Zu Beginn des 19. Jahrhunderts verließen die Juden in Deutschland – mit der Vision von rechtlicher Gleichstellung und gesellschaftlicher Akzeptanz vor Augen – die Isolation des Ghettos. Zum bürgerlichen Lebensgefühl jener Zeit gehörte die Sommerfrische am Meer oder in den Alpen als angenehme Selbstverständlichkeit dazu. Die neuen Bürgerrechte verschafften den Juden Zugang zu Bildung, und zahlreiche Familien brachten es zu großem Wohlstand. Doch anders als erhofft, ging dies häufig nicht mit gesellschaftlicher Akzeptanz einher. Auch der assimilierte, sogar der getaufte Jude blieb ein Fremdling, und zum religiösen Ressentiment des Christentums gesellte sich der rassistische Antisemitismus jener Zeit. In Deutschland und Europa etablierten sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert Kurorte, die speziell eine jüdische Klientel anzogen.
Diese sogenannten „jüdischen“ Kurorte warben zwar um ihre Gäste mit jüdischen Kulturprogrammen und koscherer Infrastruktur, ausschlaggebend für die jüdischen Urlauber aber waren die heftigen antisemitischen Anfeindungen, denen sie in vielen Kurorten durch Gastwirte und andere Gäste ausgesetzt waren. An der deutschen Nordseeküste trug bis in die 1930er, neben Sylt, die ostfriesische Insel Norderney den Stempel „Judeninsel“. Heinrich Heine schrieb: „Das erstrahlt im Sonnenschein als ob es golden wär. Ihr Brüder, wenn ich sterbe, versenkt mich in das Meer.“ So tief wie den Dichter die Natur der Nordseeinsel beeindruckte, so schneidend war sein Spott den Insulanern gegenüber: „Die Tugend der Insulanerinnen wird durch ihre Hässlichkeit und gar besonders durch ihren Fischgeruch, der mir wenigstens unerträglich war, geschützt.“ Die Inselbewohner nahmen Heine diese Zeilen übel und jagten den frechen Kurgast von der Insel.
Spätestens 150 Jahre nach dieser Schmähung wurde ihm allerdings vergeben, und seit 1983 ziert ein Denkmal Heines die Insel. Der große Dichter der Romantik gehörte zu den ersten jüdischen Kurgästen der ostfriesischen Insel, deren Seebad sich über 120 Jahre lang bei jüdischen Kurgästen größter Beliebtheit erfreute. (...)
Komplett zu lesen in der Druck- oder Onlineausgabe der Zeitung. Sie können die Zeitung „Jüdische Rundschau“ hier für 39 Euro im Papierform abonnieren oder hier ein Onlinezugang zu den 12 Ausgaben für 33 Euro kaufen.
Sie können auch diesen Artikel komplett lesen, wenn Sie die aktuelle Ausgabe der "Jüdischen Rundschau" hier online mit der Lieferung direkt an Sie per Post bestellen oder jetzt online für 3 Euro statt 3,70 Euro am Kiosk kaufen.