August 7, 2014 – 11 Av 5774
Was ist falsch an Rotary Clubs?

image

Alexander Yakobson, Professor für Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem, über den Gaza-Krieg, die Ideologie der Hamas und darüber, was es heisst, ein «guter» Zionist zu sein 

Wie bewerten Sie die gegenwärtige Lage für Israel, wie sehen Sie den Krieg in Gaza?
Nun, ich glaube, es ist für alle Menschen, für die allermeisten ehrlichen Menschen, offensichtlich, dass Netanjahu diesen Kriegseinsatz nicht gewollt hat. Was immer man sonst von seiner Politik allgemein hält, und ich bin kein Anhänger seiner Regierung, hier muss man anerkennen, dass er alles unternommen hat, diesen Krieg zu vermeiden, der ihm von der Hamas aufgezwungen wurde, die ihren Beschuss Israels nicht einstellen wollte. Netanjahu hat politische Risiken übernommen, während er diese Auseinandersetzung vermeiden wollte, er hat, trotzdem wir mit Raketen beschossen wurden, einige Tage gewartet. Und er übernahm politische Risiken, als er den Einsatz begann, zu dem ihn die Hamas mit ihren Versuchen, durch Tunnel auf israelisches Gebiet vorzudringen, zwang. Viele Menschen sahen den zweiten Libanon-Krieg kritisch. Sie nannten ihn einen Misserfolg. Doch tatsächlich haben wir in ihm, auch wenn er schlecht geführt wurde, unser Ziel erreicht. Wir haben es im Norden geschafft, der Hisbollah eine beinahe vollständige Waffenruhe aufzuzwingen, die nun bereits acht Jahre andauert. Das ist für israelische Verhältnisse – leider – schon ein strategischer Sieg, kein technischer Sieg, aber ein strategischer. Seit den 1960ern war es Israel nicht gelungen, eine so lange Periode der Ruhe zu erreichen, weder mit militärischen noch mit diplomatischen Mitteln. Mit oder ohne Besatzung, nie gab es Ruhe.
Jetzt besteht die Hoffnung, dass wir der Hamas einen Schaden zufügen, der sie für eine ganze Reihe von Jahren nachhaltig davon abbringen wird, weiteres Kräftemessen anzustreben. Das ist das Beste, was man erhoffen kann, wenn man es mit einer Organisation wie der Hamas zu tun hat, die sich nicht nur weigert Israel anzuerkennen, sondern die den Kampf ja aktiv sucht. Sie will uns besiegen, das ist ihre ganze Ideologie und Strategie. Der Hamas sind Zivilisten gleichgültig. Doch das Regime in Gaza will zugleich keinen Selbstmord begehen. Wenn es begreift, dass wir uns gegen alles wehren können, was es uns aufzwingt, dass wir der Hamas militärisch und personell schwere Schäden zufügen können, besteht die Aussicht auf eine lange Zeit der Ruhe.

Können Sie sich an eine Situation erinnern, in der das gesamte Land von Raketen bedroht war?
Ich glaube nicht, dass es jemals eine ähnliche Beziehung zwischen zwei Staaten oder Konfliktparteien gab, in der das eine Land über Jahre hinweg mit Raketen terrorisiert wird. Die Hamas wollte uns ei- nen Zermürbungskrieg aufzwingen. Aus Angst vor Angriffen auf Städte wie Ashkelon oder Ashdod – und später Tel Aviv, Haifa oder den Ben Gurion-Airport – sollten wir Attacken auf Sderot und andere Städte im Süden hinnehmen und uns nicht wehren.

Es war ein ungewöhnlicher Schritt, dass amerikanische Fluglinien oder die Deutsche Lufthansa Flüge nach Tel Aviv einstellten.
Ja, das hatte die amerikanische Flugaufsichtsbehörde angeordnet. Teile einer Rakete waren in der Nähe des Flughafens niedergegangen. Und dann folgte diese Behörde ihren Richtlinien. Amerikaner lieben es Richtlinien zu folgen. Doch in der Tat, das war natürlich ein Sieg für die Hamas. Ökonomisch gesprochen geht es hier um ernste Geschäfte. Fliegen viele Unternehmen den Ben Gurion-Airport nicht an, schadet das der israelischen Wirtschaft. Früher kritisierten uns die Europäer, wir würden «überreagieren», wenn wir uns gegen «einfache, selbst gebastelte Waffen», gegen eine Art «Witz» zur Wehr setzten. Nun, die Hamas hat diese Kritik an ihren Raketen erhört und mit der Unterstützung Irans nun Raketen entwickelt oder in ihren Besitz gebracht, die Tel Aviv, Haifa und den Ben Gurion-Airport erreichen können. Dabei geht es nicht um Grenzzwischenfälle. Das sind Kriegsakte. Natürlich sind auch systematische Angriffe auf Sderot ein Kriegsverbrechen. Die europäischen Regierungen, darunter die deutsche und ganz speziell Angela Merkel, haben das verstanden. Doch die europäische Öffentlichkeit und ganz speziell ihre Medien haben es noch nicht begriffen: Der Fakt, dass die Verbindung Israels zur Welt weitgehend unterbrochen werden konnte, beweist, dass es sehr ernst ist.

Während in den arabischen Staaten eher verhalten auf den Gaza-Krieg reagiert wird, leben Araber und Muslime in Europa ihren Hass mit in den vergangenen Jahren oder gar Jahrzehnten nie dagewesener Gewalt aus. Wie sehen Sie diesen Unterschied?
Ich lebe nicht in Deutschland und vermute, dass es eine Minderheit unter Muslimen ist, die gewaltbereit gegen Juden demonstriert. Doch im Nahen Osten wiederum, natürlich, ist Ägypten ein entschiedener Gegner der Muslimbrüder. Und die Hamas ist der palästinensische Ableger der Muslimbrüder.

Das Gespräch führte Clemens Heni, Übersetzung aus dem englischen Thomas WeiDauer

Komplett zu lesen in der Druckausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier abonnieren oder hier ein Probeexemplar bestellen.

Brief an die Redaktion schreiben

Zur Person
Alexander Yakobson wurde 1959 in Moskau geboren, 1973 mit seiner Familie Emigration nach Israel. Seit 2011 ist er Professor für Alte Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem. Zusammen mit dem israelischen Politiker, Minister und Juraprofessor Amnon Rubinstein Autor des Buches «Israel und die Familie der Nationen: der jüdische Nationalstaat und die Menschenrechte» (Hebr. 2003, Frz. 2006, Engl. 2010).

Soziale Netzwerke