Von Dr. Nikoline Hansen
Manchmal kann man sich glücklich schätzen einem Menschen zu Lebzeiten begegnet zu sein, der sich mit Strahlkraft und Energie für eine Sache einsetzt und so in Erinnerung bleibt. Auch bei Rabbinern ist das nicht immer selbstverständlich. Leo Trepp war jedenfalls so ein Mensch, der sich mit ganzem Herzen dem jüdischen Lehren und dem Schaffen von Verständnis für das Judentum auch über seine primäre Klientel, der eigenen Gemeinde hinaus einsetzte. Unermüdlich war er, schrieb Bücher und war trotzdem unterwegs, er hielt Vorträge, und vor allem kehrte er zurück nach Deutschland, in das Land, das versucht hatte, ihn und seine Familie zu vernichten. In Berlin durfte auch ich ihn einmal im Rahmen eines Vortrags an der jüdischen Volkshochschule in der Fasanenstraße treffen – eine Begegnung, die faszinierend und prägend war.
Wer war Leo Trepp?
Ein orthodoxer Rabbiner, aber ein unorthodoxer Mensch – so heißt es in einem Beitrag über ihn, der im Rahmen eines Deutschlandbesuchs im Sommer 2009 für das Erste Deutsche Fernsehen entstand. Leo Trepp wurde am 4. März 1913 in Mainz geboren. Sine Eltern stammten aus Fulda und Oberlauringen. Er besuchte das Gymnasium, machte 1931 sein Abitur und promovierte als letzter jüdischer Student in Deutschland 1935 an der Universität Würzburg zum Doktor der Philosophie. Gleichzeitig studierte er an der Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums und konnte deshalb 1936 zum Rabbiner ordiniert werden.
Am 1. August 1936 trat er das Amt als Rabbiner in Oldenburg an und wurde noch im selben Jahr einstimmig zum Landesrabbiner gewählt. Nach kurzer KZ-Haft in Sachsenhausen vom 11.-26. November 1938 war er gezwungen aus Deutschland zu emigrieren. Sein Weg führte ihn über England in die USA, wo er an der Harvard-Universität und in Berkeley (Kalifornien) studierte und in verschiedenen Gemeinden als Rabbiner tätig war. Von 1951 bis zu seiner Emeritierung 1983 lehrte er am Napa College als Professor für Philosophie und Geisteswissenschaften. Er starb am 2. September 2010 in San Francisco und war der letzte noch lebende Rabbiner, der bereits in der NS-Zeit amtiert hat.
Diesem Umstand ist sicher der kurz gegriffene und irreführende Titel des Buches zu verdanken – denn der Untertitel „Das unorthodoxe Leben des Leo Trepp“ passt sicher besser zu dem Menschen, um den es in der Biographie geht, die seine Witwe Gunda Trepp liebevoll, einfühlsam und sorgfältig aus dem Nachlass zusammengestellt und wo notwendig mit eigenen Worten ergänzt hat – denn seine Autobiographie selbst fertig zu schreiben war ihm trotz seines hohen Alters nicht mehr vergönnt.
Neuanfang in Oldenburg
Dabei gibt es noch etwas, für das der Name Leo Trepp steht: die Erneuerung und der Neuanfang – jüdisches Leben in der Gegenwart lebbar zu machen war ihm ein zentrales Anliegen, das er auch mit seinen orthodoxen Ansichten immer wieder in Einklang bringen konnte. Und so führten ihn seine Reisen auch immer wieder nach Deutschland, wo er nicht unwesentlich das Entstehen der neuen jüdischen Gemeinde in Oldenburg unterstützte und wesentlich zu einem interreligiösen Dialog beitrug.
Dennoch, was sich hier nur summarisch schon als außergewöhnliches Leben liest, wird in der Biographie erst richtig lebendig. So zeigt sie sehr beeindruckend die vielen Grauzonen auf, die der Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft mit sich brachte – was unter anderem eben Trepp die Möglichkeit eröffnete, noch zu einem Zeitpunkt zu promovieren, als dies aufgrund der Nürnberger Rassegesetze eigentlich schon nicht mehr möglich schien. Wie so oft kam es auf jeden einzelnen Menschen an, den Leo Trepp traf und der ihm half zu überleben und am Ende sein Werk auch einer weiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Dieser letzte Teil obliegt nun in erster Linie seiner 45 Jahre jüngeren zweiten Frau und Witwe Gunda Trepp, der es gelungen ist, eine Biografie zu verfassen, die sich nicht nur spannend liest, sondern auch die Stimme des Verstorbenen immer wieder lebendig werden lässt. Wenn man es einmal begonnen hat, möchte man es eigentlich gar nicht mehr zur Seite legen, und zugleich vermittelt es auch allen, die sich mit dem Thema Judentum schon umfassend befasst haben, neue Aspekte. So ist es nicht nur ein wichtiges historisches Dokument, sondern zeigt auch den Weg auf, den Leo Trepp nach dem Ende des Judentums in Deutschland im erzwungenen Exil wieder neu beschritten hat und von dem zu wünschen ist, dass er ein neuer Anfang ist, der weit in die Zukunft reicht. Ein wunderbares Buch, dessen Lektüre ich nur empfehlen kann.
Trepp, Gunda
Der letzte Rabbiner
Das unorthodoxe Leben des Leo Trepp
wbg Theiss, Darmstadt 2018
ISBN 978-3-8062-3818-1
€ 39,95
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