Von Freddy Sorin
Nur wenige wissen: Das Licht der Welt erblickte der berühmte Unternehmer Davidoff am 11. März 1906 in Nowgorod-Siwerski, einem damals russischen, heute ukrainischen Städtchen im Gouvernement Tschernigow. Der Emigrant Zino Davidoff wurde mit seiner Marke, die sich man heute vor allem mit erstklassigen Tabakprodukten in Verbindung bringt, weltweit bekannt.
Kommt man eigentlich als Geschäftsmann auf die Welt? Wenn man diese Frage auf Davidoff bezieht, könnte man zumindest sagen, dass bestimmte Fertigkeiten einem in die Wiege gelegt sein müssen. Der französische Schriftsteller Antoine de Rivarol schrieb einst: „Ideen sind ein Kapital, das nur in den Händen von Talenten Zinsen abwirft.“ Kein Zweifel. Zino war ein talentierter Bursche aus jüdischem Hause. Seine Eltern waren Rachel Orlova und Henrich (ursprünglich Hillel) Davydov (ursprüngliche Schreibweise), der dem Beruf des Tabakhändlers nachging. Die Eltern gaben ihrem Sohnemann den Namen Sussele-Meir, der aber russifiziert Sinowij lauten sollte.
Bald zog die Familie nach Kiew, sah sich aber wegen antisemitischer Pogrome gezwungen aus dem Russischen Reich zu fliehen. Sie ließ sich in der Schweiz nieder. In Genf eröffnete Henrich einen Tabakladen, in dem sich häufig russische Einwanderer die Klinke in die Hand gaben.
Leben statt Universität
Sinowij, dessen Name nach der Migration in den Westen zu Zino wurde, besuchte ein College und half in seiner Freizeit nicht selten dem Vater im Handel. In der Schule lernte Zino gut, doch beschloss der Vater ihn nicht auf die Universität zu schicken. „Den Rest“, so sagte er, „soll das Leben dir beibringen.“
Davidoff junior bereiste ferne Länder. Die Schule des Lebens bildete für ihn seine Zeit in Argentinien, Brasilien und auf Kuba. Anfangs nahm er jeden möglichen Job an, machte sich noch keine Gedanken über eine Zukunft im Tabakgeschäft. Doch wie das Schicksal so spielt, fand sich Zino in einer Tabakfabrik wieder, wo er die für diesen Beruf wichtigen Kenntnisse erwarb und schnell die Aufmerksamkeit der Vorgesetzten auf sich zog.
Immer öfter bekam er wichtige Aufgaben zugeteilt, und so durfte er sich bald mit dem Kauf von Tabak zur Zigarettenherstellung vertraut machen. Auf Kuba arbeitete der junge Mann zwei Jahre lang auf einer Tabakplantage, stellte gekonnt berühmte kubanische Zigarren her. Er hätte sich in Lateinamerika niederlassen können, zog es aber vor, zu den Eltern zurückzukehren.
Der 23-jährige Zino trat als Käufer in den Laden seines Vaters. Er trug einen exotischen Satinanzug und kubanische Sandalen. Der Vater brauchte ein wenig, um den „verlorenen Sohn“ wiederzuerkennen. Und das nicht nur, weil Zino sich äußerlich verändert hatte. Nun spürte er die innere Stärke, die Bereitschaft, nicht nur das Familienunternehmen zu erben, sondern auch einen bescheidenen Laden in etwas zu verwandeln, von dem der Besitzer nicht einmal geträumt hatte.
Bei seiner Ankunft in Genf lernte Zino ein Mädchen namens Martha beim Tanzen kennen und verliebte sich auf den ersten Blick in sie. Und obwohl Martha Meier die Tochter eines erfolgreichen Kaufmanns war, heiratete sie Davidoff nicht der Herkunft wegen. Er verließ sich ausschließlich auf sich selbst, geleitet von einem Motto, das auf einem Satz von Archimedes beruht: „Gib mir einen (Verkaufs-)punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege die Erde.“ Sein Pfeiler war sein neuer Laden, und das Konzept, an dem sich der Unternehmer von Anfang an in Europa festhielt: „Es ist besser, eine gute Sache zu produzieren und zu verkaufen als 20 billige Sachen.“
Mit anderen Worten, Zino begann, die Verbraucher mit hochwertigen Tabakerzeugnissen, der Exklusivität der Produkte und einer besonderen Einstellung gegenüber den Kunden zu begeistern.
Selbständige arbeiten selbst – und das ständig!
Zinos Geschäft arbeitete ohne Ruhetage. Außerdem war Davidoff bereit, auch mitten in der Nacht an der Theke zu stehen, falls dies notwendig war. Er besaß ein phänomenales Gedächtnis und wusste, welche Art von Tabak ein bestimmter Kunde bevorzugte, wenn dieser ihn nur ansah. In den 1930er Jahren besuchte der Pianist Artur Rubinstein den Tabakladen und war von diesem so angetan, dass er dem Ehepaar Davidoff ein Heimkonzert gab.
„Dem Geld darf man nicht nachlaufen. Man muss ihm entgegengehen“, riet der Milliardär Aristoteles Onassis (der übrigens einer Familie von Tabakhändlern entstammte). Zino ist diesem Rat gefolgt und hat sich nicht beirren lassen. Infolge erfolgreicher Transaktionen (andere nannten sie Spekulationen) war der Zino-Laden im Zweiten Weltkrieg praktisch der einzige in Europa, in dem Tabak höchster Qualität verkauft wurde, auch in seiner ursprünglichen attraktiven Verpackung, die Davidoff als eine „Produkt-Visitenkarte“ ansah.
Geschützt in der Schweiz
Übrigens geht die Idee, Zigarren in Holzkisten zu verkaufen, auf Zino zurück. Seine Zigarren wurden von Hand gedreht. Diese und andere Einfälle von ihm wurden im Laufe der Zeit zu einem Zeichen dafür, dass seine Kunden der wohlhabenden Oberschicht angehörten.
Diejenigen, die das „Phänomen Zino“ unter die Lupe nahmen, neigen dazu zu behaupten, Davidoff habe in den Jahren der militärischen Konflikte in Europa die Neutralität der Schweiz zur Steigerung der Gewinne genutzt, wodurch er mit beiden Kriegsparteien erfolgreich arbeiten konnte. In den 1950er Jahren wurde Zinos Laden zu einer Art Sehenswürdigkeit der Stadt Genf.
Davidoff stand fest auf den Beinen und erlaubte sich Schritte, die kaum jemand anders hätte wagen können.
Der britische Politiker, Historiker und Schriftsteller Thomas Babington Macaulay bemerkte zu Recht: „Nur die Münzprägeanstalt kommt ohne Werbung zu Geld.“ Und Werbung kann sehr verschieden sein. Wer außer Zino wäre schon darauf gekommen, Tabakprodukte mit Namen berühmter französischer Weine auf den Markt zu bringen? Der Einfall des Tabakhändlers überraschte und faszinierte die Hersteller populärer Weine zugleich. Sie erlaubten ihm, ohne dafür eine Zahlung zu verlangen, ihre Wahrzeichen zu verwenden. So erschienen bald Zigarren, die die Ohren französischer Weinkenner bezirzten: Chateau Latour, Chateau Margaux u.a. Ein gewinnbringender Einfall. Zur gleichen Zeit erschienen auf Zinos Ladentheke die Davidoff-Zigaretten. Sie wurden nicht nur nach dem Ladenbesitzer benannt – er selbst entwickelte die exklusive Tabakmischung sogar. Und jedes Päckchen wurde versehen mit Zinos Autogramm. (…) Übersetzung aus dem Russischen von Edgar Seibel
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