November 4, 2015 – 22 Heshvan 5776
„Der Wald und die Rote Armee “

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Ein Segen für zwei jüdische Jungen  

Von Miriam Magali

Für viele Deutsche ist der Wald schlechthin das Symbol der Romantik, der Geheimnisse und der wahren Natur. Für Juden, vor allem für solche, die die schreckliche Zeit der NS-Verfolgungen durchleben, ist er ein Ort der Zuflucht, manchmal sicher, manchmal weniger sicher.

Wie solch eine jüdische Flucht in die Wälder aussieht, das beschreibt der ursprünglich aus dem damaligen Rumänien stammende Autor AharonAppelfeld immer wieder.
In seinem im Jahr 2014 erschienenen Roman „Auf der Lichtung“ erzählt Appelfeld von einer größeren Gruppe von Juden, die sich in die Wälder flüchten und aktiv gegen die deutschen Besatzer kämpfen, indem sie Züge mit jüdischen Deportierten überfallen, die Menschen befreien und mit in die Berge nehmen. Sie überleben und werden dank der Roten Armee wieder freie Menschen. Denn die Soldaten der Roten Armee sind für viele versteckte Juden 1944 und danach die Befreier und die ersten, die ihnen etwas Vernünftiges zu Essen und warme Kleidung geben – ein krasser Gegensatz zum deutschen Bild dieser russischen Soldaten der Roten Armee, die von den Deutschen als brutale Vergewaltiger wahrgenommen und erinnert werden.

Im vorliegenden Roman „Ein Mädchen nicht von dieser Welt“ werden, jeder für sich, zwei neunjährige Jungen von ihren Müttern zu ihrer Sicherheit in den Wald gebracht: „Ich tue, was ich kann, um am Abend wieder bei dir zu sein“, verspricht Adams Mutter ihrem Sohn, als sie sich von ihm trennt. Ähnliches wird auch Thomas’ Mutter gesagt haben, als sie ihrerseits ihren Sohn in den, wie sie hofft, sicheren Wald bringt. Adam kennt sich in diesem Wald gut aus, denn in der Vergangenheit war er oft mit seinen Eltern, einem Schreiner, dem seine Mutter tatkräftig zur Seite stand, in diesem Wald gewandert, hatte Beeren gesammelt und Wasser aus den klaren Bächen getrunken. Aber diesmal ist es anders: „Seltsam ... ich gehe zum ersten Mal allein durch den Wald.“ Schuld daran sind der Krieg und das Ghetto. Beide setzen den Ausflügen in den Wald ein Ende.

Gleich am ersten Tag bekommt Adam Gesellschaft. Als er nach einem kurzen Schlaf aufwacht, hört er ein Rascheln. Er schaut auf, sieht einen Jungen, der wie zuvor schon er selbst, mit einem großen Rucksack durch das Laub stapft. Zu Adams Überraschung ist es Thomas, sein Mitschüler. Im Gegensatz zu Adam ist er ein ausgezeichneter Schüler, kein Wunder, denn Thomas’ Vater ist Lehrer am Gymnasium, seine Mutter Lehrerin an der Grundschule, und für beide ist es selbstverständlich, dass Lernen und Lesen für den Sohn im Mittelpunkt seines Lebens stehen. Vom Leben im Wald hat er dagegen keinerlei Ahnung.
Schnell zeigt sich, dass Adam ein Kind der Natur ist, Thomas dagegen ein richtiges Stadtkind. Er war der Klassenbeste, hatte aber deswegen kaum Freunde in seiner Klasse. Und jetzt, mitten im Wald auf sich selbst gestellt, wäre er vermutlich verloren. Zum Glück für Thomas hatte sich Adams Mutter genau jene Stelle im Wald als Versteck für ihren Sohn ausgesucht, an der sich Adam befindet. Adam ist der praktischere der beiden. So kommt ihm die rettende Idee, für die Nacht ein Baumhaus zu bauen. Unter seiner Anleitung vergrößern die beiden Jungen später noch ihr Nest im Baum, gehen auf Beerensuche, streifen im Wald umher und erkunden ihn. Denn obwohl beide Mütter es versprochen haben, kommt keine, um den Sohn abzuholen. Die Jungen richten sich ein. (…)

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