Eine Pannenserie in der „Süddeutschen Zeitung“ zeigt, was schlechter Journalismus ist.  

Januar 4, 2016 – 23 Tevet 5776
Politisch korrekte Unwahrheiten

Von Jerome Lombard

(...) Eine Frage der Korrektheit
Die in München erscheinende „Süddeutsche Zeitung“ ist allgemeinhin für ihre Qualität bekannt. Von Montag bis Samstag werden über 370.000 Exemplare verkauft. Die SZ lacht den sich auch heutzutage noch für Druckerzeugnisse interessierenden Leser von praktisch jedem Kioskzeitungsständer in Deutschland an. Auch international ist sie als eine „der“ deutschsprachigen Zeitungen weithin erhältlich und geschätzt. Die sich als links-liberal verstehende SZ ist beliebt bei Studenten, Intellektuellen und solchen, die in der U-Bahn auf das eine oder andere machen wollen. Die stets auf der Frontseite gedruckte Glossenreihe „Das Streiflicht“ ist legendär und kennt eigentlich jeder noch aus dem Deutsch-Grundkurs an der Oberschule. Wenn es um die Typen journalistischer Schreibstile geht, ist „Das Streiflicht“ immer das Paradebeispiel für die gelungene Glosse schlechthin. Da werden Erinnerungen wach. Aber halt, wer jetzt sentimental werden will, sollte wissen: Die SZ ist zu einem Frontblatt im ideologischen Kalten Krieg geworden, der in der Medienlandschaft tobt. In diesem heißt es: Politisch korrekte Berichterstattung versus Realitäts-und Tatsachenfeststellung. Die Redaktion der SZ steht dabei felsenfest auf der Seite der Verfechter der Ideologie der Politischen Korrektheit. Das Problem an der ganzen Sache: Wer partout politisch korrekt berichten will, vergisst gerne mal die Grundregeln des guten Journalismus und textet Berichte, die sich schon am nächsten Tag als komplette Unwahrheit herausstellen. Frei nach dem zutiefst unjournalistischen Motto: Man kann’s ja mal schreiben und vielleicht stimmt’s ja sogar auch. Für die Intaktheit des eigenen Weltbilds wäre es zumindest die richtige Story. Das glauben Sie in Bezug auf die SZ nicht? Dann werden Sie von der Zeitung selber eines Besseren belehrt werden.

Erstaunliche Pannen
Hier kommt der Faktencheck zu zwei Beispielen aus dem letzten Jahr. Da wäre zum einen der Beitrag von Sacha Batthyany vom 3. Dezember 2015 mit dem Titel „An der Bluttat von Kalifornien ist mal wieder der Islam schuld“. Am 2. Dezember waren der US-Bürger Syed Rizwan Farook und seine pakistanische Ehefrau Tashfeen Malik schwer bewaffnet in eine Weihnachtsfeier des Gesundheitsamts der kalifornischen Kleinstadt San Bernardino unweit von Los Angeles gestürmt und hatten 14 Menschen mit Schnellfeuergewehren ermordet und 22 weitere verletzt. Die beiden Attentäter wurden später auf der Flucht in einem Mietwagen von der Polizei erschossen. Einen Tag nach der Bluttat, war die Motivation der Täter offiziell noch nicht eindeutig geklärt. Es lag kein Bekennerschreiben vor und da Farook Mitarbeiter in dem örtlichen Gesundheitsamt gewesen war, stand der Verdacht im Raum, es könnte sich um einen persönlichen Rachefeldzug gehandelt haben. Das FBI hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gegeben, dass es die Tat als vom „Islamischen Staat“ inspirierten Akt islamistischen Terrors einstuft. Diese offizielle Stellungnahme folgte dann genau 24 Stunden später. Dass das Motiv zunächst nicht eindeutig erkennbar schien, war für SZ-Autor Batthyany Grund genug, Amerika als Hort von Islamophobie zu denunzieren und bereits einen Tag nach dem Massaker eine politische Instrumentalisierung des Attentats gegen Muslime am Horizont erkennen zu wollen.

Nur weil die Namen der beiden Attentäter islamisch-muslimisch klängen, hätten Nutzer auf Facebook bereits ein paar Stunden nach der Attacke den radikalen Islam als Motiv für die Tat verantwortlich gemacht und das Blutbad als willkommenen Anlass für islamfeindliche Hasskommentare im Netz genutzt. „Die Islamophobie wird also steigen, falsche Behauptungen werden als Gewissheiten verkauft“, schreibt Batthyany. Dumm nur, dass die Todesschützin von San Bernardino noch während des Attentats via Facebook dem IS die Treue geschworen hatte. Wer diesen Post entdeckt und gelesen hat, konnte sich also schon vor der offiziellen Bestätigung davon überzeugen, welch Geistes Kind die Attentäter von Kalifornien waren. Da haben die von Batthyany so gescholtenen Nutzer ganz offensichtlich besser recherchiert, als er selber.

So wie es der journalistischen Ethik entspricht, bei mangelnder Quellenlage niemanden vorzuverurteilen, verhält sich dies auch in der umgekehrten Richtung. Niemand darf provisorisch in Schutz genommen werden. Bei Battyhanys Text war ganz offensichtlich der (politisch korrekte) Wunsch der Vater des Gedankens. Hätten die Attentäter doch bloß aus persönlichen Motiven heraus gemordet und sich nicht als Teil des internationalen Dschihadismus verstanden, dann hätte man doch endlich wieder all diejenigen, die immer wieder vor dem Radikalisierungspotential unter Muslimen in westlichen Staaten warnen, als islamophobe Demagogen denunzieren können. So war es aber nicht. Die Denunziation erfolgte dennoch. Eben provisorisch.

Der Artikel von SZ-Edelfeder Georg Mascolo vom 14. Oktober 2015 mit dem Titel „Die Mär vom eingeschlichenen Terroristen“ folgt einem ganz ähnlichen Muster. Einen Monat vor den blutigen Attentaten von Paris berichtet Mascolo, dass es immer wieder Berichte darüber gäbe, dass sich die IS-Dschihadisten die gegenwärtige Flüchtlingskrise zunutze machen und Terroristen als Schutzsuchende getarnt für Anschlagsoperationen nach Deutschland und Europa schicken könnten. Alles unnötige Stimmungsmache und Falschmeldungen, schreibt Mascolo. Kein einziger dieser Berichte hätte sich bislang bestätigt. „Die Behauptung, dass sich Islamisten unter die Flüchtlinge mischen würden, dient konservativen Politikern zur Begründung, ihre Aufnahme abzulehnen. Die Botschaft ist stets gleich: Die Bedrohten sind eine Bedrohung“, so fasst Mascolo seine Kernaussage zusammen. Mit den Anschlägen von Paris, bei denen die Polizei zwei Attentäter identifiziert hat, die zuvor mit gefälschten syrischen Pässen über Griechenland in die Europäische Union eingereist waren, hat die Realität auch diesen Artikel ad absurdum geführt. Zumal Ende Dezember Berichte die Runde machten, wonach die Bundespolizei konkrete Hinweise darauf hätte, dass auch in Deutschland Menschen mit gefälschten Pässen aus Syrien eingereist und untergetaucht sind. (...)

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