Die Hamburger Wochenzeitung bietet der Frage, ob moslemischer Antisemitismus „gerechtfertigter“ sei als christlicher Antisemitismus, ein Forum.  

Von Gerd Buurmann

Es gibt Ankündigungen, da bleibt einem die Spucke weg. Diese Ankündigung der Zeit gehört definitiv dazu:

„Kann „muslimischer“ #Antisemitismus gerechtfertigter sein als der von christlich sozialisierten Europäern? Ja, findet David Ranan.“

Judenhass hat eine lange Geschichte und wurzelt sowohl im Christentum als auch im Islam. Alle Ideologien, die sich gegen Juden richten, finden fruchtbare christliche oder muslimische Böden vor. Kein Hass ist gerechtfertigter.

Das Wort Antisemitismus ist historisch gesehenen der pseudo-wissenschaftliche Versuch, dem alten religiösen Judenhass ein neues modernes Gewandt zu geben und geht zu einem nicht unerheblichen Teil auf den Journalisten Wilhelm Marr (1819-1904) zurück. Er gehörte dem extrem linken Flügel der radikal-demokratischen Partei um 1848 an und war erklärter Atheist. In seiner Überzeugung waren die Juden schuld am Liberalismus, weil er sich den jüdisch konnotierten Kapitalinteressen verschrieben habe. In Berlin erschien im Februar 1879 Marrs Propagandaschrift „Der Sieg des Germanenthums über das Judenthum – Vom nichtconfessionellen Standpunkt aus betrachtet“, die noch im selben Jahr zwölf Auflagen erlebte. In dieser Schrift grenzt sich Marr deutlich von der traditionellen religiösen Judenfeindschaft ab und behauptet stattdessen, dass die Juden eine fremde Rasse von „Parasiten“ seien, die erfolgreich die Ausbeutung Deutschlands betreibe.

Marr prägte wesentliche Klischees und Schlagworte, die weit über seinen persönlichen Erfolg hinaus weiterwirkten und die Diskussion um die „Judenfrage“ bestimmten. So legte er 1880 mit seiner Schrift “Goldene Ratten und rothe Mäuse” die Basis für die verschwörungstheoretische Gleichsetzung von Judentum, Kapitalismus und Kommunismus, wie sie später Adolf Hitler in „Mein Kampf“ vertrat. Mit pseudo-wissenschaftlicher Akribie wurde der Judenhass von Wilhelm Marr intellektuell gerechtfertigt und dadurch brutalisiert. Die „Zeit“ hätte damit vermutlich getitelt:

„Kann „linker“ #Antisemitismus gerechtfertigter sein als der von christlich sozialisierten Europäern? Ja, findet Wilhelm Marr.“

Auch viele Religionskritiker und Aufklärer waren glühende Judenhasser. Voltaire zum Beispiel schreibt über Juden:

„Sie wurden alle mit rasendem Fanatismus im Herzen geboren, so wie die Bretonen und Deutschen alle blond sind.“ / „Mich würde nicht im mindesten wundern, wenn diese Leute eines Tages gefährlich würden für das Menschengeschlecht.“ / „Ihr übertrefft sämtliche Nationen mit euren unverschämten Märchen, eurem schlechten Benehmen und eurer Barbarei. Ihr habt es verdient, bestraft zu werden, denn das ist euer Schicksal.“

Die „Zeit“ hätte damit vermutlich getitelt:

„Kann „aufgeklärter“ #Judenhass gerechtfertigter sein als der von christlich sozialisierten Europäern? Ja, findet Voltaire.“

Der Judenhass hat eine lange christliche Geschichte. Schon in den frühen christlichen Texten finden sich judenfeindliche Passagen. Ein typisch Beispiel für das gespaltene Verhältnis vieler Christen zu Juden ist die Karfreitagsfürbitte für Juden. Seit dem 6. Jahrhundert bitten Christen bei Gott darum, den Schleier vom Herzen der „treulosen“ Juden zu nehmen und ihnen die christliche Erkenntnis zu schenken, um sie so der „Verblendung ihres Volkes“ und der „Finsternis” zu entreißen. Eine zaghafte Kritik an der traditionellen Judenfürbitte wurde erst nach dem Holocaust formuliert.

Den christlichen Höhepunkt erreichte die Brutalität des Judenhasses jedoch durch die Reformation. Martin Luther erklärte in seinem Werk „Von den Jüden und ihren Lügen”:

„Die Juden sind ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes Ding, dass sie 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen.“

In seinem „Handbuch über die Judenfrage“ forderte Martin Luther jene Dinge, die im 20. Jahrhundert am Wannsee in Berlin zur deutschen Staatsräson unter Hitler werden sollten:

„Ich will meinen treuen Rat geben. Erstlich, dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich …“

Die „Zeit“ hätte damals vermutlich geschrieben:

„Kann „reformierter“ #Judenhass gerechtfertigter sein als der von katholisch sozialisierten Europäern? Ja, findet Martin Luther.“

Auch der Islam ist bekannt für seinen Hass auf das Judentum. Viele Muslime sind fest davon überzeugt, dass die Welt friedlich wäre, wenn nur alle den Islam annehmen würden. Es verwundert daher nicht, dass auch im Islam ein brutaler Judenhass zu finden ist. In einer im 21. Jahrhundert gehaltenen Predigt befasst sich Scheich Ibrahim Madhi mit einer Hadith-Stelle, in der Mohammed die perfekte Welt erst nach dem Tod aller Juden verorten kann.

Mohammed sagt dort: „Die Stunde wird nicht kommen, bis ihr gegen die Juden solange kämpft, und bis der Stein, hinter dem sich der Jude versteckt hat, spricht: ‚Du Muslim, hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt, so töte ihn.‘“

Scheich Ibrahim Madhi interpretiert: „Der Prophet sagt: ‚Die Juden werden gegen euch kämpfen, und Allah wird Euch als Herrscher über sie setzen.‘ Wir blasen sie in die Luft in Hadera, wir blasen sie in die Luft in Tel-Aviv und in Netanja. Und auf diese Weise wird Allah uns als Herren über diese Rotte hergelaufener Landstreicher setzen. Wenn ein Jude sich hinter einem Stein oder einen Baum versteckt, dann werden der Stein oder der Baum sagen: ‚Oh Muslim, oh Diener Allahs, ein Jude versteckt sich hinter mir, komm und töte ihn…‘“

Als die Nazis ihren mordenden Judenhass propagierten, ging Heinrich Himmler ein Bündnis mit Teilen des Islams ein, u.a. mit dem Mufti Al Husseini. Dieses Bündnis wird noch heute von islamischen Organisationen als heilig angesehen, der Hitlergruß ist gängige Praxis bei der Hamas wie bei der Hisbollah.

Mehrere islamische Staaten, unter ihnen Algerien, Saudi-Arabien, Jordanien und Libyen sind nach wie vor stolz darauf „judenfrei“ zu sein. Sie haben geschafft, woran Hitler gescheitert war.

Die brutalsten judenfeindlichen Ausschreitungen in Europa haben mittlerweile allesamt einen islamistischen Hintergrund.

Am 21. Januar 2006 wurde in Frankreich Ilan Halimi von einer Gruppe muslimischer Einwanderer entführt und über einen Zeitraum von drei Wochen gefoltert, weil er Jude war. Er erlag seinen Verletzungen.

Am 19. März 2012 wurden vier Menschen vor einer jüdischen Schule in Toulouse getötet, weil sie Juden waren. Drei der Opfer waren Kinder.

Im Jahr 2014 wurden in Brüssel im jüdischen Museum drei Menschen durch einen Islamisten ermordet. Im gleichen Jahr riefen Islamisten auf deutschen Straßen dazu auf, Juden zu vergasen!

Mireille Knoll, die am 28. Dezember 1932 geboren wurde und als Jüdin den Holocaust überlebt hatte, wurde am 23. März 2018 in Paris brutal abgeschlachtet und verbrannt. Das Wort „Holocaust“ kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet: „Vollständig verbrannt“. Mireille Knoll überlebte zwar den Holocaust, aber im Jahr 2018 wurde sie verbrannt, weil sie Jüdin war.

In der Nacht zum 4. April 2017 wurde ebenfalls in Paris die 66-jährige Jüdin Sarah Lucy Halimi von einem 27-jährigen Mann schlafend in ihrem Bett mit diversen Messerstichen gemeuchelt und dann vom Balkon ihrer Wohnung im 3. Stock auf die Straße geworfen. Der Täter schrie während der Tat „Allahu Akbar!“ Im späteren Verhör erklärte der Täter, der Koran habe ihm den Auftrag gegeben und er habe ganz bewusst die Frau getötet.

Nachdem einer der Terroristen rund um den Anschlag auf „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 in einem jüdischen Supermarkt in Paris Geiseln genommen und vier Menschen getötet hatte, rief er den französischen Sender BFMTV an, um seine Forderungen zu verbreiten. Der Sender fragte: „Haben Sie das Geschäft aus einem bestimmten Grund ausgesucht?“ Die Antwort kam prompt: „Ja. Die Juden!“

Und die „Zeit“ titelt:

„Kann „muslimischer“ #Antisemitismus gerechtfertigter sein als der von christlich sozialisierten Europäern? Ja, findet David Ranan.“

Es gibt eine Menge Verbindungen zwischen Mohammed, Luther und Hitler. Sie sollten nicht gerechtfertigt werden. Judenhass ist erschreckend wandelbar. Der christliche Judenhass war ein Antijudaismus. Antijudaisten nannten Juden Kindermörder, verfolgten sie und griffen ihre Synagogen an. Antijudaismus ist der Hass auf das Judentum als Religion.

Mit der Aufklärung nahm der christliche Antijudaismus ab. An seiner Stelle nahm der Antisemitismus den Platz ein. Antisemiten erklärten Juden zu einer minderwertigen Rasse nannten Juden Kindermörder, verfolgten und ermordeten sie und griffen ihre Synagogen an. Antisemitismus ist der Hass auf das Judentum als Rasse.

Als der Antisemitismus aufkam, kannten viele Menschen nur den klassischen Antijudaismus, den sie nicht mehr als so große Gefahr ansahen. Das Christentum hatte seine absolute Macht eingebüßt. In Deutschland wurden Juden Ende des 19. Jahrhunderts vollwertige Bürger des Deutschen Kaiserreichs. Als der Antisemitismus aufkam, wurde er fahrlässig unterschätzt und teilweise sogar gerechtfertigt. Deshalb konnte er wüten.

Mit dem Ende des Nationalsozialismus nahm auch der Antisemitismus langsam ab. An seine Stelle trat der Antizionismus. Antizionisten nennen Israelis Kindermörder, verfolgen und ermorden sie und greifen Synagogen in der ganzen Welt an. Sie boykottieren Israel, foltern Juden, erschießen Kinder, ermorden und verbrennen Holocaustüberlebende, hetzten Kinder gegen Juden auf, brüllen auf offener Straße, Juden seien Schweine, die vergast werden sollen und lassen keine Gelegenheit aus, gegen Israel zu hetzen und Davidsterne zu verbrennen. Antizionismus ist der Hass auf das Judentum als Nation.

Wer ihn rechtfertigt, brutalisiert ihn!

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Nachtrag: Die „Zeit“ rudert zurück und bittet um Entschuldigung.

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