März 9, 2018 – 22 Adar 5778
Datenschutz im Judentum

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Die jüdischen Schriften sind die wahrscheinlich ältesten Quellen, die einen Anspruch auf Privatsphäre erwähnen 

Über was redet die Thora, die restlichen Bücher des Tanach, der Talmud und die übrige rabbinische Literatur eigentlich? Neben den narrativen Teilen, welche die Geschichte unseres Volkes erzählen, mögen einem schnell auch lange Namenslisten, minutiöse Anweisungen für die Vorgänge im Tempel, und schwer verständliche Poesie einfallen. Und damit verbunden wird häufig die Frage laut: „Was hat das alles mit unserem heutigen Leben zu tun?“ 

Natürlich muss ich einer solchen Sichtweise widersprechen. Aber es soll hier nicht darum gehen, welche Relevanz in diesen Teilen verborgen ist, sondern um Themen, die ganz offenkundig einen Bezug zur modernen Welt haben und bei denen man sich umgekehrt fragen muss, was dies wohl mit dem Leben früherer Generationen zu tun hatte. Die alten jüdischen Quellen sind überzeitlich und haben spätere Entwicklungen bereits vorweggenommen.

Der Wunsch nach Privatsphäre mag bereits sehr alt sein, hat jedoch seit Beginn der elektronischen Kommunikation und der Datenspeicherung enorm an Bedeutung gewonnen. Die in Deutschland stattfindende Debatte darum, ob Asylbewerber Ermittlungsbehörden auch ohne konkreten Verdacht einen Einblick in ihr Handy ermöglichen müssen, ist eines von vielen aktuellen Beispielen, ebenso die Affäre um Edward Snowden im Jahr 2013 und andere Datenschutzskandale der jüngsten Zeit.

Die jüdischen Quellen sind die wahrscheinlich ältesten Quellen der Menschheit, die einen rechtlichen Anspruch auf Privatsphäre erwähnen. Sie spannen einen Bogen hin zum ältesten, eigentlichen Datenschutzgesetz der Welt, das 1970 in Hessen in Kraft trat. Indirekt erschien das Thema bereits im „fourth amendment“ von 1791, in der europäischen Menschrechtskonvention von 1950 und an anderen Stellen im Kontext der Menschenrechte.

Dem Nachbarn nichts ins Fenster gucken
Der erste Vers in der Thora, welcher das Thema der Privatsphäre betrifft, steht in Bemidbar / Numeri Vers 24 Satz 5. Der etwas undurchsichtige Satz wird im Talmud dahingehend ausgelegt, dass in den Wohnstätten der Juden die Fenster und Türen von zwei gegenüberliegenden Häusern nicht parallel, sondern versetzt angeordnet waren, um den Einblick in das Innere des anderen Hauses zu verhindern (Bava Batra 59a und folgende). Diese baurechtliche Anordnung ist Teil der Halacha – des jüdischen Gesetzes.

Die nächste relevante Stelle findet sich in Devarim / Deuteronomium Vers 24 Sätze 10-11, und ist wesentlich direkter: „Wenn du bei deinem Nächsten irgendein Darlehen hast, sollst du nicht in sein Haus kommen, um ihm sein Pfand abzunehmen. Draußen sollst du stehen bleiben, und der Mann, bei dem du ein Lehen hast, soll das Pfand zu dir hinausbringen.“ Auch der Gläubiger – die stärkere Seite also – muss in der legitimen Ausübung seiner Rechte vor dem privaten Lebensraum des Schuldners haltmachen.

Der berühmte Rabbi Akiva, nach dem eine auch in Deutschland tätige Jugendorganisation benannt ist, gab seinem Sohn die Anweisung, nicht plötzlich in sein Haus einzutreten, sondern sich zuvor bemerkbar zu machen (Pessachim 112a). Dies sollte so sein, um niemanden in einer unangenehmen Situation zu überraschen – sozusagen mit dem sprichwörtlichen Finger in der Nase. Umso mehr noch gilt dies für das Haus eines anderen.

Neben solch spezifischen Verboten, gibt es auch noch ein generelles Verbot Geheimnisse ohne Erlaubnis weiterzuerzählen (in Yoma 4b wird dies u.a. auf das biblische Buch der Sprichwörter, Kapitel 11 Vers 13 gestützt). (…)


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