August 7, 2014 – 11 Av 5774
«Gefangen in irrwitziger Naivität»

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Offener Brief von Charlotte Knobloch an Jürgen Todenhöfer vom 18.07.2014 

Sehr geehrter Herr Todenhöfer,
Ihre jüngsten Auslassungen auf Facebook verfassten Sie unter der Überschrift «Fassungslos in Gaza». Ihr heutiger Auftritt im ARD-Morgenmagazin macht mich fassungslos in Deutschland. Mir ist unbegreif- lich, wie verantwortungsvolle und seriöse Medien Ihnen ein Forum bieten können, um Ihre Anschauungen zu verbreiten, die offensichtlich jeden Bezug zur Realität verloren haben.
Sie sind in einer Weise voreingenommen und beseelt von islamistischem Gedankengut, dass ich mir ernsthaft Sorgen um Ihren Gemütszustand mache. Es ist erschreckend, wie ein einst vernünftiger und kluger Intellektueller unseres Landes, der von christlich-jüdischen Werten geprägt war, derart den Boden unter den Füßen verlieren kann.

Noch erschreckender ist es jedoch, dass Sie Ihre verschobene Wahrnehmung und Ihre bizarre Sicht der Dinge ungebremst der Öffentlichkeit als absolute Wahrheit verkaufen dürfen. Hier müssten eigentlich sorgfältige Journalistenkollegen Sie vor sich selbst – aber auch Ihre Zuhörer und Leser – vor Ihren Vorstellungen beschützen.

Nach Ihrem Auftritt im ARD-moma erinnerte ich mich an Ihre Fotomontage auf Facebook, in der Sie unseren Bundespräsidenten als «Gotteskrieger» darstellten. Zu Recht hieß es, Sie hätten jegliche Bo- denhaftung verloren, seien arrogant und herablassend, völlig abgedreht und orientierungslos und heischten verzweifelt nach Aufmerksamkeit. Goldrichtig analysierte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Ihnen seien die Argumente ausge- gangen. Als «politischen Geisterfahrer» identifizierte Sie Agrarminister Christian Schmidt, und Außenpolitikexperte Karl-Georg Wellmann riet Ihnen, sich in fach- ärztliche Behandlung zu begeben.

Sie zogen es vor, sich nach Gaza zu begeben. Freilich nicht wie Ihre Kolleginnen und Kollegen auf offiziellem Wege, sondern wie gewohnt heroisch durch einen Tunnel. So konnten Sie, wie Sie im Interview anmerkten, die Zerstörung einer Sauna in Aschkelon zwar nicht verhindern, aber immerhin konnten Sie exklusive, von dem Hass auf Israel inspirierte Erkenntnisse gewinnen, mit denen Sie jetzt das deutsche Publikum versorgen.

Jürgen Todenhöfer

Jürgen Todenhöfer

Begeistert werden Ihre Aussagen und Beiträge bereits im Internet unter anderen auch von Rechtsextremen, Linksradikalen und natürlich Islamisten geliked und ge- teilt. Glückwunsch Herr Todenhöfer, Ihr Ego erhält einen angemessenen Resonanzboden, auf den Sie hoffentlich stolz sind. Gefangen in irrwitziger Naivität, die an freiwillige Gehirnwäsche erinnert, fallen Sie der terroristischen Propaganda anheim. Ihre so gewonnenen Erkenntnisse vermischen Sie geschickt und trickreich mit aktuellen Nachrichten. Der unbedarfte Leser und Zuhörer kann auf diese Weise kaum noch zwischen todenhöferischer und tatsächlicher Realität unterscheiden. Nur in Nebensätzen bedauern Sie halbherzig den «Islamischen Jihad», um diesen sodann durch die «David gegen Goliath»-Situation zu erklären. Ihr Goliath ist selbstverständlich Israel – ein Land mit der Flächengröße von Hessen – und nicht etwa dessen vereinte arabische Nachbarschaft, die seit 1948 von der Auslöschung des verhassten jüdischen Schandflecks phantasiert.

Kein Wort von Ihnen darüber, das gegen die drei mutmaßlichen Mörder des 16-jährigen Palästinensers Mohammed Abu Chedair in Israel Anklage erhoben wurde. Zu Recht werden die Täter rechtsstaatlich verfolgt und bestraft. Auf der anderen Seite feiern palästinensische Fanatiker jeden toten Juden, verehren und feiern ihre Selbstmordattentäter als Märtyrer.
Sie verschweigen, dass Israel, die einzige freiheitliche Demokratie in der Region, akribisch darauf achtet, dass jeder Angriff juristisch auf die Vereinbarkeit mit internationalem Recht überprüft ist. Auch warnt die Armee die palästinensische Zivilbevölkerung rechtzeitig, um sich in Sicherheit zu bringen. Demgegenüber verschanzt sich die Hamas mit ihren Waffen- und Raketenlagern in Wohnhäusern und Moscheen. Kaltherzig und unmenschlich missbrauchen sie die zivile Bevölkerung, die eigenen Kinder und Frauen als menschliche Schutzschilde. Während Israels Armee die palästinensische Bevölkerung vor jedem Angriff warnt, um zivile Opfer zu vermeiden, nötigt die Hamas palästinensische Familien dazu, sich auf ihren Häusern um die Abschussrampen zu scharen.

Wie jeder vernünftig denkende und fühlende Mensch bedaure auch ich von ganzem Herzen die vielen unschuldigen Opfer dieser schrecklichen Konfrontation. Aber bitte leugnen Sie doch nicht, dass ur- sächlich die Hamas die Schuld daran trägt. Die Unmenschlichkeit der Hamas ist die einzige Maßlosigkeit, die ich in diesem furchtbaren Konflikt erkennen kann. Seit jeher ist den Terroristen die Vernichtung Israels mehr wert als die Herstellung guter Lebensbedingungen für die Palästinenser. Alles Geld, alle Kraft wird in den Kampf gegen Israel gebündelt, nicht in den Frieden, nicht in ein gutes Leben. Die Hamas provoziert den Krieg ganz bewusst. Sie setzen den Beschuss fort und ignorieren die verhandelten Waffenruhen, um Israel zur Reaktion zu zwingen.

Die Hamas hat den Krieg der Bilder perfektioniert. Sie sind der Hamas aufs Glatteis gefolgt und haben den Terroristen quasi als embedded Journalist gedient und dazu beigetragen, dass deren zynische Strategie aufgegangen ist. Herzlichen Glückwunsch, Herr Todenhöfer.

Israel, das von solchen traurigen Bildern delegitimiert werden soll, will diesen Krieg nicht. Aber Israel muss seine Bevölkerung schützen. Israel kann sich den Beschuss nicht gefallen lassen. Jede andere souveräne Demokratie dieser Welt müsste in dieser Weise handeln. Doch nur Israel ist mit dieser singulären geopolitischen Situation konfrontiert. Andere Staaten müssen jene Fragen nicht beantworten, wie sie die Administration um Ministerpräsident Netanjahu und das israelische Militär beantworten müssen.

Mit freundlichen Grüßen Charlotte Knobloch

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