Juli 2, 2014 – 4 Tammuz 5774
«Der Negev wird sich entwickeln»

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Der israelische Architekt Thomas M. Leitersdorf über sein Berufsleben, die Verdoppelung von Abidjan, das Projekt Ma’ale Adumim und das Verhältnis von Politik und Stadtplanung 

Thomas M. Leitersdorf, Jahrgang 1937, wurde in der damaligen Tschechoslowakei geboren. Ein Jahr später wanderte seine Familie mit ihm nach Palästina aus. Er stammt aus einer Fami- lie mit sehr kreativen Berufen: Der Vater war Architekt, die Mutter erfolgreiche Modedesig- nerin. Nach einem Studium der Architektur in London begann Thomas M. Leitersdorf schon in den 1960er Jahren an internationalen Bau- und Stadtplanungsvorhaben mitzuwirken, so beispielsweise an der Erweiterung der Haupt- stadt der Elfenbeinküste, Abidjan. Zurück in Israel, war er bald auch an öffentlichen Bau- vorhaben beteiligt. Eines seiner größten Pro- jekte wurde die Planung der israelischen Stadt Ma ́ale Adumim im Westjordanland, heute die dort größte jüdische Siedlung. Immer wieder folgten für Leitersdorf auch attraktive Heraus- forderungen im Ausland, so Wohnanlagen, touristische Infrastruktur und Hotels in den USA, Großbritannien, der Ukraine und der Tschechischen Republik. Ab 2005 war Thomas M. Leitersdorf an den Planungen für die Wie- deransiedlung der aus dem Gaza-Streifen eva- kuierten jüdischen Siedler beteiligt. Bis heute ist er mit seinem eigenen Planungs- und Archi- tekturbüro in Tel Aviv aktiv. Leitersdorf, ein freundlich und bescheiden auftretender Zeitge- nosse, ist verheiratet und hat drei Kinder. Mit ihm sprach unser Mitarbeiter Martin JEHLE.

Herr Leitersdorf, Ihre assimilierte, bürger- liche Familie stammt ursprünglich aus Prag, schon Ihr Vater war dort als Architekt tätig. Gab es Ende der 1930er Jahre keine attraktive- ren Auswanderungsziele als das britische Man- datsgebiet Palästina...?

Das kann man wohl sagen. Mein Vater hatte auch zunächst Australien im Blick, er versuch- te, dorthin eine berufliche Verbindung aufzu- bauen. Aber zunächst landeten wir wegen der sich verschlechternden Situation in Europa in Palästina. Dann brach in Europa der Krieg aus, und die Reisemöglichkeiten waren deshalb sehr eingeschränkt. So blieben wir in Palästi- na, das ja damals ein sehr unterentwickelter, primitiver Ort war. Mein Vater arbeitete wieder als Architekt und plante zum Beispiel mit den Briten Armee-Einrichtungen.

Und Ihre Mutter?
Auch sie blieb ihrem Beruf als Modedesigne- rin treu, auch wenn sich natürlich das Umfeld dafür völlig verändert hatte. Später war sie die erste Designerin in Israel, für die es eine Werk- schau im Tel Aviv Museum gab.

Sie sind dann zunächst in Palästina und nach der Staatgründung in Israel aufgewachsen. Wie ging es dann weiter?

Bis zum Alter von 15 Jahren lebte ich in Is- rael. Als Kind war ich recht anstrengend, für meine Mutter und in der Schule. Aber es gab ei- nen Onkel, der im Zweiten Weltkrieg für Groß- britannien in der Jüdischen Brigade gekämpft hatte und dann nach dem Krieg nach England gegangen war. Er empfahl meinen Eltern, mich in England auf ein Internat zu schicken. Nach der Schule, im Alter von 18 Jahren, hätte ich eigentlich nach Israel für den Militärdienst zurückkehren müssen. Aber meine Mutter riet mir, erst einmal mit dem Studium anzufangen. Und so begann ich, in London Architektur zu studieren. Nach einem Jahr ging ich dann aber nach Israel zum Militär. Im Anschluss daran kehrte ich nach England zurück, um das Archi- tektur Studium fortzusetzen.

Wie ging es nach dem Abschluß weiter?

Ich begann für die für London und Umgebung zuständige Planungsbehörde zu arbeiten, die rund 500 Architekten und Ingenieure beschäf- tigte. Ein Jahr lang war ich an der Planung von neuen Städten und Vororten des wachsenden Ballungsraums London beteiligt. So kam ich in Berührung mit der Projektierung von größeren, komplexen urbanen Einheiten. Das war zu dieser Zeit, soweit ich weiß, noch einmalig in Europa und für mich natürlich sehr lehrreich. Nach ei- nem Jahr ging ich dennoch zurück nach Israel ...

... um den jungen Staat, in dem es seinerzeit doch auch sehr viele Projekte gegeben hat, gleich wieder zu verlassen?

Ja, sicher hätte es in Israel auch spannende Aufgaben gegeben. Aber ich erhielt plötzlich die Gelegenheit, für ein Jahr in Los Angeles im Büro von William Pareira zu arbeiten. Pareira war da- mals ein bekannter Architekt. Sein Büro war un- ter anderem darin spezialisiert, weltweit Univer- sitäten und touristische Projekte zu planen. In seinem Team kam ich auch zur Mit-Planung ei- ner «Afrikanischen Rivera», bei dem die Größe der damaligen Hauptstadt der Elfenbeinküste, Abidjan, verdoppelt wurde. Das war ein riesiges Vorhaben – eine komplett neue Stadt von Grund auf zu planen und zu bauen! Straßen, Wohngebiete, Flughafen, einfach alles. Vorher war Abid- jan in etwa das «Paris Afrikas» – wegen der ko- lonialen Vergangenheit Frankreichs dort. Jetzt erhielt die Stadt eine neue, zweite Hälfte.

Mit ihm sprach unser Mitarbeiter Martin JEHLE

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