Die Naivität, Ignoranz und Anbiederung der Manuela Schwesig  

September 5, 2015 – 21 Elul 5775
Wo ist die Judentumskonferenz?

Von Adam Elnakhal

Es ist ein ruhiger Dienstagabend und ich habe Urlaub. Ein wenig Abendsonne scheint durch eine dunkle Wolkendecke auf das kleine Fenster meines Zimmers. Es könnte gar nicht besser sein. Doch dann gehe ich online und rufe meine sozialen Netzwerke ab. Und was entdecke ich da auf Facebook als Erstmeldung? Da schaut mich doch tatsächlich das Logo der Bundesregierung mit dem Stichwort „Sommertour Schwesig“ an. Ja, gemeint ist die Sozialdemokratin Manuela Schwesig, die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist.

Anstatt unter Palmen zu liegen, tourt sie im Namen der Integration durch die Bundesrepublik. Toleranz und Respekt möchte sie mit ihrer spätsommerlichen Tour fördern. Heute war sie in der Hauptstadt unterwegs, genauer gesagt im (Nix-)Problemviertel Neukölln. Mich schauen vier Bilder an, die mich jedoch stutzig machen. Das erste Bild ist besonders groß gehalten, es ist aus der Şehitlik-Moschee. Frau Schwesig wird von einer Frau durch die in weißblauen Farbtönen gehaltene Moschee geführt. DİTİB, ik hör' dir trapsen, denke ich und google als Nicht-Berliner erstmal nach. Und tatsächlich darf ich 100 Punkte ordern: Die Moschee, welcher unserer Bundesfamilienministerin einen Besuch abstattet, gehört der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion und ist somit eine von Hunderten verlängerten Armen der Erdogan-Türkei in der Bundesrepublik.

Schön, die Islamliebhaberin ist zu Gast bei der Außenstelle der AKP-Regierung. Da darf man sich ja freuen. Anstatt mal eine Synagoge zu besuchen und sich dem Thema der aggressiven Judenfeindlichkeit sowohl bei Rechtsextremisten als auch bei moslemischen Zuwanderern zu stellen, wird nun bei der Neuköllner DİTİB-Moschee aus Bundesmitteln eine „Beratungsstelle" für moslemische Jugendliche eröffnet, die sich mit religiösen Extremismus konfrontiert sehen. Zusammen mit den AKP-Extremisten soll nun gegen den IS gekämpft werden. Und mitten drin lächelt unsere Manuela Schwesig. Nun darf man gespannt sein, ob die (männlichen) Moscheegemeindemitglieder den Juden, den Homosexuellen, den Atheisten und Freidenkern und den Glaubensabtrünnigen vom Islam nun demokratisch-geläutert gegenüber treten werden.

Immerhin fließen ja Steuergelder an dieses nun auch von der Bundesregierung beworbene Projekt. Aber schnell weg, vom Thema „deutsche Steuergelder“. Denn diese fließen in einige Organisationen, die mit der deutsch-israelischen Freundschaft nicht wirklich zu vereinbaren sind.

Nach den sehr ausführlichen Ramadanwünschen der Bundesregierung Wochen zuvor, werden beide Hände nun wieder in Richtung mehr als nur zweifelhafter moslemischer Organisationen ausgestreckt. Mit dem ruhigen Dienstagabend war es denn bei mir freilich vorbei. Mein Blutdruck stieg auf ungesunde Höhen. So viel Naivität, Ignoranz und Anbiederung ist man von Frau Schwesig zwar gewöhnt. Und trotzdem kann und will ich mich nicht daran gewöhnen.

Der Facebookeintrag der Bundesregierung bekommt erst einmal einen kritischen Kommentar zur Völkermordleugnung seitens der Republik Türkei und seitens ihrer DİTİB. Sodann lese ich mir die Werke der anderen Facebooknutzer durch. Neben besorgten Äußerungen von Christen über die voranschreitende Islamisierung und kritischen Einwänden von Bürgern über die Integration der Moslems in der BRD, finde ich natürlich auch die geistreichen Ergüsse von einigen Leuten, die das Thema wohl nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollen. Und natürlich treffe ich auch auf die Kommentare von einigen Moslems (wie immer männlich und unter 30), welche die Mär vom friedlichen, spirituellen und glückseligmachenden Islam auftischen. Es ist eine Mär, die ich nicht mehr stehen lasse. Also tippe ich – stets im selbstzweifelnden Gedanken, wie viel es eigentlich bringt, meine kurze Lebenszeit auf Facebook mit überzeugten DİTİB-Mitgliedern zu debattieren. Nicht selten enden diese Facebookdiskussionen nämlich in Beleidigungen, die einem dann per persönliche Nachricht oder auch direkt für alle öffentlich ersichtlich übermittelt werden. Wenn ihnen nämlich die Argumente widerlegt werden und sie keine neuen mehr finden, dann doch noch immerhin das Argument „Hurenkind“, welches mich aber trotz aller Kreativität und Engagiertheit bislang noch nicht vollends überzeugt hat. Ich bin eben ein anspruchsvolles Hurenkind. Und manchmal bin ich auch ein provokantes Hurenkind. Und vor allem bin ich ein Hurenkind, welches Ungerechtigkeit nicht ausstehen kann.

Und wie ich konzentriert tippe, komme ich gedanklich wieder an den Punkt, der mich im ach so neutralen und gegen alle gleich handelnden Deutschland stört: Die Islamkonferenz! Pardon, ich meine natürlich die: Deutsche Islam Konferenz - eine einzigartige und individuelle Konferenz zwischen dem Bundesinnenministerium und den Islamverbänden.

Die Türkisch-Islamische Union ist selbstverständlich auch zugegen, wenn der Innenminister versucht Scharia und Grundgesetz zusammenzubringen und die Verbände den Friede-Freude-Eierkuchen-Islam präsentieren, der selbstverständlich das staatliche Gewaltmonopol akzeptiert und nur seine Grundrechte in Anspruch nehmen will. Jaja, diese Islamkonferenz ist eine Komödie der besonderen Art - made in Germany, made by Wolfgang Schäuble, Hans-Peter Friedrich and Thomas de Maizière.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz des deutschen Staates findet seine Schranken selbstverständlich bei den nicht-moslemischen Religionen und Weltanschauungen. Die Deutsche Islamkonferenz ist eben einzigartig. Hinweise auf eine Christentumskonferenz, eine Buddhismuskonferenz, eine Hinduismuskonferenz, eine Bahaikonferenz, eine Freidenkerkonferenz, eine Humanistenkonferenz oder gar eine Judentumskonferenz wird man sowohl auf der Seite vom Bundesinnenministerium als auch der Bundesregierung vergeblich suchen. Warum gibt es hier keine Konferenzen? Was soll diese offensichtliche Ungleichbehandlung?

Nur weil Juden das Gewaltmonopol des deutschen Staates und die christlichen gesetzlichen Feiertage akzeptieren, heißt das doch nicht, dass sie nicht auch gewisse Wünsche an diesen Staat haben: Zum Beispiel, dass auf deutschen Straßen nicht mehr straffrei „Hamas, Hamas, Juden ins Gas!“ oder „Tod, Tod, Israel!“ gebrüllt wird, dass die Polizei den Hamas-Sympathisanten nicht mehr in vorrauseilendem Gehorsam das Polizeimegaphon zur Verfügung stellt oder gar (wie in Duisburg geschehen) in eine Wohnung einbricht und die israelische Flagge vom Fenster reißt, nur um die anti-israelische Meute ruhigzustellen.

Ja, wäre das denn keine Idee? Eine Judentumskonferenz beim Bundesinnenminister. Die hieße dann natürlich nicht Judentumskonferenz – nein, die würde dann selbstverständlich den Namen „Deutsche Judentum Konferenz“ tragen. Au weia! Kaum gebe ich dies als Suchbegriff bei Google ein, erscheint als erster Treffer der wikipedia-Artikel von der Wannseekonferenz. Omen est nomen? Egal! Füllen wir den Terminkalender des Innenministeriums mit einer Judentumskonferenz und vielen weiteren Konferenzen, denn die Liste der Religionen und Weltanschauungen in Deutschland ist lang. Da kann das Ministerium von Herrn de Maizière gleich noch einen weiteren Dienstsitz anmieten oder besser kaufen. Und bitte kein Sparmodell, denn wie gesagt: Die Liste ist lang. Und in jeder Legislaturperiode des Deutschen Bundestages ist eine Konferenzphase mit jeweils mehreren Verhandlungsthemen abzuarbeiten. Die spontanen Begeisterungsschreie des Ministeriums wären ganz sicher über die Grenzen der Hauptstadt, ja vielleicht sogar der Bundesrepublik hörbar.

Während im ersten Obergeschoss dann darüber diskutiert wird, wie die Scharia künftig in der Grundschule vermittelt werden kann, müssen die Ministerialmitarbeiter im zweiten Obergeschoss einen erwartungsfreudigen Josef Schuster schnell mit vielen warmen Worten zur Dankbarkeit über jüdisches Leben in Deutschland abservieren, denn im dritten Obergeschoss warten trotz Personalengpass im Ministerium bereits die Freireligiösen mit der Forderung den Gottesbezug in der Präambel des Grundgesetzes zu streichen.

Die Religionskonferenzen beim Innenminister – sie wären sicher schnell ein Mehrteiler von Liebe, Eifersucht, Herzschmerz, Verrat, Lüge, Hinterhalt und... nein! Schluss jetzt! Wir wollen diese Gedanken lieber gar nicht weiterspinnen. Warum sollten wir uns auch Gedanken über etwas machen, das sowieso in absehbarer Zeit nicht kommen wird. Ich bitte Sie! Deutsche Judentums Konferenz! Deutsche Christentums Konferenz! Ja, Herrschaftszeiten noch einmal, wo kommen wir denn da bitte hin, wenn im christlich-jüdischen Abendland jetzt auch noch die Kuffar einen regelmäßigen Dialog beantragen? Es muss reichen, wenn die Pressestelle vom Bundeskanzleramt und vom Bundespräsidialamt auf die Tränendrüse drückt, wenn sich auf deutschen Straßen der über Jahre angestaute, gebilligte, ignorierte und indirekt geförderte Juden- und Israelhass entlädt.

Und während ich meine Gedanken hier auf das virtuelle PC-Papier bringe, meldet sich per akustischem Signal das Gesichtsbuch. Meine türkei-kritische Anmerkung zum Völkermord an den Armeniern wurde kommentiert und ich möchte Ihnen diesen sehr qualifizierten Kommentar keinesfalls vorenthalten:

„Völkermord???Ja stimmt die Armenier haben das gemacht....die Armenier sind auch sehr genial was es Fotomontage angeht was damals geschiehen ist und was in den Medien berichtet wird...Bevor hier einige leute [ich, habe sogar einen Namen] über Völkermord reden sollen erstmal an die eigene Nase fassen...ich möchte auch nicht über den 2.Weltkrieg sprechen...denn die ganze Welt weisst was damals geschiehen ist....noch schlimmeres kann ich mir nicht vorstellen.“

In einem Punkt gebe ich dem jungen Herrn, der diesen Kommentar verfasst hat, Recht: Richtig, etwas Schlimmeres als die Schoah kann man sich nicht vorstellen. Doch der Rest seines Kommentares ist selbsterklärend. Er gibt auf seinem Profil an, dass er in Hannover wohnt. Schade, die niedersächsische Landeshauptstadt ist leider kein Ziel auf Frau Schwesigs Sommertour für Integration, Respekt und Toleranz. Auf der Seite der Bundesregierung lese ich, dass sie die Tage noch in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern vorbeischauen wird. So wird dieser Völkermordleugner leider nicht die Gelegenheit haben, das umfassende Beratungsprogramm von DİTİB und deutscher Bundesregierung in Anspruch zu nehmen.

Und die Nachtredaktion der Bundesregierung, welche die Facebook-Kommentare akribisch überwacht und auch immer wieder antwortet und löscht, wenn sie es für richtig befindet bzw. sie die Gesetze dazu zwingen, sagt zu dem zitierten Kommentar: Nichts!

Ja, im Deutschland des Jahres 2015 darf der Völkermord an den Armeniern fleißig geleugnet werden. Die Onlineredaktion der Bundesregierung schaut zu. Frau Schwesig flirtet mit der DİTİB. Es ist späte Nacht in Deutschland und angenehm ruhig. Mit dem Gedanken, dass Armenier wie Juden im Notfall immer noch in ihren eigenen Staat auswandern können, wenn das Tollhaus Deutschland einstürzen sollte und einem kleinen Nachtspaziergang durch die ruhigen Gassen versuche ich meinen Blutdruck zu beruhigen und mich mal langsam schlafen zu legen. Denn in wenigen Stunden geht die Sonne wieder auf und dann beginnt ein neuer Tag im ganz normalen Wahnsinn aus Völkermordleugnung, Judenhass und Israelfeindlichkeit und einem großen Politikerherz für die Hassquellen dieses Wahnsinns. Beten wir unseres Schlafes wegen also: Alles ist in Ordnung. Alles ist in bester Ordnung! Frau Schwesig hat den Laden im Griff und weiß wie religiöser Extremismus am besten bekämpft wird. Schalom!

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