Juli 6, 2015 – 19 Tammuz 5775
Erdogans Marsch nach Jerusalem

image

Der Vorreiter des Islamismus und sein langer Arm in Deutschland  

Von Mehmet Kilic

MdB a.D. (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates

„Eroberung heißt Mekka, Eroberung heißt Sultan Saladin, heißt, in Jerusalem wieder die Fahne des Islams wehen zu lassen!“

Diesen Satz hat vor einer Million Menschen nicht Achmadinedschad ausgesprochen, sondern der „unparteiische Präsident“ des EU-Beitrittskandidaten Türkei, Erdogan. Eine Woche vor den Parlamentswahlen (7. Juni 2015) wurde die Wahlkampfveranstaltung für die islamistische Partei AKP (Partei der Gerechtigkeit und Entwicklung), die als Feier des 562. Jahrestages der Eroberung von Konstantinopel getarnt war, zur Hetzveranstaltung gegen den Westen, Juden und gegen religiöse Minderheiten.
Ein Einpeitscher hat der Menge zugerufen: „Ihr seid die Generation, die Damaskus und Jerusalem erobern wird.“
„Er (Sultan Mechmet der Eroberer) hat genau kalkuliert und ist in einer Art und Weise gekommen, die Europäer überrascht hat; an die Festungen vorgestoßen, die als unüberwindbar galten und die türkischen Kanonen in Stellung gebracht. Das ist Machtdemonstration.“ Mit diesen Sätzen zeigt der Ministerpräsident Davutoglu auch noch in eine andere Marschrichtung, nämlich „Europa“ und ermutigt: „Hier ist die Eroberer-Generation“.
(…)
Die AKP und Erdogan haben mit ihrer Karriere als moderate Muslime begonnen und haben sich als banale und gefährliche Islamisten entpuppt. Sie meinen, dass sie eine „religiöse Generation“ erziehen; sie sind aber eifrig dabei, eine fanatische Generation heranzuzüchten.
(…)
Söldner in Europa
Diese einfache, plumpe und gefährliche Art der Feindschaft fällt bei einigen in Europa auf fruchtbaren Boden. Während sich die Medien vorrangig mit Drohungen durch die Naziszene gegenüber PolitikerInnen mit Migrationshintergrund beschäftigen, bedrohen auch die Islamisten PolitikerInnen mit Migrationshintergrund. Die deutschen Medien haben aber anscheinend eine gewisse Scheu, darüber zu berichten, weil sie es nicht gewohnt sind. Viele der Bedrohten und Beleidigten müssen zahlreiche Drohungen und Beschimpfungen über Facebook sofort löschen, um ihre Familie nicht zu beunruhigen und Trittbrettfahrer nicht zu ermutigen. Viele Facebook-Seiten, von denen die Drohungen ausgesprochen werden, sind mit der Kriegsflaggedes Osmanischen Reiches geschmückt, die von der deutschen Öffentlichkeit anscheinend als Folklore wahrgenommen wird.
(…)
Juden zum Zielscheibe
Wenn man in Betracht zieht, dass die islamistische AKP in Europa rechtzeitig mit viel Geld Strukturen geschaffen hat, die in die Öffentlichkeit agieren, darf man sich nicht wundern, dass in einigen Stadtteilen Menschen Angst haben, jüdische Symbole zu tragen. „Israel betreibt weiterhin Ehrenlosigkeit. Wo sind die Organisationen, die angeblich die Scharia wollen. Diese können nur Moslems töten. Weil der Islam für diese nur eine Tarnung ist!“ Twitter von Burhan Kuzu am 7. November 2014, Gründungsmitglied der AKP und ehemaliger Vorsitzender der Verfassungskommission des Parlaments. Mit dieser Mitteilung fordert Herr Kuzu den Islamischen Staat auf, Israel zu überfallen und Menschen dort zu töten. Aber vom Moslem-Sein des IS ist er nicht überzeugt; ansonsten würden diese nicht Moslems abschlachten, sondern Israel überfallen.
Wie wirken diese Sätze bei den AKP-Anhängern in Deutschland, die gerne Neo-Osmanen sein würden und davon träumen, den Auftrag von Erdogan zu erfüllen und Europa erobern zu können?

Kaderbildung der Islamisten in Deutschland
Dieses Aussagen würden viele womöglich als populistisches Getöse abtun, wenn es da nicht den Fall gegeben hätte, dass der Bundesgeneralanwalt mittlerweile Klage gegen Ankaras mutmaßliche Agenten erhoben hat, darunter ein ehemaliger Berater des Ministerpräsidenten Erdogan. Es ist zu befürchten, dass diese aufgedeckten mutmaßlichen Spitzel der türkischen Regierung nur die Spitze des Eisberges in Deutschland darstellen.
Erdogan hat seine Kaderbildung in Deutschland beschleunigt und intensiviert, seit ihm die gegen seinen Besuch gerichteten Proteste in Bochum am 17. März 2012 den „Toleranz-Preis“ (Steiger-Award) gekostet hatten. Es ist zu beobachten, dass zu diesen Kadern Politiker, Arbeitgeber, „Journalisten“ und einzelne Anwälte gehören. Diese attackieren Erdogan-Gegner in Deutschland vehement und überschütten diese mit Anzeigen und Klagen, mit dem offensichtlichen Ziel der Einschüchterung.
Der ehemalige Grünen- und spätere SPD-Europaabgeordnete Ozan Ceyhun wurde von der AKP für seinen Einsatz in diesem Dienste belohnt und erhielt einen aussichtsreichen Listenplatz für die Wahl zur Türkischen Großen Nationalversammlung. Nur aufgrund erheblicher Stimmverluste der AKP konnte er nicht gewählt werden.
Ozan Ceyhun hetzt mit islamistischem, antisemitischem und antideutschem Jargon. Mit zwei Tweets versuchte er am Wahltag die herangezüchtete fanatische Generation zur Wahlurne zu bewegen:
„Mit diesen Oppositionsparteien (CHP-MHP-HDP) kann man nur Diener und Sklave von Israel, USA und Deutschland werden.“
„Heute ist der Tag, an dem wir den Oppositionsparteien, die mit den Tempelrittern gemeinsame Sache machen, als Nation eine Antwort geben. Heute ist der Tag, an dem für eine ehrenhafte und unabhängige Türkei die AKP zu wählen ist.“
Es gibt in den Parteien in ganz Europa weitere aktive Mitglieder, die mit den Grundsätzen der jeweiligen Parteien einfach nichts zu tun haben, die Erdogans autoritären Still bewundern und sich ohne Hast und „standhaft“ für die Ziele der Islamisten einsetzen: Unterwanderung des Staates in der Diaspora.
(…)
Es stiftet wenig Hoffnung, wenn sich die von Angst besessene politische Führung in Deutschland nach dem Attentat gegen „Charlie Hebdo“ mit den türkischen Islamisten auf eine Bühne begibt, auf der diese vor dem Brandenburger Tor den Koran rezitieren lassen können.

Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.


Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke