Eine grüne Politikerin und ihr gnädiger Blick auf die Diktatur der Mullahs  

September 9, 2016 – 6 Elul 5776
Theresa Kalmer und die Hinrichtungen im Iran

Von Gerd Buurmann

„Ich versuche nichts zu relativieren. Ich glaube nur, dass es nicht viel bringt, den Iran so darzustellen, wie ihr es immer tut und gleichzeitig Netanjahus Hardliner Rhetorik ignoriert.“ (Theresa Kalmer)

Theresa Kalmer, Spitzname „Thees“, ist eine deutsche Politikerin. Von 2013 bis 2015 war sie Sprecherin der Grünen Jugend. Ihre Schwerpunktthemen sind Ökologie, Europapolitik und Queerpolitik. Sie ist Gegnerin des Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU. Im August 2016 war sie mit Freund_innen auf einer Reise in den Iran. Ihr Fazit fällt wie folgt aus:

„Wir haben das Land zum großen Teil anders wahrgenommen, wie uns hier vermittelt wird. Das Regime ist ohne Zweifel autoritär, der Iran verzeichnet die höchste Exekutionsrate gemessen an der Einwohner_innenzahl, Regimekritiker_innen werden unterdrückt und Oppositionsparteien nicht zu gelassen. Das Leben im Iran ist aber unter der Oberfläche vielfältig und lebendig. Gerade deswegen ist der Austausch mit der iranischen Zivilgesellschaft besonders wichtig. Mit dem Atom-Deal und der damit einhergehenden Öffnung des Irans ist unsere Hoffnung die Stärkung der Vielfalt der iranischen Gesellschaft und eine Veränderung des Irans von unten. Doch dies kann auch nur dann gelingen, wenn wir aufhören, den Iran als Land zu dämonisieren, differenziert Kritik üben und das Land mit den darin lebenden Menschen als Gesprächspartner anerkennen.“

Es ist schon extrem komisch, dass sich ausgerechnet eine grüne Politikerin, die unnachgiebig für den deutschen Atomausstieg streitet, für eine friedliche Nutzung der Atomenergie im Iran stark macht. Wenn es um den Iran geht, wird Theresa Kalmer geschmeidig:

„Frieden werden wir nur erleben, wenn wir endlich alle anfangen, miteinander zu reden und versuchen, unsere Ziele ohne Drohung und Beseitigungsfantasien zu kommunizieren. In diesem Sinne können wir nur alle ermutigen, selbst in den Iran zu fahren, eigene Gespräche zu führen, mit diversen Teilen der iranischen Gesellschaft ins Gespräch zu kommen und sich selbst ein Bild von diesem Land zu machen.“

Liebe Theresa,

Danke für die Ermutigung, in den Iran zu reisen. Es gibt da nur leider ein Problem. Kuwait, Libanon, Libyen, Saudi-Arabien, Sudan, Syrien, Jemen und der Iran haben ein Einreiseverbot gegen mich ausgesprochen, weil ich in Israel war. Dieses Verbot gilt für alle Menschen, die in Israel waren. Ich kann weder das bunte Nachtleben Libyens erleben, noch die Schwulen- und Lesbenszene im Iran genießen. Ich kann nicht mal mit Feministinnen im Auto um die Blocks von Saudi-Arabien ziehen. Alles nur, weil ich in Israel war! Syrer können mich zu Hause besuchen, ich jedoch keine Syrerin in ihrem syrischen Haus!

Im Jahr 2012 stand ich vor der Möglichkeit, im Iran aufzutreten. Ich arbeitete damals mit dem Regisseur Ali Jalaly zusammen. Er ist Leiter des Ali Jalaly-Ensembles in Köln und wurde im Iran geboren. Bei unserer letzten Zusammenarbeit kam es zu einer handfesten Auseinandersetzung, die beinahe unsere Freundschaft gefährdet hätte.

Ali Jalalys Inszenierung der Farce „Der Büchsenöffner“ von Victor Lanoux, in dem ich die Hauptrolle spielte, wurde zu einem Festival in den Iran eingeladen. Nun musste ich meinem Regisseur erklären, dass ich auf keinen Fall mitkommen würde. Er möge mir nicht böse sein, sprach ich, aber unter keinen Umständen könne ich in ein Land reisen und Theater spielen, in dem Homosexuelle getötet, die Opposition verfolgt, der Islam als Staatsreligion gelebt und Israel als Feind angesehen wird. Auf Ali Jalalys Einwand, dass das Volk ja nichts für das Regime könne und ausländische Theatergruppen wie wir ein kleiner aber wichtiger Hauch der Freiheit seien, vermochte mich nicht zu überzeugen. Eine von mir hochgeschätze Kollegin, die sich als klare Feministin versteht, war sogar bereit, ein Kopftuch zu tragen. Als ich auch noch erfuhr, dass wir einige Tage vor der Aufführung in den Iran reisen sollten, damit unsere Inszenierung von der Zensur begutachtet und abgesegnet werden kann, war für mich das Maß voll.

„Es tut mir leid um die Menschen im Iran, für die der Besuch unseres Stückes ein Hauch der Freiheit wäre,“ sprach ich, nicht ganz unaufgeregt, „aber noch mehr leid tun mir die Menschen im Iran, die unser Stück nicht sehen können, weil sie im Knast sitzen oder an einem Kran baumeln.“ Ich fügte sogar ein Zitat der Geschwister Scholl von der Bewegung Die Weiße Rose hinzu:

„Vergesst nicht, dass ein jedes Volk diejenige Regierung verdient, die es erträgt.“

Liebe Theresa,

bitte erkläre mir, wie ich in ein Land reisen soll, das mich nicht haben will, weil ich in Israel war und dass viele meiner Freunde nicht reinlässt, weil sie Israelis sind?

Auf dem Bundesparteitag der Grünen im November 2014 in Hamburg kritisierte Theresa Kalmer Winfried Kretschmann wegen des Asylkompromisses. Bei der Entscheidung, drei Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländer zu erklären, seien „rote Linien“ deutlich überschritten worden. Milder geht sie mit dem Präsidenten der Islamischen Republik Iran um. Präsident Rohani sieht sie sogar Hinrichtungen nach. Keine rote Linie nirgends:

„Nach den Gesprächen, die wir geführt haben, wird Rohani vor Ort als moderat eingeschätzt. Die dennoch hohen Hinrichtungszahlen wurden uns so erklärt, dass er aufgrund seiner moderaten Politik innenpolitische Härte zeigen muss, um auch die Konservativen hinter sich zu bekommen.“

Für eine Frau, die Schreckensgespenster an die Wand malt, wenn es um TTIP und somit um Geschäfte mit den Vereinigten Staaten von Amerika geht, ist sie erstaunlich gelassen im Umgang mit dem Iran. Wir können nur hoffen, dass Theresa Kalmer im Kampf gegen TTIP niemals Konservative hinter sich vereinen muss.

Könnte es geschehen, dass ich in den Genuss dieses Beweises der innenpolitische Härte kommen könnte, wenn ich in den Iran reise? Ich war schließlich in Israel, verteidige das Land, hatte schwulen Sex und bin bekannt für meine Witze über Religionen, die nicht vor dem Islam und Mohammed haltmachen.

Soll ich wirklich in den Iran reisen? Kannst Du mir das empfehlen?

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