Mit 21 Jahren erschossen in Stalins Keller  

Von Monika Winter

Fritz Flatow wurde am 17. November 1930 als Sohn eines jüdischen Arztes und einer aus Bulgarien stammenden Ärztin in Berlin geboren. Über die Anfänge seines kurzen Lebens sind nicht so viele Details bekannt wie über seinen Tod, aber dennoch wollen wir uns dieser jüdischen Persönlichkeit hier einmal widmen.
(…)
In seinem der Bewerbung für die FU beigefügten Lebenslauf schrieb Fritz:
„Mein Vater war Volljude. Daher begann mit der Machtergreifung eine schlechte Zeit für uns. Bei allen Gelegenheiten wurden uns Schwierigkeiten bereitet. Die dauernden Aufregungen mögen ihren Teil dazu beigetragen haben, dass mein Vater, obwohl in den besten Jahren, immer mehr verfiel, im Herbst 1936 schwer erkrankte und am 16. März 1937 verstarb. Um diese Zeit kam ich auf die 15. Volksschule in Berlin-Grünewald und nach der entsprechenden Zeit auf die Fichte-Oberschule zu Berlin-Wilmersdorf, die ich dann später verlassen musste.“

„Vor allem die Westberliner ‚Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit‘ organisierte weitreichende politische Aktionen. Auch Fritz Flatow war Mitglied der Gruppe. Dieser Widerstand bestand darin, dass man also Flugblätter in die S-Bahn Züge klebte, Flugblätter am Potsdamer Platz, also hart an der Sektorengrenze streute, dass man versuchte, Funktionäre oder auch einfache Polizisten aus Ost-Berlin zu agitieren, bestimmte Dinge nicht zu tun oder in die Bundesrepublik zu fliehen. Man hatte sich auch an Radiosendungen beteiligt und man kanalisierte Informationen aus der DDR in bestimmte Organisationen West-Berlins. Diese Dinge wurden von dem Ministerium für Staatsicherheit und den Oberen in Ost-Berlin argwöhnisch beobachtet, man sah in ihnen eine Gefährdung des eigenen Regimes und natürlich auch Spionagehandlungen. (…)“

In dem Zeitraum von 1951 bis 1953 verschwanden zehn Studenten der Freien Universität spurlos. Den Nationalsozialismus überlebt, war ihr Schicksal jetzt entführt und in der Sowjetunion hingerichtet zu werden. Einer der Studenten war Fritz Flatow.

In den Semesterferien, am 21. August 1951 fuhr Fritz Flatow mit dem Zug von West-Berlin nach Dresden in die Sowjetische Besatzungszone. Dort geriet er in eine Ausweiskontrolle. Er müsse dringend zur Toilette, äußerte er, was ihn verdächtig machte. Um dieser zu entgehen, wollte sich der politisch aktive Student auf der Toilette verstecken, fiel bei diesem Versuch aber den sowjetischen Beamten auf und musste sich einer Leibesvisitation unterziehen. Bei seinen Notizen fand man verdächtige Adressen aus Meißen und West-Berlin und sowjetische Autonummern. Auch ein SED-Abzeichnen soll dabei gewesen sein. Fritz Flatow wurde im Gefängnis Dresden, Königsbrücker Straße festgehalten.

„Facts & Files“, das Historisches Forschungsinstitut in Berlin, und die russische Menschenrechtsorganisation „Memorial“ in Moskau beschreiben den weiteren Ablauf: Die nach Prozessen Verurteilten wurden in das Gefängnis Berlin-Lichtenberg gebracht und anschließend vom sowjetischen Geheimdienst in getarnten Eisenbahnwaggons nach Moskau verschleppt. Dort erschoss man sie im Keller des Gefängnisses Butyrka. Danach ließ der sowjetische Geheimdienst die Toten im einzigen Krematorium der Stadt auf dem Friedhof Donskoje einäschern. Ihre Asche wurde im Umfeld des Krematoriums in Massengräbern verscharrt.

Die neun anderen Studenten wurden im gleichen Zeitraum (1951 bis 1953) entführt und hingerichtet. Ihre Namen: Günter Beggerov, Günter Malkowski (ein SPD-Mitglied, an das sich in der Partei kaum jemand erinnert), Kurt Neuhaus, Aegidus Nienz, Friedrich Prantsch, Dieter Püschel, Werner Schneider, Wolf Utecht und Karl-Heinz Wille.

Fritz Flatow wurde wegen angeblicher Spionage für den westdeutschen Geheimdienst am Heiligabend, dem 24. Dezember 1951, zum Tode durch Erschießen verurteilt. Das Präsidium des Obersten Sowjets lehnte sein Gnadengesuch am 18. März 1952 ab, am 20. März 1952 wird das Urteil per Genickschuss in Moskau vollstreckt.
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Die Ausstellung „Erschossen in Moskau“ ist bis 30. August 2015 in der Gedenkstätte Leistikovstraße in Potsdam zu besichtigen.

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