Öffentlich-Rechtlicher Sender scheut sich nicht vor Anleihen beim „Stürmer“  

März 31, 2017 – 4 Nisan 5777
WDR beschimpft Geert Wilders als Teil einer jüdischen Weltverschwörung

Von Stefan Frank

Der Westdeutsche Rundfunk (WDR) hatte eine Woche mit ziemlich viel schlechter Presse. Dass mein am 14. März auf „Mena Watch“ veröffentlichter Kommentar zu Joost van der Valks vom WDR sechs Tage zuvor ausgestrahlter antisemitischer Dokumentation über Geert Wilders („Holland in Not – Wer ist Geert Wilders?“) eine solche Lawine lostreten würde, war allerdings nicht zu erwarten gewesen, sondern ein besonders glücklicher Umstand.

Björn Stritzel, Politikredakteur der „Bild“, schickte ihn zum Bild-Blog, wo Moritz Tschermak sich mit dem Film beschäftigte und durch etliche Screenshots belegte, mit wie viel Eifer van der Valk israelische Fahnen, Kippas und Aufnahmen von religiösen Juden in seinen Film montiert hat. Dadurch wurden auch viele Journalisten auf den Film aufmerksam, die bis dahin noch keine regelmäßigen Leser von „Mena Watch“ gewesen waren. Nun erschien eine Vielzahl von Berichten und zum Teil sehr kritischen Kommentaren, die dem WDR unangenehm sein dürften.

Unter der Überschrift „Verschwörungstheorie gefällig?“ beschrieb Michael Hanfeld in der FAZ die „antisemitische Konnotation“ des Films:

„Die Gleichung des Scheich Yasin zielt in die Richtung einer ‚jüdischen Weltverschwörung‘. Dass van der Valks Reise dahingeht, bekommt man sogar in der vom WDR nachbearbeiteten Version des Films mit. (…) Die Machart dieses Films lässt eigentlich keine Fragen offen. Doch brauchte der WDR zwei Anläufe, um zu verstehen, worum es geht. … Ein ‚missverständlicher Eindruck‘? Auch wer den Film in der polierten Fassung sieht, kann sich einen Reim darauf machen, was Joost van der Valk ausdrücken will.“

Die Reaktionen des WDR
Der WDR verbreitete zwei hanebüchene Erklärungen. Die erste, über Twitter verbreitet, lautete:

„Der Film ‚Holland in Not – wer ist Geert Wilders‘ ist aus unserer Sicht nicht zu beanstanden. In der Tat hätte der Text einordnen müssen, dass der Prediger Yasin durchaus umstritten und in der Vergangenheit auch radikaler aufgetreten ist. Darüber hinaus teilen wir die in dem zitierten Blogeintrag erhobene Kritik nicht und weisen insbesondere den Vorwurf des Antisemitismus entschieden zurück.“

Obwohl er nicht zu beanstanden war, verschwand der Film in der Nacht von Donnerstag auf Freitag aus dem Archiv. Als er am Freitag wieder zugänglich gemacht wurde, war er mehr als drei Minuten kürzer. Dazu der „Hinweis“ des WDR:

„Dies ist eine geänderte Version des Films. Verzichtet wurde auf die Äußerungen des Scheichs Yasin, dessen Auftreten und Einordnung wir für problematisch halten. Den Vorwurf, in einer Passage des Films antisemitische Ressentiments zu schüren, weisen wir aber zurück. Die Passage stellt die Fakten korrekt dar. Gleichzeitig mussten wir aufgrund einiger Rückmeldungen feststellen, dass hier teilweise ein missverständlicher Eindruck entstehen kann. Wir haben die Kritik ernstgenommen und aus diesem Grund entschieden, den Film auch an dieser Stelle zu bearbeiten.“

Was wurde entfernt? Wie der WDR selbst sagt, der komplette Auftritt von Kopf-ab-Scheich Khalid Yasin, dessen „Auftreten und Einordnung“ der WDR nun für „problematisch“ hält. Im Film, das zur Erinnerung, war er so vorgestellt worden: „Extrem beliebt ist der Amerikaner bei jungen europäischen Muslimen. Er setzt sich gegen radikale Ideen ein. Geert Wilders sieht er kritisch.“ Gelöscht wurde auch der Satz: „Wenn man Geert Wilders und Israel im Internet sucht, ergibt das über eine halbe Million Einträge.“

Daran sieht man, wie der WDR, um nicht zugeben zu müssen, dass der Film ein antisemitisches Propagandastück ist, sich in Widersprüche verheddert. Stellt denn dieser Satz die „Fakten“ nicht „korrekt“ dar? Doch, tut er. Jeder kann es selbst nachprüfen. Warum also fiel dieser Satz der Zensur zum Opfer? Immer noch im Film enthalten ist dagegen folgende Passage:

„In seiner frühen politischen Karriere ist Wilders ein Mitglied in der Auslandsabteilung der VVD und auf Israel spezialisiert. Er besucht bei vielen Gelegenheiten deren Konsulat in Den Haag. [Im Bild: Israel-Fahne des Konsulats.] Es ist die Regelmäßigkeit dieser Besuche, die dazu führte, dass Wilders zeitweise vom niederländischen Sicherheitsdienst, dem AIVD, beobachtet wird. [Im Bild: Wilders mit Kippa als Tourist an der Klagemauer.]“

Was der WDR hier als Tatsache vorbringt, beruht auf einer einzigen Quelle, einem Artikel in der niederländischen Tageszeitung „De Volkskrant“ vom 2. Dezember 2016. Zu welchem Ergebnis diese Beobachtung kam – wenn sie denn überhaupt je stattgefunden hat: eine Bestätigung durch irgendeine namentlich zu nennende Person liefert der Bericht nicht; zudem wird betont, dass keine nachrichtendienstlichen Mittel eingesetzt worden seien –, geht daraus nicht hervor. Bemerkenswert ist der Artikel des „Volkskrant“ übrigens, weil er eine Information liefert, die van der Valk und der WDR tunlichst verschweigen. Die Zeitung schreibt, im „Verhältnis zwischen Wilders und Israel“ habe es einen „Umschwung“ gegeben („Kentering in de relatie met Israël“): zum einen, weil Wilders PVV sich 2012 für ein Verbot des Schächtens ausgesprochen habe, das dann auch Gesetz wurde; zum anderen habe Wilders‘ „Weniger-weniger“ [Marokkaner]-Rede „jüdischen Organisationen“ „Schmerzen“ („pijn“) verursacht.

Diesen Zeitungsartikel muss van der Valk gelesen haben, denn aus ihm bezieht er ja seine Räuberpistole über den Geheimdienst; doch das, was nicht in das Bild der Verschwörung von Wilders und den Juden passt, das er und der WDR dem Zuschauer zeigen möchten, wird eben weggelassen.

Was hat der WDR gelöscht?
Beim Israel-Teil des Films hat der WDR nun großzügig die Schere angesetzt, mit der skurrilen Folge, dass van der Valk sich eigens auf den Weg nach Moshav Tomer macht, weil Wilders dort ein Jahr verbracht hat – was, wie van der Valk vermutet, ein Schlüsselerlebnis gewesen sein muss, aus dem heraus Wilders‘ gesamtes späteres politisches Leben zu deuten sei –, dort aber niemals ankommt. Im neuen Kommentar fehlen die Stellen, die wir nachfolgend fettgedruckt haben:

„Wilders macht kein Geheimnis aus seiner großen Zuneigung zu Israel. Er hat eine jüdische Großmutter und eine jüdische Frau. Er lebte sogar eine Weile als Jugendlicher im Heiligen Land. In Israel ist er beliebt und er hat Zugang zu einigen der führenden Politiker des Landes.“ (…)

Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.


Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" hier online mit der Lieferung direkt an Sie per Post bestellen oder jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.

Brief an die Redaktion schreiben

Soziale Netzwerke