August 7, 2014 – 11 Av 5774
Koscherer Sound in Rudolstadt

image

«Alpen Klezmer» und «Alaev Family» begeisterten beim 24. Tanz- und Folkfest 

Die jüdische Bevölkerung von Rudolstadt beziffert sich heute nahezu auf null. Andererseits war diese Kleinstadt mit derzeit rund 28.000 Einwohnern, zwischen Jena und Saalfeld gelegen, auch niemals eine Hochburg jüdischer Besiedlung – das waren in Thüringen viel eher allen voran Erfurt, aber auch Orte wie Arnstadt, Eisenach, Gotha, Jena, Langensalza, Meiningen oder Weißensee. Die sogenannten «Rind- fleischverfolgungen» von 1298 - benannt nach einem Ritter und Fleischermeister namens Rindfleisch - sowie der zum ersten Mal 1368 dokumentierte Leibzoll für Juden machten bereits vor Jahrhunderten den jüdischen Einwohnern das Leben in Thüringen schwer. In Rudolstadt selbst müssen spätestens seit dem 14. Jahrhundert vereinzelt Juden gelebt haben. Mit Genehmigung des Schwarzburg-Rudolstädter Fürsten Ludwig Günther II. existierte dort ab 1784 eine kleine jüdische Gemeinde, der die Ansiedlung einiger weniger Juden sowie deren Berufsausübung gestattete. Ziemlich genau hundert Jahre später jedoch, nämlich 1884 – andere Quellen sprechen erst von 1911 – endete die Existenz der Jüdischen Kultusgemeinde Rudolstadt mit dem Tod des letzten Gemeindevorstehers Gustav Callmann. Ende 1918 lebten zwar noch mindestens 80 Juden im Gebiet des damaligen Freistaates Schwarzburg-Rudolstadt, nach 1933 jedoch wurden diejenigen, die nicht rechtzeitig fliehen konnten, deportiert und ermordet. Bereits 1935 wurde der Rudolstädter jüdische Friedhof, der sich in der Debrastraße, links der Abzweigung des steilen Fußweges zum Zonnenberg, am Nordfuß des Burgberges befand, eingeebnet. Auf einen einstmaligen Friedhof, später Teil einer Porzellanfabrik, deutet heute nichts mehr hin.

Historische Spurensuche
Trotz allem sind die historischen jüdischen Spuren in Rudolstadt nicht ganz verschwunden. So gehört zu den wertvollsten Beständen des Thüringer Landesmuseums Heidecksburg die Rudolstädter Judaica- Sammlung: 30 einzigartige Exponate geben Auskunft über das Leben dieser erloschenen kleinen jüdischen Gemeinde. Erst vor rund zwölf Jahren begann die Erforschung der einzigartigen Stücke, unter denen sich zwei Torarollen (gefertigt vermutlich noch vor 1800), ein mehrteiliger hebräischer Machsor (gedruckt 1794 in Wien), sechs Gebetbücher, Gebetstexte und –tafeln befinden. Besonders selten sind die erhaltenen Textilien der Gemeinde, darunter Thoravorhänge und Thoramäntelchen. Die genannten Objekte stammen fast alle aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Vor fünf Jahren wurde die Sammlung erst- mals im Thüringer Landesmuseum Hei- decksburg der Öffentlichkeit präsentiert. Niemand anders als Charlotte Knobloch, damals noch Präsidentin des Zentralrats der Juden, eröffnete am 26. Oktober 2009 die Kabinettausstellung. Zuletzt waren die Exponate vom 17. März bis 11. Mai 2014 in der Kleinen Synagoge Erfurt zu sehen.

Verdient gemacht hat sich bei der Spurensuche nicht zuletzt ein engagierter Lehrer am Staatlichen Gymnasium Fridericianum, namentlich Karl-Heinz Swirszczuk, der vor allem im Ethik- und Religionsun- terricht das Interesse seiner Schüler auf das vergangene Leben und Schicksal der Rudolstädter Juden lenkt. So konnten bereits in den 1990er Jahren die Ergebnisse einer Projektarbeit unter dem Titel «Juden in Rudolstadt» zu einer Broschüre zusammengefasst werden. Jahre später setzte sich insbesondere Swirszczuk dafür ein, dass 2011 die Wanderausstellung «Anne Frank – eine Geschichte für heute» unter anderem auch im Rathaussaal von Rudol- stadt zu besichtigen war.

Von «Izabo» bis «Sheva»
Nichtsdestoweniger finden auch immer wieder jüdische Zeitgenossen ihren Weg nach Rudolstadt, wenngleich sie dafür das seit 1991 alljährlich stattfindende bedeutendste Musikfestival Deutschlands für sogenannte «Weltmusik», das Tanz- und Folkfest (TFF), als Anlass benutzen. So beleben Anfang Juli immer wieder jüdische Musiker, meist aus Israel kommend und vom Publikum eher unbemerkt, die Innen- stadt. Darunter befanden sich schon Größen wie Ya’ir Dal’al mit seinem Projekt «Al Ol» (1997), Emil Zrihan (1999), das Idan Raichel Project, gewissermaßen der «shooting star» im israelischen Popbusiness, sowie die Formation «Balkan Beat Box» (beide 2007) oder auch Rafid Kahalanis «Yemen Blues» (2011), um nur einige genannt zu haben.

Von Matti GOLDSCHMIDT

Weiteres zu den jüdischen Stars des 24. Tanz- und Folkfestes: www.alaevfamily.com www.andrea-pancur.de/Musik.htm www.alanbern.net

Komplett zu lesen in der Druckausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier abonnieren oder hier ein Probeexemplar bestellen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke