenkultur, die gerade auch durch den Zweifel und die Kritik den Feminismus als politische Bewegung ermöglichte, führt sich selbst ad absurdum. Bevor nun wahre Feministinnen glauben, ich würde den Feminismus in seiner Gänze diskreditieren, sei betont, dass das nicht meine Absicht ist. Es gibt sie tatsächlich, die wahren Feministinnen, die sich jeden Tag neu gegen jede Diskriminierung stellen, zum Beispiel Lehrerinnen in sog. Problemschulen. Aber diese Feministinnen gehören eben – wie auch islamkritische Stimmen im Allgemeinen – nicht zum deutschen bzw. westlichen Mainstream.

Der Feminismus, der sich lieber mit der Erde als Planetin beschäftigt und sich vor die muslimische Frau als politische Kraft (jung-weiblich-bunt) stellt, wird an diesem blinden Fleck zum (Mit-)Täter realen Unrechts. Die kognitive Verzerrung, ob nun des Feminismus oder unserer Gesellschaft, welche offenbar nur damit beschäftigt ist, unangenehme Fakten und Meinungen als „rechts“ zu markieren, um sich sodann genau von diesen zu distanzieren, wissen inzwischen zwei wichtige Akteure für sich selbst zu nutzen: Religionsverbände und männliche, weiße Politiker.

Männer als Chefs islamischer Religionsverbände

Einerseits haben islamische Religionsverbände, deren Chefetagen de facto ausschließlich männlich besetzt sind, die anziehende Wirkung der muslimischen Frau für sich entdeckt. Ein Alibi-Vorstandsmitglied poliert das Image und gewährt der deutschen Politik die Möglichkeit, über die Misogynie hinwegzusehen. Integrationskurse für Frauen bringen Fördergeld. Die Forderung nach Schwimmzeiten für islamische Frauen erfreuen die Kommunalpolitik, die schwimmfähige Frauen zum Integrationserfolg küren will. Da stört auch kein Burkini. Das Kopftuch tragende Akademikerinnen klagen sich, finanziell unterstützt, durch die Instanzen, um zum Beispiel das Berliner Neutralitätsgesetz zu Fall zu bringen und beweinen dabei vermeintlich mutig und charmant, vor allem aber medienwirksam ihre Diskriminierung durch die westliche Mehrheitsgesellschaft. Bloggerinnen mit Kopftuch werden plötzlich zur Autorin, Journalistin und Publizistin erhoben, erreichen dadurch ein größeres Publikum, wirken in Talkshows freundlicher und klüger als jeder männliche Imam mit unregelmäßigem Bartwuchs in Kaftan und Gebetsmütze.

Immer mehr nutzen auch „weiße Männer des Mainstream“ die Wirkung der islamischen Frau für sich. Die hierauf hinweisende Formel „jung-weiblich-bunt“ geht dem Vernehmen nach auf die CDU und den ehemaligen CDU-Generalsekretär, Peter Tauber, zurück. Mit dieser strategischen Neuausrichtung wollte man dem Alt-Herren-Verein, der sich bis dahin weder als Vorreiter des Feminismus noch als dem Zuwanderer zugeneigt präsentierte, modernisieren.

„bunt“ = islamisch?

Die Idee, junge Migranten in der Politik einsetzen zu wollen, ist – unter der Bedingung vollständiger Integration und dem notwendigen Maß an Loyalität gegenüber diesem Staat und seiner Mehrheitsgesellschaft – zu begrüßen. Problematisch wird es, wenn man unter dem Stichwort bunt ausschließlich islamische Migranten verstehen will.

Bevor jemand aus der Politik ruft, dem sei nicht so, sei gefragt: Kennen Sie einen Griechen, der im Wettbewerb um die griechische Wählerschaft von entscheidenden politischen Kreisen in Deutschland gefördert wird? Eine Spanierin vielleicht oder einen russischen Juden? Und warum ist der von allen Mitspielern unserer Wirtschaft missachtete Hauptschulabschluss etwas Besonderes, wenn er von einem muslimischen, jungen Mann erreicht wird, nicht aber wenn er einem Norweger dieselben Kenntnisse bescheinigt? Die Antwort liegt auf der Hand: Man ist auf der Suche nach positiven Bildern, die politische Arbeitserfolge belegen sollen. An der Integration der Nordeuropäer ist die Politik nicht beteiligt und die Gesellschaft ist nicht von entsprechender Integrationsverweigerung belästigt bzw. verängstigt.

Die Suche nach muslimischem Personal aber gestaltet sich regelmäßig schwierig, so wird genommen, was da ist und behandelt „wie Goldstaub“. Das Beherrschen der deutschen Sprache und ein nettes Äußeres scheinen Integration und Qualifikation zu belegen. Schauen wir auf Sawsan Chebli, Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement und Internationales in Berlin, oder auf die Erfolgsberichte der Kommunen über die Integration von jungen Männern in die Arbeitswelt. Die neue Vize-Chefin der Bundeszentrale für politische Bildung, Cemile Giousouf, betont gegenüber der „Westfalen Post“ (Online-Ausgabe, 11. Januar 2019), sie sei für die große Herausforderung gewappnet, schließlich habe sie Führungserfahrung als Bundestagsabgeordnete sammeln können. Mir ist neu, dass „Führungserfahrung sammeln“ als Qualifikation für das höhere Management ausreicht.

Darüber hinaus ist eine arbeitende Muslima das beste Argument gegen jeden Rechtspopulisten, der pauschal behauptet, kein Muslim würde je arbeiten bzw. seine Frau arbeiten lassen, sondern nur von öffentlichen Mitteln leben wollen. Sie steht damit nicht nur für Fleiß und Karriere trotz religiöser Bindung. Sie zeigt der Öffentlichkeit, dass es nicht den einen Islam gebe, der Islam vielmehr vielfältig und emanzipiert, gar demokratiekompatibel sei und als deutscher Islam eine Chance verdiene. Sie wird zum Politikum. Sawsan Chebli verhöhnt diese Kulisse gekonnt, wenn sie von einer erfolgreichen Integration ihres Vaters erzählt und sich als Aschenputtel, das der Armut durch harte  Arbeit entronnen ist, präsentiert.

Menschliche Brücken in ihre heimatlichen Diktaturen

Schließlich erweisen diese Vorkämpferinnen des politischen Islam sich als nützliche Brücke zur islamischen Gemeinschaft ebenso wie zur Führung ausgewählter islamischer Staaten. Sie haben, so wie in orientalischen Kreisen grundsätzlich üblich, immer einen bedeutend großen Bekanntenkreis, damit zumindest einen passenden Kontakt und eine andere Herangehensweise als der klassische (autochthon-deutsche) Beamte.  Erinnert sei an dieser Stelle an die sog. Mahnwache am Brandenburger Tor, kurz nach dem islamistischen Anschlag auf die Redaktion des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“. Die Idee zur dieser Inszenierung hatte die damalige Mitarbeiterin im Bundeskanzleramt, Gonca Türkeli-Dehnert (CDU), aktuell Geschäftsführerin der Deutschlandstiftung Integration. Sie war damals im Arbeitsstab der für Integration zuständigen Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD) tätig und sorgte schneller als die Religionsverbände selbst für schöne Bilder.

Die Frauen lenken von den alten weißen Männern ab

Nicht zuletzt präsentieren sich diese jungen, hübsch anzusehenden Frauen ohne Kopftuch als mitteilsame Geschöpfe in den sozialen Medien und sorgen für entsprechende Unterhaltung bzw. Ablenkung. Während zum Beispiel Staatssekretärin Sawsan Chebli die Nation mit ihren vermeintlich privaten Twittermeldungen spaltet, und sich um einen islamisch-jüdischen Dialog bemühen will, indem sie das Leid der Juden im Holocaust mit der Islamkritik der AfD gleichsetzt bzw. relativiert, schaut man weniger auf den regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD). Nicht anders ist das Duo der CDU, Armin Laschet – Serap Güler, zu beurteilen. Beide besuchten vor wenigen Tagen, zum Gedenken an den Holocaust, das Konzentrationslager in Auschwitz. Wer sich fragt, warum hier gerade die Staatssekretärin für Integration den Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen begleiten durfte, der sei darauf hingewiesen, dass die Politik von u.a. muslimischen Jugendlichen nach Auschwitz begleitet worden war.

Ich frage mich, was Integrationspolitik mit dem Holocaust zu tun haben will. Nur konservative und radikale Muslime werden von islamkritischer Seite abgelehnt; nicht aus rassistischer Motivation oder zugunsten irgendeiner wahnhaften Idee von Reinheit und Hochmut, sondern aufgrund ihrer eigenen feindlichen Aufstellung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft und dem Anliegen, den Koran in Deutschland, auch gegen den Willen der Deutschen, umzusetzen.

Die Kombination mit dem Integrationsamt und die Worte des Ministerpräsidenten zeigen, dass man in Auschwitz nicht (nur) das Verbrechen verurteilte, sondern sich (eigentlich genauso wie die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli) gegen jeden kritischen Umgang mit Muslimen stellen wollte. Es sei „etwas Besonderes, dass Menschen aus drei großen Weltreligionen hier zusammen gebetet haben“ und man müsse „jeder Form von Ausgrenzung entgegentreten.“

Instrumentalisierung des Holocausts

Wir sind bei der klassischen Instrumentalisierung des Holocaust-Gedenkens für die eigene Integrations- und Islampolitik. Selbstverständlich hat keiner der anwesenden Journalisten den Ministerpräsidenten gefragt, warum er das gemeinsame Gebet an einer Gedenkstätte für ermordete Juden für etwas Besonderes halte oder welche Sure bzw. welches der islamischen Gebete hier gesprochen worden war. Auch fragte wohl niemand danach, welche Lektion die CDU NRW sich aus der Gedenkstätte mitgenommen habe, bei der Frage zum Umgang mit den antisemitischen und christenfeindlichen, türkischen Nationalislamisten innerhalb der eigenen Partei. Wer will schon die Stimmung verderben?

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