Die überaus engen Bande des deutschen Außenministers zur iranischen Diktatur  

Januar 11, 2018 – 24 Tevet 5778
Sigmar Gabriels brutale Freunde

Von Peter Grimm

„Wir lassen euch nicht im Stich!“, zitiert der am Nachmittag des 3. Januar 2018 aktuellste Eintrag im Online-Newsroom des Auswärtigen Amtes den Bundesaußenminister Sigmar Gabriel. Allerdings gilt dieser markige Satz nicht den Iranern, die gegen das Mullah-Regime protestieren, sondern den „Menschen in der Ukraine“. Gut, auch da protestieren gerade Menschen gegen ihre korrupte Regierung, aber die hat der Bundesaußenminister mit seinem anfeuernden Satz bestimmt nicht gemeint.

Aber hier soll es auch gar nicht um die Ukraine gehen. Der Satz fiel mir nur ins Auge, weil ich eben in jenem außenamtlichen Newsroom nach der aktuellsten Äußerung des Genossen Gabriel zu den Protesten im Iran, zu dem brutalen Vorgehen gegen die Demonstranten, zu den Toten, den Verletzten, den Verhafteten sehen wollte. Da war die letzte Äußerung vom Neujahrstag und er sprach selbstverständlich nicht davon, irgendjemanden nicht im Stich lassen zu wollen, sondern badete in scheinbar staatsmännischer Zurückhaltung:

„Ich bin sehr besorgt angesichts der jüngsten Entwicklungen in Iran und der Meldungen über weitere getötete Demonstranten und zahlreiche Verhaftungen. Wir appellieren an die iranische Regierung, die Rechte der Demonstranten zu respektieren, sich zu versammeln und frei und friedlich ihre Stimme zu erheben. Nach der Konfrontation der vergangenen Tage ist es umso wichtiger, allseits von gewaltsamen Handlungen Abstand zu nehmen.“

Wer will schon Hardliner bestätigen?
Das soll wahrscheinlich jene hohe Form der Diplomatie sein, die nahezu alle Kommentatoren beim tumben, poltrigen US-Präsidenten vermissen, der doch mit seiner lauten verbalen Unterstützung der Demonstranten alles nur noch schlimmer machen würde. Schon Wochen bevor der erste Demonstrant in Teheran gesichtet wurde, wusste Sigmar Gabriel zu warnen:

„Je stärker wir den Iran jetzt unter Druck setzen, desto mehr werden die Hardliner im Iran sich bestätigt fühlen.“

Nun ist das eine alte Diskussion, die Älteren kennen sie noch aus den Zeiten des Kalten Krieges: Inwieweit nimmt man auf Diktatoren Rücksicht, um im Gespräch zu bleiben, vielleicht auch gesellschaftliche Veränderungen in diesen Staaten zu befördern, und welche Prinzipien darf man nicht über Bord werfen?

Wer will schon die Hardliner bestätigen? Allerdings ist auch die Frage, wo fängt der Hardliner an? Sigmar Gabriel nennt immerhin führende Vertreter des Regimes in Teheran seine Freunde. Sind das dann keine Hardliner? Zwar bestreiten sie das Existenzrecht Israels, um nur einen Punkt zu nennen, der einen deutschen Außenminister bei der Wahl seiner Freunde vielleicht beeinflussen sollte, es könnte aber womöglich noch schlimmer kommen.

Doch halt, an dieser Stelle darf man nicht ungerecht gegenüber dem Genossen Gabriel sein. Er war ja nicht Außenminister, als er bei seiner Ankunft in Teheran vor zweieinhalb Jahren den Besuch bei Freunden so erklärte: „Wirkliche Freundschaft erweist sich dann, wenn man auch offen und partnerschaftlich und respektvoll über schwierige Themen sprechen kann. Dann zeigt sich erst, wie intensiv die Freundschaft ist.“ Damals war er ja noch Wirtschaftsminister. Und als solcher ungeheuer stolz, sofort nach dem Atom-Abkommen und beginnender Sanktionslockerungen als erstes westliches Regierungsmitglied der Führung in Teheran seine Aufwartung machen zu können.

Historischen Erfolgen folgen
Immerhin feierte sich kurz zuvor sein Genosse und damaliger Außenminister Steinmeier selbst so überzeugend für sein Vertragswerk, dass es für den Kollegen Gabriel sicher Ansporn war, so schnell wie möglich auf seinem Terrain Marksteine zu setzen. Steinmeier damals über sich selbst:

„Man muss kein Pathos bemühen, um die Wiener Vereinbarung über das iranische Atomprogramm historisch zu nennen. Es ist gelungen, eine politische Lösung für einen brandgefährlichen Konflikt zu finden, der die Welt bereits mehrfach an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung gebracht hatte und mehr noch in Zukunft zu bringen drohte.“

Dass es sich erst erweisen musste, ob das Abkommen wirklich eine Lösung ist, lassen wir dahingestellt. Und etwas Eigenlob hilft, wenn sich andere mit der Anerkennung zurückhalten. Dies tun bekanntlich deutsche Wähler mit SPD-Politikern schon seit Jahren, aber dass man sich da als sozialdemokratischer Minister ungerecht behandelt fühlen kann, ist ein anderes Thema.

Sigmar Gabriel ist auf alle Fälle nicht vorzuwerfen, dass seine in Teheran bekundete Freundschaft nur ein Lippenbekenntnis war. Die Wiederwahl von Hassan Ruhani zum Präsidenten wurde vom Auswärtigen Amt begrüßt. Staatsminister Michael Roth wurde in großer Runde zur Amtseinführung entsandt, womit die deutsche Politik ein Zeichen setzen wollte: „Wir wollen bewusst mit unserer großen Delegation zeigen, dass wir die Politik ihrer Regierung unterstützen, ohne dabei das uns Trennende zu vergessen“, sagte Roth. „Das Trennende“, damit ist bestimmt diese blöde Sache mit dem Existenzrecht Israels gemeint, oder? Auf jeden Fall wusste man im Auswärtigen Amt in Berlin genau, was die Menschen in Teheran und Isfahan wollen:

„Eine große Mehrheit der Menschen in Iran wünscht sich, dass Präsident Ruhani Kurs halten kann, den Ankündigungen im Wahlkampf Taten folgen und seine zweite Amtszeit mehr Öffnung im Inneren und nach außen bringt.“

Dass nun viele Menschen im Iran offenbar mehr Öffnung im Inneren und nach außen fordern, als Gabriels Freunde ihnen gewähren wollen, war dem Hause noch keine ausführlicheren Erklärungen wert.

Verständnis für Verschleierungen
Dafür gibt es für Anpassungsgesten viel Verständnis. Im Dezember letzten Jahres begrüßte Staatsminister Michael Roth beim Menschenrechtsempfang im Lichthof des Auswärtigen Amtes die schwedische Ministerin für Europa und Handel, Ann Linde. Und wie weiland Claudia Roth gefiel es den schwedischen Ministerinnen offenbar, in ein Land zu kommen, das ihnen die Verschleierung aufnötigt. Der deutsche Staatsminister dazu:

„Auch Du, liebe Ann Linde, kannst davon ein Lied singen: Im Februar 2017 bist Du mit einer schwedischen Regierungsdelegation zur Unterzeichnung mehrerer Handelsabkommen in den Iran gereist. Damals gab es heftige Kritik, weil Du und andere weibliche Delegationsmitglieder bei den offiziellen Terminen Kopftuch getragen haben. Prompt hieß es, die schwedische Regierung beuge sich den Regeln eines frauenfeindlichen Regimes und opfere die Prinzipien ihrer Menschenrechtspolitik.

Du hast damals öffentlich klargestellt, dass Du schlichtweg die geltenden Gesetze im Iran nicht brechen wolltest. Und Du hast auch deutlich gemacht, was die eigentliche Botschaft des Besuchs war: Eure 15-köpfige Delegation war mit zwölf Frauen besetzt. Auch die schwedische Botschaft im Iran wird von einer Frau geleitet. Und in allen Gesprächen hast Du die schwierige Lage der Frauen im Iran offen angesprochen.

Ein provozierter Eklat auf offener Bühne hätte vermutlich jeglichen Dialog mit der iranischen Seite unmöglich gemacht. Keiner unterdrückten Frau wäre damit geholfen worden.“

Vielleicht wäre aber zunächst die Frage angebracht, ob der verschleierte Besuch den Unterdrückten in irgendeiner Weise hilft? Die Bilder von westlichen Regierungspolitikern, die freiheitsbeschränkende Regeln für sich selbst akzeptieren, sollte man in ihrer Wirkungsmacht in einer Diktatur nicht unterschätzen. Wenn dann auch noch, wie bei einem iranischen Staatsbesuch in Rom, Statuen verhüllt werden, damit dem Gast der Anblick von in Stein gehauener unislamischer Nacktheit erspart wird, ist das wohl kaum noch mit realpolitischen Erfordernissen zu erklären.

Natürlich darf man die Argumente für eine Realpolitik, die auch die Vermeidung allzu harter Töne einschließt, nicht einfach ignorieren. Doch wenn Demonstranten auf der Straße sterben, muss man Stellung beziehen. Wer sich allzu eng mit einem Diktator einlässt, hat immer ein Problem, wenn sich dessen Untertanen auflehnen und drohen, die Ordnung kaputt zu machen, in der man sich doch so schön eingerichtet hat. Man kann sich als Minister seine Gesprächspartner nicht aussuchen, seine Freunde schon. Es sei denn, man möchte sich als der Mann für sensible Despoten profilieren.

Aber eines sei Sigmar Gabriel mit seinem windelweichen Neujahrs-Statement zugutegehalten: Er ist – Stand 3. Januar – der ranghöchste deutsche Politiker, der sich überhaupt vernehmlich zum Iran geäußert hat. Von der Kanzlerin oder seinem präsidialen Vorgänger kommt nur eisiges Schweigen.

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