September 8, 2017 – 17 Elul 5777
Rosch Haschana – Ein Tag im Paradies

Von Rabbiner Elischa Portnoy

Wenn am Abend des 20. Septembers nach jüdischem Kalenders der 1. Tag des Monats Tischrej beginnt, so bedeutet das auch, dass viele Juden auf der ganzen Welt mit der Rosch-Haschana-Feier (Neujahrsfest) das neue Jahr 5778 nach jüdischer Zeitrechnung begrüßen.

Doch vom welchem Zeitpunkt an werden diese 5778 Jahre gerechnet? Viele sagen „vom Zeitpunkt der Weltschöpfung an“. Grundsätzlich stimmt das auch, jedoch nicht ganz genau: die Welt wurde – laut unserer Tradition – sechs Tagen früher, am 25. Elul erschaffen. Der 1. Tischrej war bereits der 6. Tag der Schöpfung und das wichtigste Ereignis des Tages war die Schöpfung des Menschen. Warum jedoch ausgerechnet dieser Tag zum Rosch Haschana wurde, können wir bei der Betrachtung der Überlieferung unserer Weisen in Midraschim verstehen.

Dieser 6. Tag war wohl überhaupt der spannendste und ereignisreichste von allen Schöpfungstagen, und wenn man darüber im Midrasch Rabah (Großem Midrasch) liest, dann taucht man in eine Zauberwelt ein:

Den 6. Tag im Gan Eden (Paradies) begann G’tt damit, dass Er alle Tiere erschuf. Interessanteweise wurden die Tiere nicht gesegnet – im Gegensatz zu den Fischen und Vögeln am 5. Tag. Unsere Weisen erklären das damit, dass wenn G’tt die Tiere gesegnet hätte, Er danach nicht mehr die Schlange hätte verfluchen können, die die ersten Menschen Adam und Hava zu der Sünde mit der verbotenen Frucht verleitet hat.

Dann war der Mensch an der Reihe: „Und G‘tt sprach: Wir wollen Menschen machen nach unserm Bild uns ähnlich; die sollen herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über das Vieh auf der ganzen Erde, auch über alles, was auf Erden kriecht! Und G‘tt schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde G‘ttes schuf Er ihn; männlich und weiblich schuf Er sie.“

Gleich nach der Geburt wurde dem ersten Menschen Adam von G’tt eine Arbeit aufgetragen: „Und G‘tt der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bearbeitet und hütet“.

Als Nächstes brachte der Schöpfer alle Tiere zu Adam und bat ihn diesen Tieren Namen zu geben, was Adam gut gemeistert hat. Dabei wurde Adam klar, dass alle Tiere zu zweit sind, und nur er, der Mensch, alleine und ohne Gattin ist.

Adam wandte sich an G’tt, und G’tt hat die Schöpfung mit dem „Herstellen“ der Frau aus einer Seite des Adams vervollständigt. Unsere Weisen erzählen, dass gleich nach der Vereinigung des glücklichen Paares noch am gleichem Tag Kain, Abel und drei ihrer Schwester geboren wurden, die dann die ganze Welt bevölkert haben.

Gleich danach kam die sehr bekannte Geschichte mit der Schlange und der Frucht vom Baum der Erkenntnis. Die Schlange hatte es geschafft Hava zur Sünde zu verleihen, und Hava verleitete dann wiederum Adam.

Unsere Weisen erzählen, dass diese Sünde kurz vor Ende des 6. Tages geschah. Es blieb nur noch eine Stunde bis zum Schabbat. Hätten Adam und Hava diese Stunde fehlerfrei überstanden, wäre die Welt an ihrem Ziel angekommen.
So aber musste G’tt die Schlange, Hava und Adam richten und bestrafen, was den Rauswurf aus dem Gan Eden nach dem Schabbatausgang nach sich zog.

Deshalb wurde dieser Tag von G’tt als Tag des Gerichts für alle Generationen bestimmt: am Rosch Haschana werden alle Menschen auf dieser Welt von G’tt gerichtet und ihre Schicksale, Einkommen und Gesundheit für das kommende Jahr bestimmt.

Die Geschichte des 6. Tages im Paradies soll für uns eine große Inspiration sein: Adam, der mit seiner Sünde die Geschichte der Welt kräftig verändert hat, wurde trotzdem am Leben gelassen und bekam eine weitere Chance. Das sollten wir auf uns selbst beziehen: Es kann sein, dass unser vergangenes Jahr nicht optimal gelaufen ist und wir so manches vermasselt haben. Trotzdem besteht große Hoffnung darauf, dass G’tt am Rosch Haschana mit uns Seine Gnade und Geduld haben wird und uns für weitere Jahre Gesundheit, Parnossa und Frieden gibt, damit wir uns und die Welt positiv verändern.

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