Januar 11, 2019 – 5 Shevat 5779
Den Bock zum Gärtner

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Cemile Giousouf, die enge Beziehungen zur rechtsradikalen Organisation der türkischen Grauen Wölfen pflegte, ist aussichtsreiche Kandidatin für den Posten der Vize-Chefin der Bundeszentrale für Politische Bildung.  

Von Jaklin Chatschadorian

Würden Sie einem Freund der NPD die politische Bildung zukünftiger Generationen anvertrauen oder ihn für sein Engagement auszeichnen? Zu wenige Menschen in Deutschland stören sich an Menschenfeindlichkeit mit Migrationshintergrund. Die vom Verfassungsschutz beobachtete Bewegung der Grauen Wölfe etwa ist in ihrem Hass auf bestimmte Gruppen der nationalsozialistischen Ideologie sehr ähnlich. Sie vereint die nationalistische Selbstüberhöhung klassischer Nationalisten mit der islamistischen Abwertung all jener, die nicht an die Gründungsgestalt des Islams glauben.

Für die Erreichung ihrer hegemonialen Ziele schreckt sie auch vor Gewalt nicht zurück. Dabei geht es nicht nur um einen legalistischen Ansatz, sondern auch um die aktive Kriegsbeteiligung zugunsten einer türkisch-islamischen Vorherrschaft im Kampf um einen verdienten Platz unter den Supermächten. Juden, Armenier, Kurden, Aleviten und Griechen gehören zu ihren klassischen Feindbildern. Man findet sie als Soldaten der türkischen Armee oder als Söldner in Syrien, im Irak oder in Aserbaidschan, zur Unterstützung der Türken im besetzten Zypern, im Kampf für „Palästina“ und nicht zuletzt auch in der deutschen Politik.

Zwar ist in der türkischen Gemeinschaft der Nationalislamismus, anders als der deutsche Nationalsozialismus, nicht verpönt. Da jedoch die Gesinnung nicht immer politisch korrekt formuliert werden kann, ist eine hohe Dunkelziffer zu beklagen. Dies gilt v.a. mit Blick auf Deutschtürken, die sich in die hiesige Lebenswirklichkeit integriert haben, erfolgreich im Beruf oder in der Politik stehen und sich folglich der klassischen Erkennungsmerkmale oder einer offiziellen Mitgliedschaft nicht bedienen dürfen. Im Machtkampf der Parteien hat sich über das Mittel der Integrationspolitik über die Jahrzehnte eine viel subtilere Schützenhilfe entwickelt. Unter dem Stichwort „Dialog und interkulturelle Öffnung“ wird der Umgang mit radikalen Kräften in das Gewand des Edelmutes gekleidet und zu einem Kampf gegen Rassismus verklärt. Dieser Prozess der Umdeutung lässt sich in Deutschland vielfach beobachten. Es geht um ein strukturelles Problem der politischen Debatte sobald es um den Bereich „mit Migrationshintergrund“ geht.

Zugespitzt lässt sich sagen, dass kritische Stimmen zu Migration und Islam fast schon notorisch zum „Holocaustplädoyer“ erklärt werden, während das Bekenntnis zu ausländisch-neofaschistischen Ideologien für „interkulturelle Kompetenz“ gegen (deutschen) Rassismus zu stehen scheint.

Problem-Benenner werden zum Problem erklärt
Verschiedene Akteure der Basis könnten ein Zusammenschluss bilden, z.B. mit Lehrern, Sozialarbeitern, Justizangestellten, Ärzten, Flüchtlingen und Bestandsmigranten, um auf Probleme der grenzenlosen Migration hinzuweisen. Sie sprechen alle privat über rückständige Denkmuster, die sich auf die Integration auswirken, etwa wenn die Frau im Integrationskurs fehlt, weil der Ehemann krank oder anderweitig terminiert ist. Diese Berufsgruppen reden über ihre Erfahrungen mit Misogynie und Homophobie, über Versuche Dolmetscher im Rahmen einer Anhörung auf die eigene Seite zu ziehen, über die Verachtung der Ungläubigen, über Antisemitismus und die Neigung, stets den Islam anpreisen zu müssen. Sie können eigentlich genau das zeigen, was etwa der geschasste Spiegel-Reporter Claas Relotius, ebenso wie viele sogenannte „Haltungsjournalisten“ zu vertuschen versuchen. Sie müssen aber Verleumdung fürchten, sobald sie öffentlich werden. Ungerechte Verallgemeinerung und persönliche Frustration würde ihnen vorgeworfen werden, um gewünschte „Wahrheiten“ aufrecht zu erhalten.

FDP und Graue Wölfe
Mehmet Daimagüler ist Rechtsanwalt und Autor. Bekanntheit erlangte er als Vertreter der Nebenklage im NSU-Prozess. Seine Äußerungen vor Gericht waren eher politischer als juristischer Natur. Als Opferanwalt warf er den Behörden, in Fortsetzung seines bereits 2011 Ausgrenzung beklagenden Buches, institutionellen Rassismus vor. Im November des gerade vergangenen Jahres sprach er bei Schülern einer Bonner Realschule über Menschenfeindlichkeit und die NSU-Prozesse, über Rechtsextremismus und Rechtsstaat, und plädierte für mehr Zivilcourage. Wenige Tage zuvor hatte er, unter Laudatio des NRW-Integrationsministers Joachim Stamp (FDP) den Haubergsknipp-Ehrenpreis für höchstes Engagement zugunsten des Gemeinwohls erhalten.
Die Anfang 2018 erfolgten Vorträge des Juristen bei verfassungsschutzrelevanten, nationalislamistischen Vereinigungen, der Atib-Jugend (Jugendgruppe der Grauen Wölfe) und der Milli Görüs-Bewegung (IGMG), störten weder die staatliche Schule noch die Preisverleiher. 

Sympathie für einen Nazi
Adil Önder, der Vorsitzende der Bielefelder DITIB-Moschee erhielt Ende 2018 den mit insgesamt 10.000 Euro dotierten Integrationspreis der Stadt Bielefeld. Er wurde für seine Verdienste unter Laudatio von Gesine Schwan (SPD) geehrt. Önder habe die Ausrichtung der Moschee-Gemeinde im Hinblick auf Toleranz und Dialog maßgeblich geprägt und setze sich für einen menschenfreundlichen Islam ein. Gerade zwei Monate vor seiner Auszeichnung posierte Önder am Denkmal für Alparslan Türkes (1917-1997). Unter seinem Bild hinterließ er eine Anmerkung in türkischer Sprache, die von einem „seligen Oberbefehlshaber“ spricht und sich von seinem Gott Zufriedenheit mit seiner Nation erbittet. Türkes war der Gründer der Grauen Wölfe und zitierte gern aus Hitlers Buch „Mein Kampf“. Das mediale Interesse an dem Preisträger war gleichwohl mehrheitlich positiv. Angesprochen auf den Besuch der Grabstätte sagte er dem WDR, diesmal auf Deutsch, er teile die Ansichten des rechtsextremen Politikers nicht, habe in Ankara viele private Fotos gemacht und sei unpolitisch. Damit war die Sache offenbar erledigt.

Cemile Giousouf
Abschließend sei auf Cemile Giousouf (CDU, MdB a.D.) hingewiesen. Sie steht, nachdem sie zunächst mit der Kandidatur für ein EU-Mandat im Gespräch war, der Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) als Vizevorsitzende zur Verfügung. Als Leiterin der Fachabteilung würde sie die Arbeit von sieben Fachbereichen (u.a. Extremismus) innerhalb der Behörde koordinieren. Giousouf, derzeit Mitglied im Kuratorium des „Rates muslimischer Studierender und Akademiker“ (RAMSA), einer intransparenten Organisation, bedient seit vielen Jahren die Formel „Integration & Dialog“ und arbeitet damit dem politischen Islam zu. Bereits als Vorsitzende der „Union der Vielfalt“ und als Integrationsbeauftragte der letzten Bundestagsfraktion öffnete sie Islamisten die Türen und schaffte mit Konferenzen und Tagungen Gelegenheiten des Netzwerkens. Offiziell ging es um Chancengerechtigkeit und das Wir-Gefühl, realiter wurden muslimische Bedürfnisse bedient. 2014 besuchte sie die IGMG, beehrte die Grauen Wölfe mit einem Vortrag über „Frau & Politik“, sprach bei der MÜSIAD, einer nationalislamistischen Wirtschaftsvereinigung, über „Wirtschaft, Jugend & Integration“. Ein Treffen mit einem Vertreter des „Islamic Relief“, welche Hamas und Muslimbrüdern nahesteht, fand ebenso statt wie ihr Kontakte zur Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei (UETD) nachgesagt wurden. Sie bedient die Breite des Dialogs mit Islamisten wie kaum eine andere, während sie sich regelmäßig vom Islamismus distanziert. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Man täte gut daran, die Glaubwürdigkeit der einzigen Kandidatin kritisch zu überprüfen, bevor im Besonderen Schulen mit ihrem Spiel konfrontiert werden.

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