Das Gedenktags-Alibi des Bundespräsidenten ist unglaubwürdig  

Januar 11, 2018 – 24 Tevet 5778
Steinmeiers Verantwortungs-Heuchelei

Von Markus Vahlefeld

Ich widerspreche ja nur ungerne meinem Kollegen Henryk Broder, aber hier ist es leider angebracht. Vor gefühlt langer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, schrieb er: „Drei Viertel dessen, was ‚Tagesschau‘ und ‚Heute‘ senden, ist Regierungspropaganda, der Rest Schrott.“ Der Satz stimmt einfach nicht mehr. Inzwischen ist selbst die Regierungspropaganda nur noch Schrott.

Am Freitag, dem 15. Dezember 2017, brachte die „Tagesschau“ einen Beitrag über unser aller Bundespräsidenten, wie er mit dem Botschafter Israels eine weitere Chanukka-Kerze entzündet und im Licht der brennenden Israel-Flaggen vor dem Brandenburger Tor an die „historische Verantwortung“ Deutschlands gegenüber Israel erinnert.

Nun mal im Ernst, Herr Bundespräsident:

Wenn die historische Verantwortung der Deutschen darin besteht, der israelischen Nation das Recht auf die freie Wahl der Hauptstadt abzusprechen, so geht mir Ihre „historische Verantwortung“ am Allerwertesten vorbei. Und wenn der Parteichef Ihrer Partei, deren Mitgliedschaft für Sie nun der guten Gepflogenheit nach ruhen muss, den ausgewiesenen Judenhasser, Verschwörungstheoretiker und Lügner Machmud Abbas meint, seinen „Freund“ nennen zu müssen – nachdem er den wirklich klassischen antisemitischen Topos von den Brunnenvergiftern in modernisierter Variante von ihm übernommen hatte – dann können Sie sich Ihre historische Verantwortung irgendwo hinstecken.

Und wo ich schon mal dabei bin: Auch wenn Ihre Untergebene, die Bundeskanzlerin Angela Merkel, vor langer, langer Zeit mal schwadronierte, die Sicherheit Israels sei so etwas wie deutsche Staatsräson, und jetzt, wo die Sicherheit Israels mal wieder von irgendwelchen Verrückten bedroht ist, sich ostentativ nicht an die Seite Israels stellt und die Entscheidung des US-Präsidenten, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen, für nicht hilfreich hält, und in diesem Klima dann Israel-Flaggen verbrannt werden und Juden der Tod gewünscht wird, wissen Sie was? Dann läuft es mir bei Ihrer „historischen Verantwortung“ eher kalt den Rücken herunter.

Nochmals zur Klarstellung: Ihre „historische Verantwortung der Deutschen“ klingt so bildungsbürgerlich schal und leer und abgeschmackt, wie vor hundert Jahren der Spruch von der besonderen Aufgabe des deutschen Volkes. Ich weigere mich, diese historische Verantwortung anzuerkennen, solange sie nur als Feigenblatt dient, um sich mit dem Antisemitismus der islamischen und der europäischen Nationen nicht offen gemein machen zu müssen. Lassen Sie doch diese „historische Verantwortung“ einfach in der Mottenkiste ruhen und stellen Sie sich der aktuellen Verantwortung.

Denn ich brauche keinerlei „historische Verantwortung“, um den Staat Israel zu unterstützen und für beschützenswert zu halten. Der Staat Israel ist eine Demokratie, die unter erschwerten Bedingungen ganz ordentlich funktioniert. Der Staat Israel schafft es, divergierende Strömungen – von ultraorthodoxen Juden über Säkulare bis hin zu fundamentalistischen Moslems – so auszutarieren, dass ein sicherer, friedlicher und prosperierender Staat weiterhin möglich ist.

Der Staat Israel hat genau in diesem Offenen, das sich in eben dieser Offenheit als jüdisch definiert, seine Identität, die es sich von niemandem nehmen lässt. Und über den ganzen anderen Kram – dass Israel eine Bildungsnation ist, dass es ein Hochtechnologieland mit Patentvielfalt ist, dass es schwul, orthodox, modern und verrückt ist – darüber schweige ich jetzt.

Sie haben den halben judenhassenden Orient ins Land gelassen
Herr Bundespräsident, nennen Sie mir doch bitte ein einziges Land im Umkreis von 1.000 Kilometern von Jerusalem, das Ähnliches zu bieten hat: das ein Rechtsstaat ist, das demokratisch ist, das die Menschenrechte schützt, das Sicherheit bietet, das rassisch offen und religiös bunt ist. Kennen Sie eins? Falls ja, freue ich mich auf Ihre Antwort. Falls nein, schweigen Sie einfach über „historische Verantwortung“ und kommen Sie Ihrer Verantwortung als gegenwärtiger Demokrat nach. Dann dürfen Sie auch so viele hübsche Chanukka-Kerzlein anzünden, wie Sie wollen.

Sie, Herr Bundespräsident, und Ihr ganzer Apparat haben den halben judenhassenden Orient ins Land gelassen, die Sicherheit Deutschlands an die Wand gefahren, ein rechtsstaatliches Versagen initiiert, das für Dutzende Tote verantwortlich ist, und die deutsche Gerichtsbarkeit über den Rand des Dysfunktionalen hinausführt. Nicht dass Sie mich missverstehen: Dass in Deutschland öffentlich Juden der Tod gewünscht wird, ist nicht wirklich neu. Bereits 2014 brannten Israel-Flaggen in diesem Ihrem Land und es wurde „Juden ins Gas“ skandiert. Aber Ihr Projekt einer für Juden wieder gefährlichen Gesellschaft à la française haben Sie so hübsch vorangetrieben, dass Ihnen Ihre „historische Verantwortung“, sofern Sie auch nur einen Rest von Anstand hätten, in der Kehle stecken bleiben müsste.

Und natürlich gibt es auch unter den Kartoffel-Deutschen einen nicht geringen Anteil an Antisemiten, die Sie mit Ihrer „historischen Verantwortung“ nicht eingefangen bekommen. Nur: Wenn der rechte Mob auf die Straße geht, schwingen sich die linken Deutschen zu Gegendemonstrationen auf. Geht jedoch der judenhassende islamische Mob auf die Straße, scheinen die Linken eher hinter ihm zu stehen und ihn zu befeuern.

Und an dieser Entwicklung tragen Sie, Herr Bundespräsident, selbstverständlich gehörige Verantwortung. Denn wenn es eines Zeichens bedurft hätte, diesen judenhassenden islamischen Mob zu fördern, dann, indem man als Außenminister Kränze um ihre Verbrecher windet und im Konflikt um Israel diese lauwarme Haltung des „sowohl als auch“ verfolgt, den Verblendeten und Verrückten aller Couleur erst die Augenhöhe einräumt, auf der sie sich in ihrem Hass und ihrer Verblendetheit ernst genommen fühlen.

Der Stachel im Fleisch ist wieder mal der Jude
Ich unterstelle Ihnen: was Sie „historische Verantwortung der Deutschen“ nennen, ist in Wahrheit das Projekt der Auflösung alles Nationalen zugunsten eines weltumspannenden Internationalen. Das mag für linksdrehende Herzen das schönste Projekt auf Erden sein, und sicher haben Sie als guter SPDler auch schon inbrünstig „Die Internationale“ intoniert.

Nur: Dann sind da wieder diese Juden, die partout nicht mitmachen wollen. Die nicht daran denken, ihre Grenzen aufzumachen und zu behaupten, man könne das eigene Land nicht schützen. Die auf ihre Identität pochen, und diese auch zu verteidigen bereit sind. Die einen großartigen Geheimdienst haben, militärisch wehrhaft sind und sich jede Einmischung von außen verbitten, während Sie, Herr Bundespräsident, und Ihr ganzer Apparat in Wehrhaftigkeit etwas Schmutziges sehen, sich den nahöstlichen Despoten förmlich andienen, sie ihre religiösen Strukturen in Deutschland durchsetzen lassen und gar kein Problem damit haben, dass ein Staat wie der türkische den islamischen Religionsunterricht an den Schulen bestimmt. Und das alles, um das Projekt „weg von der Nation, hin zur Internationale der Menschheit“ zu realisieren.

Israel macht bei der Selbstverleugnung nicht mit
Der Stachel im Fleisch dieses „Menschheitsprojekts“ ist wieder mal der Jude. Denn während den Linken in ganz Europa bei diesem Projekt der „Nationenauflösung“ gedanklich einer abgeht, steht Israel als Jude unter den Nationen am Spielfeldrand und schüttelt mit dem Kopf. Das ist am Ende der Grund, warum Israel so verhasst ist bei Ihresgleichen und warum Jerusalem als Hauptstadt eine solche Provokation für Sie ist: Israel verschmäht souverän die Segnungen der Selbstverleugnung und des „anything goes“.

Würde Ihnen Ihre „historische Verantwortung“ jenseits des Poesiealbumsprechs auch nur irgendetwas bedeuten, Sie würden, statt Israel zu erniedrigen, versuchen, von Israel zu lernen: von seiner Identität, von seiner Wehrhaftigkeit, von seinen Schutzmechanismen. Dass Sie es sich damit jedoch mit den Verrückten dieser Erde verscherzen würden, das können Sie nicht riskieren. Dazu sind Sie und die meisten Europäer schlicht zu feige.

Vom Autor erschien kürzlich das Buch:

Markus Vahlefeld: Mal eben kurz die Welt retten – Die Deutschen zwischen Größenwahn und Selbstverleugnung, Mai 2017.
Erhältlich im Buchhandel, auf amazon oder direkt auf markus-vahlefeld.de

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