Dezember 13, 2016 – 13 Kislev 5777
Nachricht über einen angekündigten Tod

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Zum Tod von Leonard Cohen  

Von Dr. Ludger Joseph Heid

Die jüdische Welt ist traurig, dass einer aus der Heerschar des Moses von ihr gegangen ist: Einer, der einen großen Anteil an der populären Musik hat. Der kanadische Songpoet Leonard Cohen starb am 7. November 2016 in Los Angeles. Er wurde, wie es seiner Tradition entsprach, auf dem jüdischen Friedhof seiner Geburtsstadt Montreal, Shaar Hashomayim Congregation Cemetery, beigesetzt bevor sein Tod in der Welt bekannt wurde.

Es heißt, 2016 sei das Jahr, in dem der Pop starb. David Bowie, Prince – jetzt, da auch Leonard Cohen nicht mehr hier ist, vielleicht eine Klarstellung: Cohen ist nicht 2016, sondern im Jahr Cheschwan 5777 gestorben. Er ist als Jude geboren und im Alter von 82 als Jude gestorben. Die Weitsicht dieses Predigers im finsteren Tal, der die bibelfeste Metaphorik aus dem Effeff beherrschte, reichte dazu, uns die Musik für seinen Abschied aus diesem Leben zu hinterlassen.

Geboren wurde Leonard Cohen am 21. September 1934 in Montreal. Sein Urgroßvater Lazarus Cohen war Lehrer an der örtlichen Jeschiwa im litauischen Vilkaviskis. 1860 wanderte er nach Kanada aus, war als Unternehmer erfolgreich und wurde Präsident der jüdischen Gemeinde Shaar HaShomayim, der größten in Montreal. Sein Sohn Lyon Cohen, Leonards Großvater, der als Textilkaufmann und Versicherungsmakler erfolgreich war, folgte ihm in das Amt des Synagogenvorstands. Dessen Sohn Nathan, ein Ingenieur, übernahm das große Textilkaufhaus. Nathan Cohen starb, als Leonard neun Jahre alt war. Seine musisch interessierte Mutter Marsha war die Tochter des aus Russland eingewanderten Talmudgelehrten Rabbi Solomon Klonitsky-Kline.

Leonard Cohen wuchs in einem ausgesprochen jüdischen Milieu auf, bewegte sich zeitlebens auf jüdischen Wegen – als Mann und als Künstler. Er war Jude durch und durch. Wer Cohen oder Kohn, Coen, Kagan oder Kogon heißt, stammt der Überlieferung nach von den Kohanim ab, den Priestern im Jerusalemer Tempel. Cohens Familie war Teil einer Art jüdischen Adels im englischsprechenden Westmount, in dem er aufgewachsen ist. Es kam Leonard nie in den Sinn, sich seines Nachnamens zu schämen. Einmal beteuerte er: „Ich habe mich meiner jüdischen Herkunft nie geschämt, und in jeder Krise Israels werde ich da sein. Ich habe mich dem Überleben des jüdischen Volkes verschrieben“. Dafür hatte er sich einer gegen den Staat Israel gerichteten Boykott-Bewegung zu erwehren.

Mit Rock hatte Cohen nie etwas am Hut, in die Welt des Pop geriet er in den 80er Jahren eher aus Versehen. Tatsächlich bewohnte er seit den 60er Jahren das höchste Plateau des Folk – gleichberechtigt neben den beiden anderen großen jüdischen Songwritern des Jahrhunderts, Bob Dylan und Paul Simon. Musikalisch wird er selten im gleichen Atemzug genannt, als Persönlichkeit aber überstrahlte er beide.

Zwar war er mit seinen ersten gefeierten Gedichtbänden („Let Us Compare Mythologies“, 1956) zu jung, um noch als Beat-Poet gelten zu können. Auf Künstlerpartys schlug er ein paar Akkorde zu seinen Gedichten – darunter auch, wie nebenbei, mit „One Of Us Cannot Be Wrong“, das vielleicht ergreifendste Liebeslied aller Zeiten. Seine Songs changieren zwischen amourös und religiös.

Die Folksängerin Judy Collins interpretierte bald darauf Cohens „Suzanne“. Collins war es auch, die Cohen am 30. April 1966 zu seinem ersten Gig auf die Bühne schieben musste. Es war ein Konzert gegen den Vietnamkrieg. Die Musik passte zur Hippie-Bewegung, der Typ in seinen eleganten Anzügen eher nicht. Dafür war er schon zu alt. „Darling“, informierte er später seine Biografin Sylvie Simmons: „Ich bin in einem Anzug geboren.“

Als antizyklische Erscheinung folgte Cohen weiter seinem eigenen Stern. Er kaufte ein Haus auf der griechischen Insel Hydra, wo er die norwegische Touristin Marianne Ihlen kennenlernte. Er veröffentlichte weiter Platten und pflegte flamboyante Affären, von Joni Mitchell bis Janis Joplin. Dass er sein Techtelmechtel mit Joplin im expliziten „Chelsea Hotel No. 2“ besang und öffentlich machte, diese Indiskretion bedauerte der Gentleman bis zuletzt.

Sieben Jahre nachdem er gegen den Vietnamkrieg auf der Bühne stand, zog es den Dichter unversehens selbst an die Front. Während John Lennon träumte, da wäre „nothing to kill or die for“, gab Cohen als ambulanter Truppenbetreuer während des kompletten Jom-Kippur-Kriegs 1973 bis zu acht Konzerte täglich vor den Zahal-Truppen, teilweise sogar während der Gefechte. Er hatte sich ohne Plan spontan ins Flugzeug gesetzt in der Absicht, die ägyptischen Kugeln aufzuhalten. Er machte später nicht viel Aufhebens darum und seine Rolle im Song „Field Commander Cohen“ wusste er sogar zu ironisieren. Trotzdem habe er „als Jude den Juden“ helfen wollen, ein historisches Foto zeigt ihn im offenen Hemd unter israelischen Soldaten, gleich neben Ariel Scharon. (…)

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