Israels Ehrung für Hilfe und Solidarität in schwerer Zeit 

Mai 4, 2018 – 19 Iyyar 5778
Nichtjüdische Namen auf der Land- und Straßenkarte Israels

Von Weniamin Tschernuchin

Jeder wissbegierige Tourist kann mühelos die Geschichte Israels anhand der Namen der Ortschaften, der Plätze und der Straßen des Landes studieren. Namen derer, die eine bedeutende Rolle im Entstehen des jüdischen Staates gespielt haben, sind auf der Landkarte verewigt. Darunter auch die nichtjüdischen Freunde, die uns in schweren Zeiten geholfen haben. Freunde vergisst man nicht – ihre Hilfe wird geschätzt und in Erinnerung gehalten.

Balfour
Als Erster wäre der britische Außenminister Arthur Balfour zu erwähnen, der am 2. November 1917 einen Brief an Lord Rothschild richtete, in welchem die Absicht der Regierung Seiner Majestät bekundet wurde, in Palästina eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk zu schaffen. Dieses Dokument wurde als Balfour-Deklaration bekannt. Noch zu Lebzeiten des britischen Adeligen wurden Straßen in Eretz Israel nach ihm benannt, und 1922 wurde in der Jesreel-Ebene der Moschaw Balfouria gegründet.

Wingate
Weitaus weniger bekannt ist ein Landsmann Balfours – Orde Wingate, dessen Namen das israelische Institut für Sporterziehung trägt. Dabei war Wingate selbst kein Sportler. Seine Familie gehörte zur Bewegung der evangelikalen Christen, die eine äußerst respektvolle Haltung dem Alten Testament gegenüber auszeichnet. In den 1920ern erwacht bei dem Absolventen der Royal Military Academy glühendes Interesse am Nahen Osten. Er macht einen Arabischkurs, dient im Sudan an der Grenze zu Äthiopien, wo er die Sklavenhändler und Wilderer jagt. Im September 1936 wird der Aufklärungsoffizier Wingate ins Stabsquartier der britischen Streitkräfte in Palästina abgeordnet. 

In der Wiedererschaffung des jüdischen Staates sah er seine religiöse Pflicht. Während des arabischen Aufstands, in dessen Verlauf sowohl jüdische als auch britische Objekte angegriffen wurden, fängt der Offizier an zu handeln, indem er mobile Kampfeinheiten aus jüdischen Kämpfern zusammenstellt und schult. In enger Zusammenarbeit mit der Hagana formiert Wingate spezielle Nachttrupps und wird selbst zum Leiter eines solchen. Unter seiner Obhut sammelte der junge Mosche Dajan die ersten militärischen Erfahrungen.

Im Mai 1939 wird der Offizier aus Palästina abberufen: der Mandatsregierung wird es schnell klar, dass die Juden mit ihm einen erfahrenen Berater bekommen haben, und an der Erstarkung der Hagana sind die Briten alles andere als interessiert. Den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erlebte Wingate in Großbritannien als Hauptman einer Flugabwehrbatterie. Als er versteht, dass der Krieg durchaus auf Nordafrika und den Nahost überschlagen kann, wendet er sich an die Befehlshaber mit dem Aufruf, eine jüdische Armee in Palästina zu gründen. Dieser Vorschlag fand keinerlei Reaktion. Der Oberstleutnant kämpft gegen die Italiener in Ostafrika, nimmt teil an der Befreiung Äthiopiens. Anfang 1942 kommt er nach Birma, wo er gegen die Japaner kämpft. Im März 1944 verunglückt das Flugzeug, mit Generalmajor Orde Wingate an Bord, im Nordosten Indiens. 

Wingate war ein begabter Militärstratege, wenn auch ein ziemlich exzentrischer Mensch. So wurden seine zionistischen Überzeugungen von vielen als eine Schrulle wahrgenommen. Nichtdestotrotz erinnert man sich seiner in Israel mit Dankbarkeit. Nach ihm benannte Straßen und Plätze gibt es in vielen Städten des Landes, zu seinen Ehren sind ein Kiefernwald in Gilboa und das Jugenddorf Yemin-Orde, das sich am Berg Carmel befindet, benannt.

Masaryk
Im Norden Israels, nicht weit von Akko, befindet sich der Kibbuz Kfar-Masaryk, der nach dem ersten Präsidenten der Tschechoslowakei, Tomas Masaryk, benannt ist. 

Als Kind glaubte Tomas die Erzählungen, dass die Juden das Blut der christlichen Kinder benutzen. Als Erwachsener hat er die ganze Dummheit solcher Behauptungen verstanden und wurde ein aktiver Verfechter der Gleichberechtigung der Juden. 

Den Ruf als Freund der Juden erwarb sich der Professor der Prager Universität und der Abgeordnete des K.u.K-Reichsrates mit seiner Unterstützung in der Sache Leopold Hilsner, der wegen eines angeblichen Ritualmordes an einer jungen tschechischen Frau angeklagt war. Als das Gericht das Todesurteil bekannt gab, publiziert der Jurist einen Artikel, in dem er auf die zahlreichen Ungereimtheiten und religiösen Vorurteile bei den Zeugenaussagen verweist. Das Todesurteil wurde aufgehoben, aber Hilsner wurde in einer anderen Sache doch noch verurteilt und ins Gefängnis gebracht. Die Einmischung wurde Masaryk nicht verziehen – man nannte ihn nun einen „Verräter am Christentum“. Der Professor war sogar gezwungen, seine Unterrichtstätigkeit einzustellen. Später wurde bekannt, dass nachdem Hilsner die Gefängnisstraffe abgesessen hat, Masaryk ihn viele Jahre lang unterstützt hat.

Nach der Veröffentlichung der Balfour-Deklaration wird Masaryk zu einem bedingungslosen Verfechter des Zionismus. Kurz vor seinem 75. Geburtstag, schon als Staatspräsident, empfängt er Chaim Weizmann, dem er die volle Unterstützung in seiner Sache zusichert. Seine Bewunderung für die Zionisten bekundete er auch im Verlauf seines Besuches in Palästina. Während seiner Amtszeit war Tschechoslowakei eins der wenigen europäischen Länder, in denen keine Diskriminierung der Juden auf staatlicher Ebene stattfand. Es kamen dorthin die Juden aus allen Ländern, in denen es eine offizielle oder inoffizielle „Prozentnorm“ für Juden gab. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Kibbuz in Ostgaliläa (unter dessen Gründern viele Einwanderer aus der Tschechoslowakei waren) den Namen Kfar-Masaryk bekam.

Patterson
An einen weiteren überzeugten christlichen Zionisten wird in Israel ebenfalls erinnert – John Henry Patterson, den der jetzige israelische Premierminister den „Taufpaten der israelischen Armee“ nannte. Patterson wurde 1867 in Irland geboren und trat seinen Militärdienst bei der britischen Armee mit 17 Jahren an. 1898 wurde er nach Kenia abkommandiert – dort leitete er den Bau einer Eisenbahnbrücke über den Fluss Tsavo. 
Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde der Oberstleutnant Patterson zum Befehlshaber des zionistisches „Zion Mule Corps“ ernannt. Dieser wurde aus den jüdischen Freiwilligen in Palästina formiert. Zum Stellvertreter Pattersons wurde Joseph Trumpeldor. Dieser Trupp wurde zu der ersten jüdischen militärischen Einheit im Verlauf der letzten zwei Jahrtausende.

Bald übernahm Patterson die Führung der Jüdischen Legion, deren Formierung im August 1917 begann, um Palästina von der Herrschaft des Osmanischen Reichs zu befreien. Die Soldaten der Legion nahmen an den Kämpfen gegen die türkischen Truppen im Jordangraben teil, sowie auch an der Schlacht um Jerusalem. 

Nachdem er 1920 pensioniert wurde, unterstützte Patterson weiterhin die zionistische Bewegung. Nach der Machtübernahme Hitlers wurde er Mitglied des „Emergency Committee to Save the Jewish People of Europe“ und ein Verfechter der Schaffung einer jüdischen Armee zur Bekämpfung der Nazis. 

Patterson war ein Freund Zeev Jabotinskys und dessen Sekretärs Benzion Netanjahu – des Vaters des jetzigen Premierministers. Seinem ersten Sohn Yonatan gab Benzion diesen Namen zu Ehren Pattersons. 

Patterson starb 1947 in Kalifornien. Er träumte davon, mit seiner Ehefrau in Israel neben den Menschen, die er im Ersten Weltkrieg anführte, begraben zu werden. 2014 wurden die Leichen der Eheleute Patterson auf den Friedhof des Kibbuz Avihayil überführt, wo auch einige der Kämpfer der Jüdischen Legion begraben sind.

Wedgwood
Ganz in der Mitte Israels, nicht weit der „Grünen Linie“ liegt der Moschaw Gan Yoshiya, der nach Josiah Wedgwood benannt ist, einem Marineoffizier und Abgeordneten des britischen Parlaments, der während des Ersten Weltkrieges Trumpeldor kennenlernte. Als der Völkerbund im Juni 1922 das Regierungsmandat für Palästina an Großbritannien übergab und auf dem Teil des Mandatsterritoriums, der für die Errichtung der jüdischen Heimatstätte gedacht war, das Emirat Transjordanien ausgerufen wurde, ist das Labour-Parteimitglied Wedgwood einer der wenigen, die scharf gegen eine solche Zerteilung Palästinas auftreten.

Er besucht Eretz Israel zweimal – 1926 und 1934 – und wird zu einem Verfechter jüdischer Interessen. Der Titel seines 1926 erschienenen Buchs ist mehr als aussagekräftig: „Palästina: der Kampf um die Ehre und Würde der Juden“. 1928 ruft er in einem weiteren Buch zu der Gründung eines unabhängigen jüdischen Staates auf beiden Ufern des Flusses Jordan auf. Von den Verdiensten des britischen Politikers am jüdischen Volk zeugt auch die Tatsache, dass eines der Schiffe, die die illegalen jüdischen Einwanderer nach Palästina brachten, seinen Namen trug. So wie übrigens auch viele Straßen in Israel. Als Baron Wedgwood im Jahr 1943 starb, richtete David Ben-Gurion an seine Familie ein Telegramm, in welchem er betonte, dass die zionistische Bewegung einen ihrer Helden verloren hat. 

Smuts
Oft wird in der Liste derer, die auf der Landkarte Israels verewigt sind, der Name Jan Christian Smuts‘ ausgelassen – des zweimaligen Premierministers der Südafrikanischen Union, Feldmarschalls der britischen Armee und des Mitglieds des Imperial War Cabinet unter Churchills Führung in der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Smuts war der einzige Politiker, der die Dokumente zur Beendigung sowohl des Ersten, als auch des Zweiten Weltkrieges unterzeichnet hat. 

Smuts ist eine widersprüchliche Figur. Einerseits unterstützte er die Balfour-Deklaration, andererseits war er Vize-Premierminister, als man das „Gesetz über Ausländer“ verabschiedete, das den jüdischen Flüchtlingen die Einreise nach Südafrika praktisch unmöglich machte. Jedoch sind die Verdienste Smuts größer: persönliche Freundschaft mit Weizmann, Hilfe für zionistische Organisationen, Kritik am „Weißbuch von 1939“, das die jüdische Einwanderung nach Palästina stark begrenzte. Südafrika war eines der ersten Länder, die den Staat Israel anerkannte. In vielen Städten Israels gibt es eine Jan-Smuts-Straße. Nach ihm ist auch der Kibbuz Ramat Yohanan im Norden des Landes benannt. 

Freilich ist diese Liste der Freunde Israels, die in Toponymen verewigt sind, bei weitem nicht vollständig. In vielen israelischen Städten gibt es zum Beispiel eine King-George-Straße, oder eine Allenbystraße; man begegnet auch Churchillstraßen. Unter den ca. 12.000 Straßennamen in Israel fanden auch die Persönlichkeiten ihren Platz, die keinen Bezug zu Juden oder zu Israel hatten. Es gibt auch ganz andere, exotische Straßennamen, wie z.B. die Straße der Wasserträger, oder die Straße der Zigarettenverkäufer oder die Das-Ende-der-Welt-Straße. Wobei der häufigste Straßenname selbst in einem so politisierten Land wie Israel ein ganz neutraler ist: die Olivenbaumstraße.

Aus dem Russischen übersetzt von David Serebryanik

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