Die Vorbehalte der britischen Königin gegen den jüdischen Staat haben vielfältige Gründe  

Von Ulrich W. Sahm und Elisabeth Lahusen

Die britische Königin hat fast jedes Land der Welt besucht.

Nur um Israel hat sie einen großen Bogen gemacht. Zwar war Prince Charles, der Thronfolger und Sohn von Elisabeth, zweimal nach Israel gekommen und mit allen Ehren empfangen worden. Doch waren das „inoffizielle“ Visiten, aus Anlass der Begräbnisse von Jitzhak Rabin 1995 und von Schimon Peres 2016. Als Staatsoberhaupt und Chefin des britischen Königshauses hätte ein Besuch der Queen eine ganz andere Qualität gehabt. Und dazu konnten die Briten sich bisher nicht aufraffen. Erst in diesem Jahr hat das britische Königshaus das unausgesprochene Tabu gebrochen mit einer ersten offiziellen Visite von Prince William, dem Enkel der Queen.

Bis zur letzten Minute
Bis 1948 waren die Briten Mandatsmacht in Palästina. Obgleich sie eigentlich durch die Balfour-Deklaration, Beschlüsse des Völkerbundes und später der UNO den Auftrag hatten, im Gebiet von Palästina eine „nationale jüdische Heimstätte“ zu schaffen, haben sie alles getan, die Entstehung eines jüdischen Staates buchstäblich bis zur letzten Minute zu verhindern. Am Freitag, dem 14. Mai 1948 bestiegen die letzten britischen Soldaten gegen Mittag in Haifa ihre Schiffe, um das Mandatsgebiet endgültig zu räumen. Dieser Zeitpunkt war strategisch ausgewählt. Die arabischen Staaten standen schon „Gewehr bei Fuß“, um Israel zu stürmen. Die Briten konnten davon ausgehen, dass die Juden es nicht schaffen würden, bis zum Anbruch des Sabbat an Sonnenuntergang ihren „jüdischen Staat“ auszurufen. Doch der Staatsgründer David Ben Gurion und seine Weggenossen schafften es innerhalb der wenigen verbliebenen Stunden. Die Unabhängigkeitserklärung hat Ben Gurion in Tel Aviv vom Blatt ablesen, weil die Zeit nicht ausreichte, den Text in Schönschrift auf ein Pergament zu kopieren.

Die Unterschriften der Teilnehmer auf einem vorbereiteten Pergament wurden später angenäht.

Ohne die sofortige Ausrufung des Jüdischen Staates nach Abzug der Briten wäre Israel nicht zustande gekommen. Den Sabbat über das rechtliche wie politische Vakuum zu belassen, hätte für die Juden verheerende Folgen gehabt.

In den Jahren davor hatten auch die Briten im Heiligen Land keine leichte Zeit. Einerseits haben „die Araber“ gegen die jüdischen Einwanderungswellen, erst aus Russland und dann verstärkt aus Nazi-Deutschland, angekämpft. Es kam zu schweren Pogromen, etwa 1929 in Hebron, zu denen der von den Briten eingesetzte Mufti von Jerusalem, Hadsch Amin el Husseini, aufgerufen hatte. Der wurde von den Briten erst nach Irak verbannt, und floh dann in Richtung Berlin, wo er ein enger Verbündeter Adolf Hitlers wurde und im Balkan mit einer eigenen SS-Gruppe an der Deportation von Juden nach Auschwitz beteiligt war.

Die Briten mussten als Erben des zusammengebrochenen Osmanischen Reiches neben den Franzosen die gesamte arabische Welt unter Kontrolle halten, und konnten oder wollten allein deshalb keine großen Rücksichten auf die Juden und ihre Bestrebungen nach einem eigenen Staat nehmen.

Obgleich die Briten während des Zweiten Weltkriegs gegen die Deutschen kämpften und die Juden vor ihrer Vernichtung in Palästina retteten, indem sie Rommels Vormarsch in Nordafrika im ägyptischen El Alamein stoppten, fielen ihnen zeitgleich jüdische Nationalisten in den Rücken. Es kam zu jüdischen Attacken auf die Briten, zur Hinrichtung britischer Soldaten als Reaktion auf die Hinrichtung jüdischer Aufständischer und schließlich zur Sprengung des King David Hotels in Jerusalem, einem britischen Hauptquartier. Den Befehl dazu hatte Menachem Begin gegeben. Der galt den Briten bis zuletzt als „Terrorist“, auch als er 1977 mit Mehrheit zum Premierminister Israels gewählt worden war.

Bis heute verfolgen die Briten vor allem wirtschaftliche Interessen in der riesigen arabischen Welt und in ihren alten Kolonien, in denen auch viele Moslems leben. Ein Besuch der Queen in Israel hätte ihnen wohl keine besonderen Lorbeeren eingebracht.

Prince William kam nach dem Brexit
Man kann nur spekulieren, wieso die Briten kürzlich mit dem ersten offiziellen Besuch eines Mitglieds des Königshauses, Prince William, das alte Tabu durchbrochen haben. Ein Grund mag der bevorstehende Brexit sein. London ist auf der Suche nach neuen Partnern und einer Vertiefung der Beziehungen mit den USA. Ob die dramatische Anerkennung Jerusalems durch Präsident Donald Trump für die Briten der Anlass war, den Prinzen nach Israel zu schicken, würde aber von offizieller Stelle niemals eingestanden werden.

Dabei haben die Royals durchaus eine enge Beziehung zum Land der Bibel. Königin Viktoria war überzeugt, dass das britische Königshaus vom biblischen König David abstamme. Die Sitte hatte ursprünglich König George I. aus Hannover nach England gebracht. Seitdem werden alle männlichen Mitglieder, darunter auch Prince Charles und die anderen Thronfolger beschnitten. Die Beschneidung wird traditionell von einem jüdischen Mohel (Beschneider) durchgeführt. Diese kuriose Tradition durchbrach 1982 Diana, Prinzessin von Wales.

Zu den Grundfesten der Krönungszeremonie eines neuen Monarchen gehört ein roh behauener Sandstein aus dem Heiligen Land. Es handelt sich gemäß der Tradition um den echten „Thron des Königs David“, auf dem der saß, als er zum König gesalbt wurde. Jener Stein ist in einen hölzernen Thron eingelassen und wird heute im schottischen Edinburgh aufbewahrt, jedoch mit dem Gelöbnis, ihn auszuleihen zur Krönungszeremonie. Auf ihm sitzt dann der neue Monarch oder die Monarchin, auch um die direkte Abstammung von dem biblischen König zu demonstrieren.

Das Poem „Jerusalem“ von William Blake aus dem Vorwort zu seinem Werk Milton (1804–1810) in der Vertonung von Hubert Parry ist Englands populärstes patriotisches Lied, die Nationalhymne der Kricket- Länderspiele wie auch aller Commonwealth Games, international bekannt durch die „Last Night of the Proms“. Es ist in seiner Art einmalig: verbunden mit dem englischen und britischen Nationalismus, mit dem Christentum und sogar mit dem Sozialismus und der Frauenbewegung, es gehört zu internationalen Popkonzerten und in jede englische Kirche und wurde sogar während des Gottesdienstes anlässlich der Hochzeit von Prince William und Kate Middleton gesungen. Das Gedicht wurde inspiriert von der Legende, Jesus Christus habe als junger Mann, begleitet von Josef von Arimathia, Glastonbury besucht. Der Dichter hat an die Legende geglaubt, die auch heute noch in England bekannt ist. (…)

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