April 5, 2019 – 29 Adar II 5779
Europa: Der seltsame Weckruf des George Soros

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Der jüdische Israelfeind George Soros hat für seine Open-Border-Visionen die Grünen als Lieblinge in der deutschen Parteienlandschaft auserkoren. 

Von Peter Grimm

Sich kritisch über George Soros zu äußern, ist bekanntermaßen heikel, denn man wird nur allzu schnell in die schlechte Gesellschaft diverser Antisemiten einsortiert. Selbst viele Meinungsbildner, die sich gern in der Rolle der Kapitalismuskritiker gefallen, sind sehr um den Ruf des größten Finanzspekulanten besorgt. Schließlich hat er ja nicht nur Währungen und Volkswirtschaften gewinnbringend ruiniert, sondern über seine Stiftung auch unendlich viele Initiativen und Bildungseinrichtungen, die sich für eine bessere Welt einsetzen, initiiert und gefördert.

Da er mit seiner Rolle auf den internationalen Finanzmärkten und der Bedeutung seiner Stiftung zu den Großen dieser Welt gehört und sich die Legitimität dazu mit cleverem Einsatz seines Reichtums selbst verliehen hat, bauen ihn eben auch Verschwörungstheoretiker verschiedener Couleur gern in ihr Weltbild ein. Und in das Umfeld wird auch schnell einsortiert, wer das Schaffen dieses Mannes anhand von Fakten kritisch würdigt.

Diese Vorrede dient nur der Vermeidung von Missverständnissen, denn hier soll es nicht einmal ansatzweise um eine Generalabrechnung gehen, sondern nur auf einen Artikel dieses einflussreichen Mannes verwiesen werden, der einfach interessante Rückschlüsse auf die Gedankenwelt des George Soros zulässt.

Bitte wach auf, Europa“ nennt er seinen „Appell zur Verteidigung der EU“, der vor einigen Tagen im „Standard“ erschien. Und der enthält einen erstaunlichen Kernsatz:

Europa schlafwandelt in Richtung Untergang, und die Europäer müssen aufwachen, bevor es zu spät ist. Tun sie es nicht, wird die Europäische Union dem Muster der Sowjetunion aus dem Jahr 1991 folgen. Weder unsere Regierungen noch die Normalbürger scheinen zu verstehen, dass wir an einem revolutionären Moment stehen, dass die Bandbreite der Möglichkeiten enorm ist und dass das letztliche Resultat daher höchst ungewiss ist.“

Bislang blieb die Gleichsetzung der EU mit der Sowjetunion immer ihren Kritikern vorbehalten, um die undemokratische Aushöhlung der Einflussmöglichkeiten der Bürger in den Mitgliedstaaten durch eine Brüsseler Nomenklatura anzuprangern. Damit in einem „Appell zur Verteidigung der EU“ zu kommen, ist schon „ä bissl speziell“, wie man es auf Sächsisch ausdrücken würde.

Was will uns Soros damit sagen? Dass auch das Zerbrechen der Sowjetunion zu bedauern wäre? Dass man es besser verhindert hätte? Immerhin läge er damit genau auf der Linie von Wladimir Putin, der den Untergang der Sowjetunion bekanntlich einmal in einer Rede zu einer der größten Katastrophen der Geschichte erklärt hat. Aber das klärt sich vielleicht später noch auf.

Der sich als EU-Verteidiger berufen fühlende Soros wird sicher nicht beabsichtigt haben, die EU in eine Reihe mit dem Völkergefängnis Sowjetunion zu stellen. Allerdings klingen die Empfehlungen, die er zur Rettung EU-Europas gibt, sehr nach dem Motto: Weniger Demokratie wagen! Zitat:

Der nächste Wendepunkt werden die Wahlen zum Europaparlament im Mai 2019 sein. Leider werden die antieuropäischen Kräfte an der Urne einen Wettbewerbsvorteil genießen. Dafür gibt es mehrere Gründe, darunter das nicht mehr zeitgemäße Parteiensystem in den meisten europäischen Ländern, die praktische Unmöglichkeit einer Vertragsänderung und den Mangel an rechtlichen Instrumenten zur Disziplinierung von Mitgliedstaaten, die gegen die Gründungsprinzipien der Europäischen Union verstoßen. Die EU kann Bewerberländern das Gemeinschaftsrecht aufzwingen, doch fehlt es ihr an ausreichenden Befugnissen, um dessen Einhaltung durch die Mitgliedstaaten zu erzwingen.“

Also das Bedauern darüber, dass Brüsseler Gremien die Mitgliedstaaten nicht ausreichend zur Einhaltung von EU-Beschlüssen zwingen können, ist klar verständlich und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Soros sind die Mitgliedstaaten einfach noch zu souverän gegenüber der EU. Aber was ist jetzt am Parteiensystem nicht mehr zeitgemäß?

Das antiquierte Parteiensystem hindert diejenigen, die die Gründungswerte der EU bewahren wollen, aber hilft jenen, die diese Werte durch etwas radikal anderes ersetzen wollen. Dies trifft auf einzelne Länder zu und noch stärker auf transeuropäische Bündnisse.

Das Parteiensystem der einzelnen Staaten spiegelt die Trennlinien wider, die im 19. und 20. Jahrhundert wichtig waren, wie etwa den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit. Doch die Spaltung, die heute am wichtigsten ist, ist die zwischen pro- und antieuropäischen Kräften.“

Dass George Soros der Konflikt zwischen Kapital und Arbeit nicht so wichtig ist, ist leicht nachvollziehbar. Dass es aber unter den Angesprochenen gerade in der linken Hälfte des politischen Spektrums kaum Stimmen gibt, die an dieser Stelle aufschreien, ist verwunderlicher. Aber gut, halten wir uns nicht damit auf, denn Soros hat auch eine Botschaft an die Deutschen:

Das beherrschende Land der EU ist Deutschland, und das vorherrschende politische Bündnis in Deutschland – zwischen CDU und CSU – ist unhaltbar geworden. […] Der Aufstieg der AfD beendete den Daseinszweck des Bündnisses aus CDU/CSU. Doch kann das Bündnis nicht aufgekündigt werden, ohne Neuwahlen auszulösen, die sich weder Deutschland noch Europa leisten kann. Beim gegenwärtigen Stand der Dinge kann die herrschende Koalition nicht so robust proeuropäisch agieren, wie sie das täte, wenn die AfD nicht ihre rechte Flanke bedrohte.“

Neuwahlen kann sich keiner leisten? Durch die Existenz der AfD könne die Regierung nicht so „robust proeuropäisch“ agieren, wie sie es sonst täte? Das kann man Soros natürlich getrost glauben, bei seinem sicher exzellenten Einblick in die Gedankenwelt der politischen Eliten. Nur die Erkenntnis, dass all dies Ausdruck einer unter Wahlbürgern weit verbreiteten Ablehnung des „robusten“ und teuren „proeuropäischen“ Agierens sei, lässt der Spitzenspekulant lieber nur angedeutet.

Viel wichtiger ist: Soros hat auch in diesem schwierigen Deutschland seine Hoffnungsträger gefunden:

Die Situation ist durchaus nicht hoffnungslos. Die deutschen Grünen haben sich zur einzigen konsequent proeuropäischen Partei im Lande entwickelt, und sie legen in den Meinungsumfragen weiter zu, während die AfD ihren Zenit (außer in den neuen Bundesländern) erreicht zu haben scheint. Doch nun werden die CDU/CSU-Wähler von einer Partei vertreten, deren Bekenntnis zu den europäischen Werten zwiespältig ist.“

Was läge da wohl näher, als endlich eine robuste schwarz-grüne Koalition zu bilden? Gut, ohne Neuwahlen müsste man dann doch noch einmal versuchen, die FDP zu überreden. Aber wenn es um die Rettung Europas geht, werden die sich doch nicht noch einmal verweigern, oder?

Ja, auch in anderen Ländern, das können Sie hier im Appell nachlesen, steht es schlecht um die Parteien und ihr Verhältnis zu Europa. Und auch wenn die deutschen Grünen so hoffnungsvoll sind. Generell klingt Soros wirklich nicht optimistisch:

Es ist schwer zu erkennen, wie die proeuropäischen Parteien siegreich aus der Wahl im Mai hervorgehen können, wenn sie nicht Europas Interessen vor ihre eigenen stellen. Man kann noch immer für eine Bewahrung der EU plädieren, um diese radikal neu zu erfinden. Aber das würde in der EU einen Sinneswandel erfordern. Die aktuelle Führung erinnert an das Politbüro zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs der Sowjetunion, das damals weiter seine Ukasse erließ, als ob sie noch relevant wären.“

Da ist er wieder – der Sowjetunion-Vergleich. Und etwas klarer, auch wenn die Gleichsetzung der EU-Kommission mit dem KPdSU-Politbüro nun wahrlich eher an die Statements knallharter EU-Kritiker erinnert. Aber Soros will ja „Europa“, also eigentlich die EU verteidigen:

Der erste Schritt zur Verteidigung Europas vor seinen inneren und äußeren Feinden besteht darin, die Größenordnung der von ihnen ausgehenden Bedrohung anzuerkennen. Der zweite ist, die schlafende proeuropäische Mehrheit aufzuwecken und zur Verteidigung der Gründungswerte der EU zu mobilisieren. Andernfalls könnte sich der Traum vom geeinten Europa zum Albtraum des 21. Jahrhunderts entwickeln.“

Sind „Gründungswerte der EU“ für ihn nur ein sympathischer klingendes Synonym für den EU-Apparat oder ruft er tatsächlich zu einer europäischen Neugestaltung auf? Bei Letzterem müssten aber gerade auch viele EU-Kritiker angesprochen werden, denn sie sind meist keineswegs antieuropäisch, wünschen sich aber eine Gemeinschaft, die die Souveränität der Bürger stärkt und nicht einschränkt, in der mehr statt weniger Demokratie gelebt wird.

In ersterem Falle könnte es sein, dass es bald gar keine „proeuropäische Mehrheit“ mehr zu wecken gibt. Vielleicht ist man in der EU-Nomenklatura eher froh über die vielen Schlafenden, die – einmal wachgerüttelt – den Berufseuropäern das „robuste“ Agieren sicher nicht leichter machen würden.

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