Von Dr. Nikoline Hansen
Erschreckend düster wirken die Bilder und Skulpturen der israelischen Künstlerin Chava Pressburger auf den ersten Blick. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – sind sie es wert, mit einem zweiten Blick gewürdigt zu werden. Es sind sehr persönliche Werke, in denen Chava Pressburger ihre eigene Vergangenheit aufscheinen lässt – und auch die Wege vermittelt, auf denen sie versucht, mit ihnen umzugehen, um eine Hoffnung für die Zukunft zu erspüren. So hat sie eine beeindruckende handwerkliche Fähigkeit entwickelt, Papier zu erschaffen, indem sie alte Techniken wiederaufleben lässt.
Dazu benutzt sie neben Altpapier Pflanzen, kocht die Masse zu einem Brei, um daraus individuelle Schönheit entstehen zu lassen – Papier, das nicht nur einem Zweck dient, sondern selbst lebendig ist und so quasi den Tod überwunden hat. Diese Papierarbeiten inspirieren nicht nur ihre Bilder, sondern dienen auch als Material für Skulpturen. Besonders beeindrucken sie dann, wenn die persönliche Familiengeschichte in die Kunstwerke einfließt.
Der zweite Weg, den Chava Pressburger zur Bewältigung der Vergangenheit in ihrer Kunst wählt, ist spirituell inspiriert durch die Kabbalah, mit deren Hilfe sie zu ihren eigenen Wurzeln zurückkehrt. Die Kunst ist ihr Trost – die nur selten erfolgreiche Suche nach Antworten. Die Beschäftigung mit der Kabbalah ist für sie daher der Versuch einen Weg in eine Sphäre zu finden, in der sie Gott spüren kann. Elemente der kabbalistischen Lehre tauchen deshalb wiederholt in ihren Arbeiten auf, etwa in dem Gemälde „Universum“, das in der von Ilka Wonschik verfassten Monografie zu finden ist, und das die Ordnung des Universums dem irdischen Chaos gegenüber stellt. Diese Bilder sind geprägt von einer mystischen Ausstrahlung, die von der Farbwahl geprägt ist.
Prag und Theresienstadt
Chava Pressburger wurde 1930 in Prag als Eva Ginz geboren. Ihr Vater war Jude, ihre Mutter Christin, die allerdings großen Wert darauf legte, ihren Kindern beide Religionen zu vermitteln. Durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten und ihre Gesetzgebung erhielt die Familie den sogenannten Status einer „privilegierten Mischehe“, wodurch ihr Vater bis kurz vor Kriegsende vor der Deportation geschützt war. Die Kinder zählten als „Mischling 1. Grades“, weshalb sie ab dem 14. Lebensjahr in ein Konzentrationslager geschickt werden konnten. Am 28. September 1942 wurde ihr älterer Bruder Petr daher als erstes Familienmitglied nach Theresienstadt deportiert. Chava folgte im Mai 1944 und konnte so ihren Bruder noch einmal wiedersehen, ehe dieser im Herbst 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde. Dass er nicht mehr zurückkommen würde, erfuhr sie erst zwei Jahre nach Kriegsende.
Stalinistischer Kibbuz
Diese Erlebnisse haben ihre Kunst entscheidend geprägt. Nach der Befreiung von Theresienstadt durch die russische Armee am 9. Mai 1945 kehrte Chava Pressburger wenige Tage später nach Prag zurück. Hier lernte sie während einer von der zionistischen Bewegung Hatzair organisierten Reise ihren künftigen Ehemann Jindrich Pressburger kennen, mit dem sie – forciert durch die politische Situation in der Tschechoslowakei – nach Israel immigrierte. Auch hier kam es in dem Kibbuz, in dem beide sich ansiedelten, zu Problemen, da das Ehepaar die dort vorherrschende Kritiklosigkeit gegenüber Stalin nicht teilen konnte. So zogen sie nach Naharija. Zwar stand nun die Sorge um den Lebensunterhalt im Vordergrund, trotzdem verfolgte Chava ihre künstlerischen Interessen konsequent, auch wenn sie das Angebot, an der Jerusalemer Kunstakademie zu studieren, aus finanziellen Gründen ablehnen musste. Ende der 50er Jahre zog die Familie mit ihren beiden Kindern nach Be’er Schewa, baute ein Haus und Chava konnte nun kontinuierlich an ihrer künstlerischen Weiterentwicklung arbeiten.
Dr. Ilka Wonschik ist es zu verdanken, dass Chava Pressburger nun auch in Deutschland einem weiteren Publikum bekannt gemacht werden kann. 2016 verfasste sie eine Künstlerinnen-Monographie, die im Verlag Hentrich & Hentrich veröffentlicht wurde und einen sehr interessanten Einblick in die Biografie und das Schaffen der Künstlerin gibt, wie hier angedeutet. Wer sich für das Thema interessiert, dem sei dieses wunderbare Buch deshalb ausdrücklich empfohlen! In Bonn hat sie vom 21. Oktober für gut zwei Wochen eine Ausstellung der Künstlerin organisiert, die zuvor bereits in Leipzig zu sehen war.
Darüber hinaus recherchiert Dr. Ilka Wonschik seit acht Jahren zu dem Thema „Künstler der verschollenen Generation“. Die Ergebnisse ihrer Arbeit dokumentiert sie auf ihrer Webseite www.gedaechtnisbilder.com
Ilka Wonschik: Chava Pressburger – Bilder Papierarbeiten – Skulpturen Hentrich & Hentrich 2016, 180 Seiten, 142 Abbildungen € 24,90 ISBN: 978-3-95565-166-4
Chava Pressburger – Impressionen in Papier Bonn 21.10.-8.11.2018 Kurfürstliches Gärtnerhaus, Beethovenplatz 1, 53115 Bonn www.kienstlerforum-bonn.de
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