Eine kritische Sicht auf die „Schutzräume“ für Frauen vor sexueller Belästigung  

Von Anastasia Iosseliani

Inspiriert zu folgender Polemik wurde ich durch die am Brandenburger Tor in Berlin eingerichtete „Women‘s Safety Area“, einen extra für Frauen abgetrennten Bereich. Gedacht ist dieser Bereich zum Schutz – weil es in den vergangen Jahren bei ähnlichen Veranstaltungen zu sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen kam. Silvester 2015/16 in Köln ist bestimmt den meisten Menschen noch in Erinnerung.

Jetzt fragen Sie sicher, warum gerade ich als bisexuelle, jüdische Frau solchen sogenannten „Safe Spaces“ kritisch gegenüber stehe. Dazu muss ich sagen, eben weil ich jüdisch, bisexuell und eine Frau bin, stößt mich diese Form der (Selbst-)Ghettoisierung ab. Es ist nämlich Fakt, dass das erste Ghetto der Welt für Juden in Venedig auch zum Schutz vor Judenfeindlichkeit errichtet wurde.

Wir Juden haben aufgrund berechtigter Gefahren für Leib und Leben unsere Synagogen und Betstuben mit Panzerglas und dergleichen ausgestattet und tragen vielfach unsere Magen David unter (!) der Kleidung. Die Mehrheitsgesellschaft nimmt es – wie ich aus eigener Erfahrungen als Jüdin weiß – daher als Provokation unsererseits wahr, wenn wir Juden als solche in der Öffentlichkeit und nicht innerhalb unserer „Safe Spaces“ auftreten und dann Opfer von körperliche Gewalt werden. Körperliche Gewalt, welche wir mit unserer Präsenz als Juden legitimiert haben.

Als ich noch zur Sekundarschule ging, wurde ich vielfach von meinen Lehrern und der Schulleiterin aufgefordert meinen Magen David nicht mehr in der Schule zu tragen, um Provokationen zu vermeiden und nicht mehr verprügelt zu werden, trotz der Tatsache, dass wir in der Sekundarschule Mädchen hatten, welche das islamische Kopftuch trugen und natürlich auch Jugendliche, welche verschiedene Kreuze oder das Schwert Alis als Schmuckstück trugen.

Ich persönlich habe effektiv Angst vor dem Tag, an dem eine solche Art zu denken auch auf andere Frauen und Minderheiten überschwappt und es als legitim angesehen wird Frauen zu belästigen oder queere Menschen zu vermöbeln, sobald sich diese aus ihrem zugewiesenen Ghetto trauen.

Es war ein langer Kampf bis Frauen und verschiedene Minderheiten endlich als Teil der Öffentlichkeit Anerkennung fanden. Ich möchte dies nicht auf dem Altar der Indifferenz opfern und dafür einen „Safe Space“, einen Platz im Freak-Ghetto bekommen. Denn was wir nicht brauchen, sind „Safety Areas“, sondern Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger, ganz gleich ob Frau oder Mann, homosexuell oder nicht. Deshalb finde ich auch solche „Women‘s Safety Areas“ eine Tragödie und keinen Fortschritt. Damit wird nämlich der Staat aus der Verantwortung entlassen für Sicherheit im öffentlichen Raum zu sorgen und stattdessen wird so Geschlechter-Apartheid zementiert.

Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.


Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" hier online mit der Lieferung direkt an Sie per Post bestellen oder jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke