Februar 2, 2017 – 6 Shevat 5777
Deutsche Journalisten toben gegen Trump

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Dr. Nikoline Hansen  

Amerika hat gewählt und die Gemüter in großen Teilen der Welt sind beunruhigt. Insbesondere die Medien bemühen sich dem ausgerufenen postfaktischen Zeitalter alle Ehre zu bereiten und überstürzen sich in Kommentaren, in denen Weltuntergangsstimmung heraufbeschworen wird. Nun ist es sicherlich schwer zu akzeptieren, dass in der so genannten zivilisierten Welt, in der man sich nach außen erheblich darum bemüht Anstand zu zeigen, ein Mensch Präsident wurde, der viele Eigenschaften, die man mit Zivilisation, Fortschritt und eben Anstand verbindet, augenscheinlich nicht vorweisen kann. Höflichkeit scheint ihm ein Fremdwort zu sein. Frauen und Minderheiten scheint er Verachtung entgegenzubringen, und seine hervorragendste Eigenschaft ist es, die Hemdsärmel hochzukrempeln und zu agieren.

Darüber hinaus scheint er allerdings durchaus ein gewisses Charisma zu besitzen – denn auch wenn sein Wahlsieg dem amerikanischen Wahlsystem geschuldet ist, so hat er es doch verstanden, eine deutliche Anzahl von Wählern hinter sich zu vereinen. Dabei spielte neben seiner unnachahmlichen hemmungslosen Chuzpe, die er nicht nur in seinen privaten Geschäften, sondern auch im Wahlkampf an den Tag gelegt hatte, sicher auch die Hoffnung eine Rolle, die sein größtes Wahlversprechen war: „Make America great again“. Heißt auch: gib denen, die täglich um ein menschenwürdiges Leben kämpfen, eine Chance und belebe den alten Traum wieder, der einst hieß „vom Tellerwäscher zum Millionär“. Bekämpfe ein verfilztes und korruptes politisches System, das über kurz oder lang jeden Staat in den Untergang treiben kann.

Es ist vielleicht nicht erstaunlich, dass die Wahl, deren Ausgang niemand so hatte kommen sehen wollen und der die überwältigende Mehrheit der deutschen Medien, Politiker und Bürger mit schmerzlicher Überraschung traf, da man Donald Trump für ein absurdes Faktotum, das niemals Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden können würde, hielt – und ihn wohl nach wie vor für unfähig hält, dieses Amt zu bekleiden. Selbst nachdem er es geschafft hatte als Kandidat der Republikaner in die finale Runde des Wahlkampfs vorzudringen, wurde er belacht, als Witzfigur vorgeführt und wegen seiner uncharmanten direkten Art als untragbar lächerlich und damit unwählbar erachtet.

Der Schock war umso größer als sich dies als Irrtum entpuppte. Der deutsche Außenminister setzte ein erstes Zeichen, indem er die Gratulation verweigerte. Die deutschen Medien brachen in Panik aus, und in weiten Teilen der Bevölkerung kam es zu hysterischen Reaktionen. Besonders beliebt war die Befürchtung, dass eine der ersten Amtshandlungen des Präsidenten sein würde, „den roten Knopf“ zu drücken und einen Atomkrieg vom Zaun zu brechen. Ein ansonsten reflektierter Journalist einer der großen deutschen Printmedien schreibt eine Woche nach Amtsantritt:

„Wutausbrüche, Lügen vor der Presse, radikale Erlasse: Trump lässt sich von niemandem zähmen, selbst enge Berater verzweifeln. Der US-Präsident regiert wie ein Unterschriftenautomat – und hat noch große Pläne.“

Das irritiert – fast könnte man meinen, die Wut der deutschen Presse speise sich daraus, dass sie in ihren Prognosen so daneben gelegen hat. Denn ganz im Gegensatz zu üblichen Gepflogenheiten wird diesem Präsident keine Schonfrist nach Amtsantritt gewährt – im Gegenteil, die vermeintlichen Hiobsbotschaften und Hasstiraden brechen nicht ab.

Nun muss man sich fragen, ob jemand, der „sich von niemandem zähmen“ lässt, zugleich ein „Unterschriftenautomat“ sein kann – irgendjemand muss die Texte ja vorbereiten, und auch der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika regiert nicht alleine. Im Gegenteil, es sieht so aus als wisse er genau, was er dort unterschreibt; es ist extrem konservativ und lockt seine Gegner aus der Reserve. Insofern muss man sich auch fragen, weshalb durchaus verständliche Schritte wie die Ankündigung, künftig deutlich genauer hinzuschauen, wofür das Geld der amerikanischen Steuerzahler ausgegeben wird, nicht nur Empörung, sondern geradezu Panik hervorrufen - „30 Sekunden näher am Weltuntergang“ titelt die Münchner Abendzeitung.

Dass die britische Premierministerin Theresa May Donald Trump einen Besuch abstattete und dabei eine Gegeneinladung aussprach, untertitelt die „Welt“ mit dem aufschlussreichen Satz „Donald Trumps Auftritt mit Theresa May war beinahe staatsmännisch.“ Ein großes Onlineportal titelt angesichts des Treffens „Handzahmer Präsident“ und die Kommentatoren überschlagen sich einmal mehr in ihrer Weltuntergangsstimmung angesichts des Affronts gegen Europa, den diese mögliche neue Allianz nach dem angekündigten und derzeit verhandelten Brexit impliziert. Die Empörung könnte kaum größer sein – und es scheint, man warte nur auf eine Beleidigung, um endlich etwas Handfestes in der Hand zu haben, an dem man sich abarbeiten kann.

Nun kann man über Trump sagen, was man will – eines ist sicher: Er hält mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Etwas, an das sich die Öffentlichkeit gewöhnen musste, ist seine Angewohnheit selbst zu twittern. Nun ist es nicht mehr ungewöhnlich, dass soziale Medien auch im Wahlkampf und in der Politik zum Einsatz kommen. Dass jedoch jemand wie der amerikanische Präsident einen persönlichen Twitter-Account besitzt und sich seiner bedient, um seine eigene Kommunikation ungefiltert mit der Öffentlichkeit zu führen, scheint gewöhnungsbedürftig – nicht wenig wurde über die Gefährlichkeit dieser Tatsache und darüber spekuliert, ob es dem Präsidenten nicht verboten werden sollte weiter zu twittern. So ist es sicher ungewöhnlich, wenn ein Staatsoberhaupt ein anderes via Twitter quasi auslädt – so wie Trump es am 26. Januar tat, als er erklärte, dass es wohl besser sei das bevorstehende Treffen abzusagen, wenn Mexiko nicht gewillt wäre für die Mauer zu zahlen – eine Nachricht, die immerhin bei 111.000 Anhängern auf Zustimmung stieß.

Wir sollten uns in Zukunft also wohl darauf einrichten, Nachrichten aus dem Weißen Haus ungefiltert zur Kenntnis zu nehmen, wenn wir wirklich in der Lage sein wollen Trump und seine Politik zu be- oder verurteilen, wie es derzeit einseitig in der Medienlandschaft geschieht. Wo in der deutschen Presse war zu lesen, was der amerikanische Präsident zum Holocaust-Gedenktag am 27. Januar sagte? „Im Namen der Toten verspreche ich, während meiner Präsidentschaft und während meines Lebens alles in meiner Macht stehende zu tun, um sicherzustellen, dass die Kräfte des Bösen niemals wieder die Kräfte des Guten besiegen. Gemeinsam werden wir Liebe und Toleranz überall in der Welt verbreiten.“ Das gefiel übrigens nur 45.000 Twitternutzern.

Trotzdem ist es vielleicht auch diese vehement geleugnete moralisch integre Grundüberzeugung, die Israel Hoffnung beschert. Denn eine der letzten Amtshandlungen Obamas, die Überweisung einer nicht unerheblichen Finanzspritze an die Palästinensische Autonomiebehörde, wurde von Trump sofort gestoppt. Alleine die Spekulation darüber, dass mit dem Amtsantritt Trumps die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt werden könnte, hatte bereits zur Androhung von Gewalt seitens der „Palästinenser“ geführt – für den ehemaligen deutschen Außenminister Steinmeier ein Grund, diese Ankündigung Trumps in bewährter Manier als Provokation zu werten. Nun zeigt sich allerdings, dass Trump wohl zumindest für diesen Konflikt einen guten Berater an seiner Seite hat, auf die er sicher auch hören wird: es handelt sich schließlich um seinen Schwiegersohn.

Trump mag kein geborener Diplomat sein. Er ist aber sicher auch nicht so dumm, wie es viele Menschen zu glauben scheinen. In jedem Fall wirkt er erfrischend ehrlich. Dass er dabei nicht zimperlich ist, müssen die Menschen, mit denen er zu tun hat, aushalten. Die Frage ist, ob der Rest der Welt mit dieser neuen offenen Direktheit eines Staatschefs umgehen und sie als freiheitliche Chance begreifen kann. Eine Herausforderung ist es allemal.

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