Rezension der Hörbücher „Kains Opfer“ und „Das Ende vom Lied“  

Von Ulrike Stockmann

Ein Rabbiner als Detektiv in einer Krimi-Reihe? Das klingt ungewöhnlich, ist aber sehr spannend. Zumindest in den Romanen von Alfred Bodenheimer.
Der Autor hat bislang drei Kriminalromane um den Zürcher Rabbi Klein veröffentlicht. Die ersten beiden Fälle „Kains Opfer“ und „Das Ende vom Lied“ liegen nun als Hörbücher im Verlag „Hörkultur“ vor.

Diese beiden Mordfälle bieten alle Genre-Elemente, die ein guter Krimi braucht: Nervenkitzel, einen rätselhaften Tathergang und im Mittelpunkt einen unerschütterlichen Haupthelden, der zufällig in die Ermittlungen verwickelt wird und schließlich verbissen um die Aufklärung des Falls kämpft.
Und natürlich können die Leser bzw. Hörer gespannt mitfiebern, wenn mit den Waffen der Logik um die zentrale Krimifrage geknobelt wird: Wer war es?
Wenn Gemeindemitglieder zum Opfer haarsträubender Mordfälle werden, empfindet es der gewissenhafte Rabbi Klein als seine Pflicht, eigene Nachforschungen anzustellen. Vor allem, solange die Polizei offensichtlich die falsche Spur verfolgt.

„Kains Opfer“ handelt vom Mord an einem allseits beliebten jüdischen Primarschul-Lehrer und guten Bekannten Kleins. In „Das Ende vom Lied“ wird eine Frau vor einen Zug gestoßen, die ein engagiertes Mitglied in Kleins Gemeinde war – und zudem unglücklich verliebt in den Rabbiner. 
Pragmatisch, aber nicht ohne Charme und Chuzpe, ermittelt Rabbi Klein im Namen der Gerechtigkeit und verärgert damit nicht nur die zuständige Kommissarin, sondern sorgt auch in seiner Gemeinde für Aufruhr. 

Natürlich sind Kleins Fälle beste Lektüre für Zürich-Fans und solche, die es werden wollen.
Darüber hinaus geben die Krimis von Alfred Bodenheimer einen sehr interessanten Einblick in jüdisches Gemeindeleben, was vor allem für Außenstehende spannend sein dürfte. Kurzweilig und scheinbar beiläufig gewährt der Autor Einsichten in die täglichen Pflichten, Freuden und Nöte eines Rabbiners. Jüdische Feste, Glaubensriten und Gebräuche sind in die Handlung eingeflossen. Nicht selten werden Spannungen zwischen Tradition und Moderne thematisiert sowie die Frage, was es heißt, im 21. Jahrhundert praktizierender Jude zu sein.

Außerdem neigt der ernsthafte Rabbi Klein, der wohl eindeutig den Titel eines Gelehrten verdient hat, zu philosophisch-theologischen Grübeleien. In diesen inneren Monologen lässt der Rabbiner unter dem Eindruck eines Mordfalls alttestamentarische Geschichten Revue passieren. Dies veranlasst ihn, die Tat unter völlig neuen Gesichtspunkten zu betrachten. 
Dem Autor ist es hier gelungen, einen interessanten Bezug zwischen Thorafiguren und dem jeweiligen Fall anzustellen.

Und – so viel sei verraten: Selbstverständlich sind die vielsagenden Buchtitel „Kains Opfer“ und „Das Ende vom Lied“ auch nicht zufällig gewählt, sondern geben in poetischer Doppeldeutigkeit Aufschlüsse über den Inhalt.

All das liest sich sehr gut in Buchform. Eine zusätzliche Qualität erhalten die Stoffe jedoch in den Hörbüchern, die vom Verlag „Hörkultur“ produziert wurden. Sprecher Thomas Sarbacher gelang unter der Regie von Franz Wassmer ein ausdrucksstarker und markanter Vortrag der beiden Krimis.

Die Hörbücher bieten selbst leidenschaftlichsten Leseratten eine tolle Gelegenheit, dieses Medium einmal auszuprobieren. Denn der Wechsel vom Visuellen ins Auditive vermag die Sinne beim Erschließen einer Geschichte völlig neu zu öffnen.

Der Autor Alfred Bodenheimer wurde 1965 in Basel geboren. Er erhielt eine traditionelle jüdische Ausbildung und betrieb Talmudstudien an der Yeshiva University in New York und an der Yeshivat Hamivtar in Efrat, Israel. Danach studierte er Deutsche Philologie und Geschichte in Basel, wo er schließlich 1993 in Neuerer Deutscher Literaturgeschichte promovierte. Es folgten Lehr- und Forschungstätigkeiten in Israel, Deutschland und der Schweiz, darunter 2002 seine Habilitation in Genf. Seit 2010 leitet er das Zentrum für Jüdische Studien an der Universität Basel.

Seine Tätigkeit als Krimiautor unter jüdischen Vorzeichen beschreibt Bodenheimer als angenehme, jedoch nicht ganz artfremde Abwechslung zu seinen universitären Verpflichtungen und klassischen wissenschaftlichen Publikationen.
Wohl nicht umsonst spielt sein aktuellster Klein-Krimi „Der Messias kommt nicht“ an seiner eigenen Baseler Universität.

„Kains Opfer“ und „Das Ende vom Lied“ von Alfred Bodenheimer erschienen 2016 als Hörbücher im Verlag „Hörkultur“. Je ab 19,75 Euro.
Erhältlich u.a. unter: www.hoerkultur.com

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