November 4, 2015 – 22 Heshvan 5776
Gesine Schwans wirrer Judenvergleich

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Unsere Fast-Bundespräsidentin offenbart ihre Unwissenheit  

Von Tomas Spahn

Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich – so lautet eine Spruchweisheit, die verdeutlichen soll, dass die meisten Vergleiche wenig Sinn machen. Wäre es nur das, dann könnte man ja damit leben.
Manche Vergleiche allerdings hinken nicht nur – sie offenbaren auch ein völliges Missverständnis von unserer Welt und unserer Geschichte. Und das macht sie gefährlich – nicht nur für den Vergleichenden selbst, sondern vor allem für jenes, was mit dem Vergleich verglichen wird.

Ein Musterbeispiel eines solchen gefährlichen Vergleiches liefert eine Frau, die fast unsere Bundespräsidentin geworden wäre, sich seit ihrem entsprechenden Scheitern an ihrer Universität in Frankfurt/Oder aufhält und gelegentlich mit flotten Sprüchen versucht, noch einen Hauch von Öffentlichkeit einzufangen. Sie, diese Sozialdemokratin Gesine Schwan, scheint auf ihren Vergleich besonders stolz zu sein. Denn statt ihn einmal im Eifer des Gefechts unbedacht ausgesprochen zu haben, gefällt sie sich darin, ihn ständig und bei jeder scheinbar passenden und doch so unpassenden Gelegenheit zu wiederholen.

Ach ja – wie lautete noch gleich dieser Vergleich? Ganz einfach:
„Das was früher die Juden waren, sind heute die Muslime.“

Mit diesem Vergleich, der nicht nur hinkt, sondern in seiner Implikation katastrophal ist, offenbart Frau Professorin nicht nur eine eklatante Unkenntnis sowohl der muslimischen wie der jüdischen, aber auch der deutschen Geschichte – sie relativiert auch auf unfassbare Art und Weise jene Verbrechen, die nicht nur in deutschem Namen an den Juden begangen wurden. Was wiederum die Frage gestattet, ob diesem Schwanschen Vergleich mehr als nur Dummheit zugrunde liegt.
Blicken wir darauf, weshalb dieser Vergleich so unsäglich ist. Und konzentrieren wir uns auf drei Aspekte.

Kaum eine Religionsgemeinschaft ist in ihrer Vergangenheit so oft und so massiv bedrängt worden wie die Juden. Trotz der europäischen Verfolgung, die seit dem Mittelalter vorgeblich als Strafe für den (tatsächlich nicht) von Juden gekreuzigten Jesus erfolgte und in den Jahren des aufgeklärteren Europas nicht minder unsinnig mit rassischer Unzuverlässigkeit (wie in Frankreich) oder gar – wie unter den Nationalsozialisten – mit rassischer Minderwertigkeit begründet wurde, ist jene Gruppe Menschen, die Juden seit der Spätantike am heftigsten bedrängen und heute mehr denn je die Vernichtung von Juden einfordern, gerade jene Anhängerschaft des arabischen Ideologen Mohammed.

Sie, die Muslime, die Frau Schwan so katastrophal in einen vergleichenden Bezug zu den Juden stellt, sind nicht nur in islamischen Ländern, sondern auch auf deutschen Straßen jene, die laut und ungestraft fordern dürfen, Juden „in das Gas“ zu schicken. Der Koran – das hätte Frau Professorin erkennen können, wenn sie vor ihrem Unsinnsvergleich ein wenig in diesem Schriftwerk geblättert hätte – ergeht sich verseweise in Anschuldigen gegen die „Israeliten“ – welche eben jene Juden sind. Auch wird uns überliefert, dass der erste dokumentierte Massenmord im Namen Allahs derjenige an einem sich zum Judentum bekennenden Araberstamm war. Weil diese Quraiza ihm nicht folgen wollten, ließ der Verkünder einer vorgeblichen Religion des Friedens islamischen Quellen zufolge 600 bis 900 Männer des Stammes ihre Gräber ausheben und anschließend enthaupten. Frauen und Kinder wurden in die Sklaverei verkauft. Muss noch erwähnt werden, dass die Islamfundamentalisten des Islamischen Staats sich an dieser Tat orientieren?

Wer wie Sie, werte Frau Schwan, die Muslime von heute mit den Juden von gestern gleichsetzt, der verwechselt Opfer und Täter. Mehr noch – er macht Täter zu Opfern. Wer Täter zu Opfern macht, der verwehrt den Opfern den Anspruch auf ihr Leid. Und relativiert damit das unermessliche Unrecht, das den Opfern angetan wurde.

Der von Deutschland ausgehende Massenmord an den Juden im zwanzigsten Jahrhundert zielte ganz bewusst auf eine Bevölkerungsgruppe, die optimal integriert war und durch ihre Bildungsqualifikation das Großbürgertum wie kaum eine andere Gruppe repräsentierte. Der Massenmord an den deutschen und europäischen Juden war in erster Linie ein Vernichtungsfeldzug gegen eine großbürgerlich-liberale Elite und ein Weg, sich deren Eigentum widerrechtlich aneignen zu können. Wer durch jene bis in die 1930er Jahre von Juden besiedelten Stadtteile der deutschen Metropolen geht und die großzügig angelegten Wohnungen mit eigenem Dienstbotenzugang bewundert, der kommt nicht umhin, in dem antisemitischen, nationalsozialistischen Vernichtungsfeldzug die Rache des kleinbürgerlichen Proletariats an einer ihnen überlegenen, deutschen Elite zu erkennen.

Ohne den in Deutschland lebenden oder den derzeit in Massen nach Deutschland strömenden Muslimen zu nahe treten zu wollen – aber von der großbürgerlichen Position der jüdischdeutschen Elite des Kaiserreichs und der frühen Weimarer Republik, die sich auch dadurch auszeichnete, in ihrer Staatloyalität fast noch deutscher als die Deutschen zu sein, sind die meisten Muslime meilenweit entfernt.
Wer wie Sie, werte Frau Schwan, die Muslime von heute mit den Juden von gestern gleich setzt, der nimmt damit – ob bewusst oder unbewusst – den deutschen Juden ihre historische Rolle und den zu einem aufgeklärten, toleranten Deutschland stehenden Bürgern diesen so bedeutsamen Teil ihrer gemeinsamen Geschichte. Und er vernichtet damit die den Juden und Nicht-Juden gemeinsame deutsche Identität.

Die europäischen Juden gerade in den Großstädten identifizierten sich mit ihren Ländern. Sie waren Deutsche, Österreicher, Ungarn. Sie erwarteten keine Sonderbehandlung und sie forderten schon gar nicht, dass die Mehrheitsgesellschaft sich ihren Traditionen anzuschließen oder gar zu unterwerfen hätte. Sie erwarteten auf Grund der Introvertiertheit ihres Glaubenskonzepts auch nicht, dass irgendjemand von außen sich ihrem Glauben anschließen müsse und ihren Gott nach ihren Riten verehren solle. Die westeuropäischen Juden waren Laizisten, die nicht mehr wollten, als ihren eigenen Glauben ungestört leben zu können. Auch das unterscheidet sie fundamental von jenen Muslimen, die mit dem Anspruch der Dawa versuchen, ihren kulturfremden Lebensstil und ihren gegen die christlich-abendländische Tradition gerichteten Glauben zu unserem zu machen. Vor allem aber hatten sich die Juden – anders als die Muslime – nach ihren in der Antike gescheiterten Gottesstaatsversuchen vollständig von der gegen die Aufklärung und jegliche westlichen Werte von Freiheit und Gleichheit gerichtete Vorstellungen der Glaubensdiktatur abgekehrt – bis heute, denn auch Israel ist immer noch das einzige, wirklich demokratisch verfasste Land im Nahen Osten – und kein Gottesstaat.

Wer wie Sie, werte Frau Schwan, die Muslime von heute mit den Juden von gestern gleichsetzt, der setzt damit etwas auf eine gleiche Ebene, was auf einer gleichen Ebene nicht das Geringste zu suchen hat. Und er erklärt damit gleichzeitig – ob bewusst oder unbewusst – das, was christliche und jüdische Gelehrte und Bürger in Jahrhunderten unter vielen Opfern an bürgerlich-freiheitlicher Kultur erdacht und erkämpft hatten, für irrelevant.

Deshalb, werte Frau Schwan, hinkt ihr Vergleich nicht nur – er ist unerträglich und eines deutschen Professoren unwürdig. Sie sollten sich dafür entschuldigen – nicht nur bei den Juden, sondern auch bei jenen Deutschen, denen die in den vergangenen vierhundert Jahren unter großen Opfern geschaffenen, europäischen Errungenschaften einer offenen und meinungsfreien Gesellschaft noch etwas wert sind. Vor allem aber sollten Sie aufhören, diesen unsäglichen Vergleich gebetsmühlenartig bei jeder scheinbar passenden doch vielmehr unpassenden Gelegenheit pseudointellektuell zu zelebrieren.

Erstveröffentlicht bei „Tichys Einblicke“ (www.rolandtichy.de)

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