Von Matthias Dornfeldt
Die Stadt Dnipro, die bis 2016 Dnipropetrowsk (russisch Dnjepropetrowsk) und bis 1926 Jekaterinoslaw hieß, befindet sich 400 km südöstlich der ukrainischen Hauptstadt am gleichnamigen Fluss. Bereits nach der Stadtgründung durch Kaiserin Katharina II. 1776 siedelten sich dort Juden an. Die Stadt entwickelte sich zu einem bedeutenden Industriezentrum im Russischen Reich. Im Laufe der Zeit kamen immer mehr Menschen mosaischen Glaubens in die Metropole. Mit einer signifikanten jüdischen Gemeinde, zahlreichen Gebetshäusern, Schulen und Vereinen war der Ort ein bedeutendes jüdisches Zentrum im damaligen Gebiet Neurussland.
1883 erreichten allerdings antijüdische Ausschreitungen und Pogrome Jekaterinoslaw, wobei zahlreiche jüdische Häuser und Geschäfte geplündert wurden. Es kam zu Vergewaltigungen und Morden, deren Zahl nur zu schätzen ist. Diese Unruhen begannen 1881 und erstreckten sich über große Teile des südlichen Ansiedlungsrayons insbesondere im Gouvernement Cherson als Ausgangspunkt, aber auch über Kiew und Jekaterinoslaw. Es wurde davon ausgegangen, dass Juden hinter dem Attentat auf Zar Alexander II. vom 13. März 1881 standen. Tatsächlich wurde der Anschlag von der linksterroristischen Organisation „Narodnaja Wolja“ verübt.
Deutscher Einmarsch
Auch in der Sowjetunion blieb die jüdische Gemeinde stark. Von 526.000 Stadtbewohnern waren etwa 90.000 jüdischer Herkunft. Vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 25. August 1941 wurden hunderttausende Einwohner von den sowjetischen Behörden evakuiert oder flohen, unter ihnen auch 60.000 jüdische Menschen. Jedoch verblieben noch 30.000 bis 35.000 Juden in der Stadt. Ihnen drohte die Hölle. Es kam zum Massenmord an jüdischen Einwohnern durch die deutschen Besatzer. An den Massenerschießungen waren der SS-Führer Friedrich Jeckeln und das Polizeibataillon 314 maßgeblich beteiligt. Dabei wurden am 13./14. Oktober 1941 12.000 Juden im Botanischen Garten sowie auf dem alten jüdischen Friedhof ermordet. Als im Herbst 1941 eine Hungersnot in der Stadt nicht mehr zu übersehen war, untersagte – so die „Ereignismeldung UdSSR“ Nr. 135 der SS-Einsatzgruppe C vom 19. November 1941 – der NS-Staatssekretär für Ernährung und Landwirtschaft, Herbert Backe, die Einführung von Lebensmittelkarten, „da diese Rechtsansprüche auf Belieferung darstellten“. Am 19. Oktober verkündete die Wehrmacht, dass die „Judenfrage“ in Dnjepropetrowsk als gelöst zu betrachten sei.
Auswanderung nach Israel
Die präzise Opferzahl in der Stadt ist nicht bekannt. Die deutschen Okkupanten gaben in internen Berichten an, ca. 15.000 Juden ermordet zu haben. Im Oktober 1943 kehrte die Rote Armee nach Dnjepropetrowsk zurück. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrten viele Menschen jüdischen Glaubens in die Djeprmetropole zurück. 1970 lebten hier wieder 70.000 Juden, allerdings gab es nur eine Synagoge als einzige jüdische Einrichtung. In den 1970er Jahren begann dann die erste Auswanderungswelle nach Israel.
Das am 21. Oktober 2012 eröffnete Menorah-Zentrum ist ein multifunktionales jüdisches Kulturzentrum in Dnipro. Das Gebäude beheimatet unter anderem ein Hotel, eine Konzerthalle, eine Galerie, ein koscheres Restaurant sowie das „Museum zur jüdischen Geschichte und der Schoa in der Ukraine“ und das „Tkuma- Zentrum – Ukrainisches Institut für Schoah-Studien“. Es gilt mit seiner Gesamtfläche von 50.000 Quadratmetern als größtes jüdisches Zentrum der Welt. (…)
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