Juli 3, 2014 – 5 Tammuz 5774
«Die Hände des Pianisten»

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von Yali Sobol 

Wie leicht der Übergang vom Rechtsstaat zum Totalitarismus in Zeiten allgemeiner Krise von einem Unrechts regime bewerkstelligt werdenkann, das unter der Prämisse des Allgemeinwohls und kurzfristig konsensfähiger sogenannter «notwendiger» Maßnahmen seine Optionauf die totale Macht wahrnimmt, zeigt der israelische Schriftsteller und Musiker Yali Sobol auf meisterhafte Art und Weise in seinem neuen Roman,in dem er überaus geschickt mit unserer optimistischen Erwartungshaltung sowie unserem natürlichen Gerechtigkeitsempfinden spielt: «TEL AVIV, NACHDEM NÄCHSTENKRIEG» – die Metropole am Mittelmeer ist während des nicht näher bezeichneten Kriegsverlaufs durchzahlreiche feindliche Raketentreffer erheblich zerstört worden, ihre Bewohner sind noch voll auf damit beschäftigt, sich wieder in ihrem altvertrauten Lebeneinzurichten.

Maßgeblich verantwortlich für das schnelle Endedes Krieges ist ein erfolgreicher Militärputsch.Sehr gekonnt demaskiert der Autor dabei die plumpe, sich volksnah-solidarisch gebende, schnarrige Vertraulichkeit der israelischen Militärs, wie sie auch heute wie selbstverständlich an der Tagesordnung ist, als allgegenwärtige, ganz reale potentielle Gefahr für die israelische Demokratie. Freilich ist auch nach Ende des Krieges keine Rede mehr von einer Rückkehr zu demokratischen Strukturen: eine Reihe von Notstandsverordnungen zementiert die Macht des Generalstabschefs und ermächtigt insbesondere die Polizeiorgane zum Einsatz aller «notwendigen Mittel». Der Autor zeigt mit hinterlistiger Bravour,wie leicht man unter den Bedingungen einer sich frisch entspinnenden Diktatur selbstals vollkommen harmloser, unpolitischer undgesetzestreuer Bürger in die Fänge eines sich in zunehmendem Maße selbst legitimierenden Polizeiapparats geraten kann.

«Die Hände des Pianisten», aus dem Hebäischen
von Markus Lemke, erschienen bei Antje
Kunstmann, 288 Seiten, € 19,95

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