Israels südlichste Stadt hat 360 Sonnentage!  

Von Ulrich Jakov Becker

Zwischen all den politischen und kriegerischen Umwürfen und Turbulenzen in unserer Region, gibt es da ganz im Süden von Israel eine kleine exotische Oase zwischen Wüstenmeer und Rotem Meer:
Wenn man vom weißen High-Tech-Tel Aviv und von den Mauern des heiligen Jerusalems einige hundert Kilometer in die südliche Negevwüste hineinfährt, bis es so heiß und öde wird, dass man die plötzliche Erscheinung von einem kalten Meer am Horizont als Fata Morgana abtun würde, bis sich Ägypten auf der rechten und Jordanien auf der linken Seite fast berühren, bis die letzte Erinnerung an eine Wolke am Himmel gänzlich verschwunden ist, und bis Regen so selten wird wie Schnee in Jerusalem, dann ist man endlich angekommen … in Eilat.

Für Israelis ist Eilat „fast schon Ausland“, und nicht nur, weil es so weit abgeschieden, am südlichsten Zipfel Israels liegt. Eilat ist die israelische Urlaubsstadt schlechthin, mit etwa drei Millionen Touristen pro Jahr das „Tor des Südens“, das „Las Vegas des Negevs“, das „Mallorca am Roten Meer“.

Eine Stadt von 50.000 Einwohnern, mit 12.000 Hotelbetten in etwa 60 Hotels. Das macht ein Hotelbett auf jeden vierten Bewohner. In dieser, nennen wir es Hotelbettendichte, sticht Eilat selbst Las Vegas klar aus. Auch mit etwa 800 Einwohnern pro Hotel übertrumpft Eilat Las Vegas klar, wo auf jedes Hotel „nur“ etwa 1.700 Einwohner kommen.

„Hier vergisst man alle Sorgen“, heißt es in Israel. Das Wasser ist klar, blau und erfrischend. Palmen. Scharfe Sandfelshügel ringsherum. Das Wetter ist mit 360 Sonnentagen im Jahren eher „stabil“ und mit Minimaltemperaturen im „Winter“ von 21 Grad und mit Sommerspaß von oft über 40 Grad bleibt es einem hier immer warm ums Herz.

Eilat, das sind bunte und gut erhaltene Korallenriffe, die die Herzen der Taucher höherschlagen lassen. Eilat, das sind die vielen kleinen und billigen Hotels und ihre reichen Verwandten: die großen Prunkklötze wie das Crown Plaza, das Herods oder das Hilton „Queen of Sheba“ an der Strandmeile, auf der man abends an bunten Ständen vorbeischlendert.

Eilat ist eine Stadt von Festivals und Sportereignissen, vom Internationalen Red Sea Jazz Festival im Sommer bis zum Desert Marathon im Winter mit hunderten Läufern aus der ganzen Welt. Oder man geht in die Eishalle oder in das Naturreservat von Wildeseln, weißen Oryxen und Straußen.
Eilat ist auch eine Wasserstadt, wo vor den Stränden die Jet Skies spritzen und sich die Yachten in der Bucht tummeln – und das neben israelischer Marine und dem allgemeinen maritimen Treiben zwischen Taba, Eilat und Akaba – mit seiner monumentalen jordanischen Fahne – in diesem Drei-Länder-Golf. Selbst Saudi-Arabien kann man von Eilat aus sehen – es sind nur 30 km Luftlinie.

Den Suez-Kanal umgehen
Eilat ist Israels einziger Hafen am Roten Meer, der nicht nur strategisch wichtig ist, sondern auch ökonomisch brummt: Wer über eine der beiden Straßen von Zentralisrael nach Süden fährt, wird ständig großen Sattelschleppern voller funkelnigelnagelneuer Autos begegnen: Eilats Hafen ist für seine riesigen Autoumschlagsplätze bekannt, die meist aus Asien, hier Israel erreichen und sich so die teure Fahrt über den Suezkanal ersparen.
Ein Punkt, den bereits Staatsvisionär Theodor Herzl beschäftigte: Der jüdische Staat würde dem ägyptischen Suez Konkurrenz machen, mit einem Kanal zwischen Mittelmeer und Rotem Meer.
So weit sind wir noch nicht – aber Israel arbeitet an einer neuen Eisenbahnlinie zwischen Eilat und Zentralisrael, u.a. für Frachtzüge, die auch ohne Kanal zwei Häfen – einen im Mittelmeer, einen im Roten Meer – durch Schienen verbinden könnte und so eine attraktive Alternative für den Suezkanal bieten würde.

Und dann ist da natürlich Eilats wundervolle Unterwasserwelt, sei es für Schnorchler an den Korallenriffen, sei es im Unterwasserauskuck, sei es in den Semi-U-Booten, die ihre ewigen Runden über der bunten Unterwasservielwelt drehen.
Ein weiteres Wahrzeichen Eilats sind seine Delfine, die ursprünglich Schwarzmeer-Ukrainer waren. Das Delphinriff ist ein Badestrand, neben dem sich ein großes Delphinwassergehege befindet. Man erlebt sie ganz nah, und kann auch hineingehen und auf den Stegen den Erklärungen der Delphintrainer über diese schlauen Säuger lauschen, oder gar für einige hundert Schekel mit den Delphinen schwimmen. Haie übrigens, machen einen großen Bogen um Delphine und ihr Revier, und in dieser Bucht sind Haie nur in der großen Aquariumwelt zu finden, wo Taucher sie Unterwasser vor großen Glasscheiben und viel Publikum füttern.

Eilat, das ist auch die Party und Chillmetropole der jungen Israelis, die sich den Flug nach Europa nicht leisten können und die Fahrt „nach unten“, nach Eilat, einschließlich des Feierns, der Hormone und des Alkohols, ist Kult – „Was in Eilat passiert, bleibt in Eilat …“

Jeder junge Israeli kennt die folgenden Zeilen des israelischen Popsongs „Ssilssulim“ des jungen Rappers „Statik“:

„Wir haben kein Ibiza,
Und nicht viel auf der VISA,
Aber wir haben die Brisa,
Von Eilat…!“
Und weiter:
„Also, wenn‘s heiß ist,
Besorg dir‘n Auto und Badehosen,
Nirgends gibt es so einen Sommer – in keinem anderen Land!

Also, vergiss die Sorgen,
und lass uns ihnen zeigen,
wofür sich Israelis interessieren…
…für Bass mit Trillili.
Walla, das fängt gut an,
der heißeste Ort im Nahen Osten…“

Honeckers Yacht
Und das „Las Vegas Israels“ hatte vor dem Jahr 2000 auch einige Casinos zu bieten, meist nicht ganz so legale auf den berüchtigten Casinoschiffen, die „sauber“ ablegten und dann im Roten Meer die Tische umklappten und die Chips rausholten. Und wie es sich herausstellt (ich denke hier erstmals veröffentlicht) hat eines der Casinoschiffe eine besondere „German Connection“: Die „Red Sea Magic“ hieß in ihrem früheren Leben nämlich „Ostseeland“ und war geheime Staatsyacht des Arbeiter- und Bauernstaates. Was hätten Honecker, Ulbricht und Co. dazu gesagt, dass ihr realsozialistisches Warnow-Werft-Schiff einmal zum kapitalistischen Casino-Spaß an Israels Rotmeerküste werden würde? Ich sprach mit einem Mannschaftsmitglied aus der israelischen Zeit:
„Wir arbeiteten bis 2003. Dann wurde alle Casinoschiffe von der Polizei beschlagnahmt. Das Letze was ich von ihr hörte, war, dass sie nach Haifa gebracht wurde…“

Aber Tacheles, nach all dem Klitzer, Knitter und Klischees, wie sieht es am Boden aus?
Alle genannten Klischees zur Seite räumend, fuhr ich mit meiner Familie in den Eilaturlaub, inklusive Zwischenstopp an einer Krokodilfarm auf dem Weg, und beim vorurteilsfreien ersten Türöffnen auf dem Asphalt in Eilats Einkaufspassage, schallten uns die Bässe und das „Trillili“ entgegen.
Also kurz: In Eilat gibt es keine Klischees, man trifft sie.

Delphine und die Taucher-Autobahn
Dann schnappte ich mir Brille und Schnorchel und freute mich an bunten Fischen, bis ich an eine Taucherautobahn kam, wo der Verkehr so dicht war, dass man kaum durch die ganzen Sauerstoffflaschen und Flossen hindurch kam. Ständig kamen neue, andere schwammen zurück. Neugierig tauchte ich ihnen hinterher so gut ich konnte, bis sich unter mir in 24 Meter Tiefe die Ecktürme eines Kriegsschiffs eröffneten:
Die israelische Marine versenkte hier Anfang der 1990er eines seiner Raketenschnellboote – die es in den 1960ern durch das französische Embargo geschmuggelt hatte – um dieses mittlerweile ausgemusterte Schiff nun als Korallenreservoir und Taucherparadies weiterzunutzen. Auch alte Panzer wurden speziell für die Korallen hergerichtet und im Golf von Eilat versenkt. Die Taucher wissen diese Geste zu schätzen und kommen in Scharen.

Die Mehrwertsteuer ist hier abgeschafft
Aber noch etwas macht Eilat so anders als den Rest Israels, und es hat sehr viel mit der besungenen VISA-Card zu tun: Israel hat in Eilat die Mehrwertsteuer ausgesetzt, erklärte die Stadt zur Freihandelszone und gewährt noch weitere großzügige Steuerverwöhnungen, um möglichst viele Israelis anzulocken. Und es funktioniert.

Ganz Eilat hat damit ein wenig das Gefühl eines erweiterten Duty-Free-Bereiches des Flughafens zu sein, nur mit einer Extraportion Meer, Sonne, Wüstenbergen, Spaß und Attraktionen. Dazu passt auch, dass der kleine provinzielle Flughafen mitten in der Stadt liegt und man hie und da die eher kleinen Maschinen ganz dicht vor sich starten und landen sieht und man zu Fuß vom Flughafen zur Promenade schlendert.
Aber auch hier entwickelt sich Eilat rasant weiter: Dieser alte Innenstadt-Flughafen wird bald geschlossen und städtisch neu bebaut, während der neue internationale Ramon-Flughafen – ein paar Kilometer nördlichen von Eilat – gerade aus den Dünen wächst. Den Tower kann man beim Vorbeifahren schon bestaunen. Der neue Flughafen soll den Ben-Gurion-Flughafen bei Tel Aviv, für den jedes Jahr wieder ein neues Rekordjahr von Flügen und Besuchern wird, entlasten und dafür sorgen, dass Israel endlich zwei internationale Flughäfen bieten kann.

Nach einem neuen Gesetz, genannt „Offener Himmel“, welches vielen ausländischen Billig-Fliegern erlaubte, in den israelischen Wettbewerb einzusteigen, sind die Ticketpreise im Sinkflug und die Touristenzahlen in Eilat wieder im Aufwind. Vielleicht nicht zuletzt, weil die russischen und europäischen Touristen sich in Zeiten des IS ihren Sonnenbrand lieber im sicheren Israel als im benachbarten Ägypten oder Jordanien holen.

Nicht, dass der IS nicht auch gerne Eilat angreifen würde. Er hat es sogar bereits getan. Im Februar dieses Jahrs schoss der Islamische Staat aus der „Provinz Sinai“ eine Raketensalve auf Eilat, die aber alle vom israelischen Raketenabwehrsystem Eiserne Kuppel abgefangen wurden und allen Statistiken zufolge hat sich dieses kleine Scharmützel nicht auf die Touristenzahlen ausgewirkt. Im Gegenteil, es kommen mehr denn je. Aber Israel überlässt dieses heikle Thema nicht dem Zufall und sorgt mit für Urlauber unsichtbaren Truppenverstärkungen und intensiven Geheimdienst- und Kooperationsmaßnahmen mit Ägypten und Jordanien dafür, dass die Gegend ruhig bleibt.

Vor allem die Zusammenarbeit mit Ägypten ist so gut wie vielleicht nie. Nachdem ägyptische Soldaten tagtäglich im Kampf gegen den IS getötet werden, richtet die ägyptische Armee neue Basen direkt am Grenzzaun mit Israel ein – mit der sensiblen Eingangstür in Richtung Israel, denn da ist es sicher, der Feind kommt von der anderen Seite…

Und für alle, die hier nicht nur Urlaub machen wollen, sondern auch hier leben: Das „normale“ israelische Leben in Eilat ist von der Urlaubsatmosphäre angesteckt, gilt als hochwertig und bequem und auch in Sachen Bildung und Kultur kräftig subventioniert. Eilats Schulen haben eine Abiquote von 97 %, und wer hier studieren will (z.B. im Ableger der Ben Gurion University) der kann dies hier günstiger als sonst irgendwo in Israel tun, denn alle Studenten bekommen Stipendien.

Selbst eine wichtige deutsch-jüdische Zeitung soll hier bald ihr jährliches Autorentreffen machen, munkelt man. Bis dann!

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